zum Hauptinhalt
Abgedreht. In Ketzin entsteht an Stelle der Bohrlöcher wieder grüne Wiese.

© dpa

Potsdamer Forscher zu CCS-Verfahren: Langfristig dicht

Potsdamer Geoforscher halten es nach einem Langzeitversuch in Ketzin für endgültig erwiesen, dass sich das Treibhausgas Kohlendioxid dort unterirdisch speichern lässt. Das CCS-Vefahren ist umstritten, könnte aber in Brandenburg für die Industrie weiter aktuell bleiben.

Potsdam. Nach dem Abschluss einer letzten Testphase am Versuchsstandort Ketzin (Havelland) kommen Wissenschaftler vom Potsdamer Geoforschungszentrum (GFZ) für das unterirdische Speicherverfahren von Kohlenstoffdioxid (CCS) zu einem positiven Fazit. Wie Axel Liebscher, Leiter der Sektion „Geologische Speicherung“ am GFZ, den PNN sagte, habe sich das CCS-Verfahren am Standort Ketzin sicher durchführen lassen. Bei der Technologie soll das klimaschädliche CO2 langfristig unter der Erde gespeichert werden.

Von 2008 bis 2013 haben die Forscher gut 67 000 Tonnen Kohlendioxid (CO2) in den porösen Sandstein in rund 630 Metern Tiefe gepumpt. Dann wurde weiter beobachtet, wie sich das Gas in der Tiefe verhält. Mittlerweile habe sich der Speicher seinem ursprünglichen Zustand wieder angenähert. „Es herrschen in etwa wieder die gleichen Druckverhältnisse wie zu Anfang der Einspeisung“, so Liebscher. Die seismischen Messungen würden zeigen, dass das CO2 im Großen und Ganzen stationär sei und sich seit dem Ende der Injektionsphase kaum bewegt habe.

Ein Leck in dem Gasspeicher schließen die Forscher aus

Am Ende der Testphase hatten die Forscher sogar Hinweise darauf, dass sich das Gas im Untergrund beginnt, in dem dort vorhandenen Salzwasser zu lösen. Dadurch werde die Gefahr einer Leckage deutliche niedriger. „Am Standort Ketzin ist das Verfahren sicher und dauerhaft einsetzbar“, resümiert Liebscher. Was allerdings kein Pauschalurteil ist: An anderen Standorten müsse die Machbarkeit von CCS immer wieder spezifisch geprüft werden. Beim CCS-Verfahren (Carbon Dioxide Capture and Storage) wird CO2 an Kraftwerken und anderen Industrieanlagen abgeschieden und anschließend unterirdisch gespeichert, um es für das Klima der Erde unwirksam zu machen.

In Ketzin wurde das erste Mal ein gesamter Lebenszyklus eines Speichers untersucht, bearbeitet und abgeschlossen. In einem Rückfördertest waren zudem rund 240 Tonnen CO2 aus dem Erdspeicher wieder nach oben geholt worden. Damit wurde belegt, dass dies aus einem Porenspeicher möglich ist. Das könnte in Zukunft eine Bedeutung haben, wenn es neue Verfahren geben sollte, das Treibhausgas CO2 klimaneutral zu nutzen.

Emission eines Kohlekraftwerkes wesentlich höher

Die rund 67 000 Tonnen CO2 verbleiben nun im Untergrund von Ketzin, weitere Messinstrumente bleiben nicht im Boden. „Das CO2 ist dort langfristig sicher“, so Liebscher. Für die Emissionen eines Kohlekraftwerkes wäre die aktuelle Speichermenge in Ketzin allerdings wesentlich zu gering. Pro Jahr wurden am Standort rund 12 000 Tonnen Gas in die Erde gepumpt. Ein durchschnittliches Kohlekraftwerk kommt hingegen auf eine CO2-Emission bis in den zweistelligen Millionenbereich jährlich. „Das was wir gemacht haben, ist vergleichsweise homöopathisch“, sagte Liebscher. Für die zum Klimaschutz relevanten CO2-Mengen bräuchte man vor allem mehr und wesentlich größere Speicher. Immerhin lasse der geologische Untergrund in Ketzin grundsätzlich eine noch deutlich größere Speichermenge zu. „Aber der Speicher würde sich nicht für einen industriellen Speicher eignen, weil die Gesteinsschichten nicht mächtig genug sind und der Fließwiderstand im Untergrund zu hoch ist für die benötigten Massenströme“, erklärt der Geologe.

