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Walter Homolka ist seit 20 Jahren Rabbiner und Direktor der School of Jewish Theology an der Uni Potsdam. Er will den Dialog zwischen Juden, Christen und Muslimen.

© A. Klaer

Potsdamer Rabbiner fordert Antisemitismusbeauftragten: Starkes Mandat gegen Antisemitismus nötig

Walter Homolka, Rektor des Abraham Geiger Kollegs der Universität Potsdam und Vorsitzender der Union progressiver Juden in Deutschland, spricht sich für einen Bundesbeauftragten im Kampf gegen Antisemitismus aus.

Potsdam. Ende Januar hat der Bundestag mehrheitlich für einen Antrag gestimmt, der ein stärkeres Vorgehen gegen Antisemitismus und die Einsetzung eines eigenen Beauftragten fordert. Auch im vorgesehenen Koalitionsvertrag von Union und SPD ist die Rede von einem Beauftragten der Bundesregierung für jüdisches Leben in Deutschland und den Kampf gegen Antisemitismus. Dieser könnte ein wichtiges Signal geben, meint Rabbiner Walter Homolka, Rektor des Abraham Geiger Kollegs der Universität Potsdam und Vorsitzender der Union progressiver Juden in Deutschland – nämlich „null Toleranz für Antisemitismus“. In Deutschland gebe es mittlerweile einen „soliden Bodensatz an latentem und akutem Antisemitismus“, sagte Homolka der Katholischen Nachrichten-Agentur.

Respektvoller Umgang aller Religionen

Der Rabbiner betonte zudem, dass wirksam arbeitende Ombudsleute benötigt würden. Viele Jüdinnen und Juden in Deutschland würden sich ein beherztes Eingreifen der Regierung und der Parlamente gegen Antisemitismus wünschen. „Sie sind durch die Geflüchteten aus Ländern verunsichert, in denen ein jüdisches Feindbild vermittelt wird“, so der Professor für Jüdische Religionsphilosophie. Gleichzeitig setzt Homolka sich aber auch für einen respektvollen Umgang aller Religionen miteinander ein.

Homolka verweist auch darauf, dass Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) stets eine klare Haltung an der Seite der jüdischen Gemeinschaft gezeigt habe. „Aber wir brauchen noch mehr Energie und Nachhaltigkeit, um unsere pluralistische Gesellschaft zu schützen.“ Ein Antisemitismusbeauftragter brauche Rückhalt durch eine dahinterstehende Behörde mit Ressourcen und Kompetenzen, so Homolka. „Sie brauchen Stehvermögen, konfrontativ einzugreifen: Nichts darf unter den Teppich gekehrt werden.“ Zusätzlich müssten aber Gelder da sein, um Projekte gegen Antisemitismus zu entwickeln und umzusetzen. „Also nicht nur aufdecken und anklagen, sondern auch Arbeit am Gegengift.“

Ein Bodensatz an braunem Schlamm

Den aktuellen Antrag zum Vorgehen gegen Antisemitismus hatten Union, SPD, Grüne und FDP eingebracht, auch die AfD stimmte dafür, die Linke enthielt sich. Ein Antisemitismusbeauftragter könne in einem föderativ aufgestellten Land auf Bundes- und auf Länderebene sinnvoll sein, meint Homolka: „Allein in Sachsen gibt es – zu unser aller Schande – genug Arbeit.“ Ein Antisemitismusbeauftragter könne deutlich machen, wo in unserer Gesellschaft deutliche Grenzen der Toleranz gezogen sind. „Ein Bodensatz an braunem Schlamm wird bleiben. Aber wir zeigen wenigstens, dass diese Ideologie nicht hoffähig wird.“ Angesichts von Pegida und des Einzugs der AfD in deutsche Parlamente sei dies ein ganz wesentlicher Schritt.

Frankreich als Vorbild

Homolka verwies auf Frankreich, wo es seit 2012 einen institutionalisierten Kampf gegen Rassismus und Antisemitismus durch eine interministerielle Delegation gebe. Die Stelle des Antisemitismusbeauftragten sei im Élysée-Palast direkt beim Staatspräsidenten angesiedelt. In Deutschland gebe es von jüdischer Seite Forderungen, die Stelle eines Bundesbeauftragten gegen Rassismus und Antisemitismus entsprechend im Kanzleramt zu integrieren, so Homolka. „Er braucht aber Freiraum, um auch die Regierung in die Zange nehmen zu können, wenn das notwendig ist.“

Zugleich sei die Einführung von Antisemitismusbeauftragten aber auch das Eingeständnis, „dass Deutschlands Gesellschaft aus der Vergangenheit nicht genug gelernt hat und der Schoß noch fruchtbar ist, der Judenhass gebiert“. Homolkas Engagement ist es maßgeblich zu verdanken, dass es an der Universität Potsdam erstmals nach dem Holocaust in Deutschland wieder liberale Rabbiner ausgebilden – und zwar erstmals überhaupt an einer öffentlichen Hochschule. (mit KNA)

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