Der Rückbau der Anlage Ketzin ist in indessen in vollem Gange. 2013 war das erste Bohrloch im Speicherbereich zementiert worden. Nach zwei Jahren Kontrolle war es 2015 dann vollständig verschlossen worden. Basierend auf diesen Ergebnissen wird nun weiter verfahren. Von drei verbliebenen tiefen Bohrlöchern sind in den vergangenen Wochen zwei komplett verfüllt worden, momentan arbeite man noch am letzten tiefen Bohrloch.

Wenn die Bohrungen verschlossen sind, werden alle Anlagen an der Oberfläche abgerissen und der zuvor abgetragene Boden wieder verteilt. „Dann ist da wieder grüne Wiese“, sagt Liebscher. Eine weitere Beobachtung des Gasspeichers findet nicht statt. Ein Austreten des Treibhausgases schließen die Forscher aus. Das GFZ-Team hatte beim Bergamt nachweisen müssen, dass es keine Hinweise auf Unregelmäßigkeiten im Speicher gibt. „Wir konnten belegen, dass der Speicher eine Langzeitstabilität erreicht hat.“ Daher hätten sich weitere Messungen erübrigt. Das Gelände geht schließlich vertragsgemäß an den Eigentümer zurück.

Vor rund zwei Jahren war es in einem Erdgasspeicher bei Los Angeles zu einem spektakulären Leck gekommen. Liebscher hatte seinerzeit das Risiko für eine vergleichbares Leck in Deutschland grundsätzlich für sehr gering eingestuft: „Eine solche Korrosion würde aufgrund der in Deutschland durchgeführten Bohrungsüberwachungen frühzeitig erkannt werden.“ Auch in Ketzin wurden die Bohrungen während der gesamten neunjährigen Betriebsphase von 2008 bis 2017 umfänglich überwacht. Die im Rahmen der laufenden Verfüllungsarbeiten gewonnen Bohrungsmaterialien erlauben eine Überprüfung dieser Überwachungsmethoden. „Die jetzt gewonnenen Proben aus den Bohrungen belegen die aus den Messungen abgeleitete Integrität der Bohrungen“, so Liebscher abschließend.

Für Klimaschutz könnte CCS weiterhin eine Rolle spielen

Trotz diese positiven Befundes ist fraglich, ob das CCS-Verfahren überhaupt in Deutschland zum Einsatz kommt. Es gilt als politisch gescheitert, es war der Öffentlichkeit nicht vermittelbar. Es könnte aber vor dem Hintergrund nötiger Klimaschutzmaßnahmen für den Weiterbetrieb von Kohlekraftwerken erneut eine Rolle spielen. Gerade auch in Brandenburg, war hier doch die rot-rote Koalition in diesem Sommer von den eigenen Klimaschutzplänen abgerückt. Im Entwurf der neuen Energiestrategie setzt die Regierung etwa auf CCS für die Industrie. Für die Braunkohle ist das Thema seit 2011 abgehakt. Damals hatte der Bergbaubetreiber Vattenfall die Pläne für ein CCS-Kraftwerk auch wegen des Widerstands in der Bevölkerung und fehlende Rückendeckung durch die Bundespolitik beerdigt.

Für den Klimaschutz spielt CCS indes in einem noch größeren Maßstab eine Rolle. Zum einen soll es als Brückentechnologie zum Zuge kommen, solange fossile Energien noch genutzt werden. Vor allem aber wird CCS für sogenannte „negative Emissionen“ gebraucht. Dabei soll der Atmosphäre CO2 entzogen und unterirdisch gespeichert werden, was zum Erreichen des Klimaziels unter zwei Grad Erwärmung ab Mitte des Jahrhunderts nach Erkenntnissen des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK) nötig ist. Dabei würde es aber um ganz andere Mengen als die 67 000 Tonnen von Ketzin gehen. Vielmehr müssten für den Klimaschutz weltweit unzählige Gigatonnen unter die Erde gebracht werden.

Zur Startseite