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Potsdam: Begegnungen auf Augenhöhe

Ein Workshop des Bigs-Instituts mit Geflüchteten über Werte, Moral und Erfahrungen mit der Demokratie.

Potsdam - Freiheit, Verantwortung und die Möglichkeit des Einzelnen, sein Leben selbst gewählt zu gestalten – darüber hatten die Teilnehmer des Workshops „Integration auf Augenhöhe“ in den vergangenen drei Monaten diskutiert. Grundwerte der deutschen Gesellschaft, wie die Potsdamer Bundestagsabgeordnete Linda Teuteberg (FDP) findet, die die Teilnehmer vergangene Woche in den Deutschen Bundestag eingeladen hatte. Die Rechtsanwältin hat in Potsdam studiert, wo sie heute noch lebt. Brandenburg und Potsdam, das sei Heimat für sie. Teuteberg hofft, dass auch die Teilnehmer des Kurses, die ihre Heimat aufgrund ihrer Flucht verloren haben, dies einmal so empfinden könnten.

Im vergangenen Frühjahr war am Brandenburgischen Institut für Gesellschaft und Sicherheit (Bigs) mit Sitz in Babelsberg die Idee entstanden, ein spezielles Programm zu entwickeln, das auf die Wert- und Moralvorstellungen der Ankommenden eingeht. Westeuropäische Wertmuster sollten in Workshop thematisiert werden. Das sei gelungen, meint Tim Stuchtey, Geschäftsführer des 2010 gegründeten Bigs. „Wir haben uns langsam zu den heiklen Themen vorgearbeitet“, sagt Stuchtey. Yousef Wehbe sagt, dass es nicht ganz einfach gewesen sei, Themen wie sexuelle Orientierung, Homosexualität und Rassismus mit der Gruppe zu besprechen. Wehbe war 2015 aus dem Libanon aus politischen Gründen geflohen, hat für eine Nichtregierungsorganisation in der Schweiz und dann für das Bigs gearbeitet und wohnt in Potsdam. Da die Arbeitssprache am Bigs zumeist Englisch ist, sei es ihm nicht schwergefallen, sich in die Strukturen des Instituts einzufügen. Er konnte als Vermittler zu den Kursteilnehmern wirken und half mit, per Facebook und Anzeigen den Kurs zu bewerben. „Wir werben für das Institut gezielt Studenten an, die aus den arabischen Staaten geflüchtet sind“, so Stuchtey.

Eigentlich liegt der Arbeitsschwerpunkt des Bigs-Instituts eher bei den ökonomischen und politikwissenschaftlichen Aspekten und Forschung zu Sicherheitsthemen wie IT-Sicherheit oder Cyberangriffen. Bei der Ausarbeitung des vom Bundesfamilienministerium geförderten Projektes „Augenhöhe“ sei aber klar geworden, dass es bei Geflüchteten wichtig sei, deren Wertvorstellungen in Gesprächen zu thematisieren. Das sei nur möglich, wenn die Kursleiter aus den Heimatländern der Flüchtlinge stammten und deren Sprache sprechen. Stuchtey hofft, dass die Teilnehmer nun in weiteren Kursen als Botschafter der vermittelten Inhalte wirken.

Die meisten der Teilnehmer des Workshops stammen aus Syrien, sind bereits mehr als drei Jahre in Deutschland und sprechen neben ihrer Heimatsprache und Englisch gut Deutsch. Trotz des bereits längeren Aufenthalts in Deutschland sei es eine einzigartige Erfahrung gewesen, sich in mehreren Wochenendseminaren mit Werten wie Freiheit, Demokratie und auch Gleichheit und Geschlechterverhältnissen intensiv auseinanderzusetzen, so die Absolventen.

Gerade diese Werte seien in dem Land, aus dem sie komme, immer weiter eingeschränkt worden, stellt Lama Ahmad fest. Die ehemalige syrische Diplomatin arbeitet derzeit für den Brandenburger Landtagsabgeordneten Dierk Homeyer (CDU). 2013 kam Ahmad nach Deutschland. Zwar seien die Umstände, unter denen sie geflüchtet sei, nicht so dramatisch gewesen wie die der meisten anderen Syrer. Aber auch sie habe ihre Heimat verlassen müssen, nachdem sie das dortige politische System kritisierte und sich daraufhin die Möglichkeit einer lebensbedrohlichen Verfolgung abzeichnete, so Ahmad. Daher seien zunächst ihr Mann und ihre beiden Kinder nach Deutschland gekommen bevor sie endgültig aus Syrien flüchtete. Sie hätte in dem System des syrischen Diktators Assad weiterhin Karriere machen können, ihre nächste Station als Diplomatin hätte Dubai sein sollen. Aber dann hätte sie die diktatorische Politik des syrischen Staatschefs Assad vertreten müssen. Die Intensität des Kurses hat sie beeindruckt.

Linda Teuteberg überreichte den Absolventen schließlich zum Abschied Urkunden. Im Bundestag erhielten die Kursteilnehmer einen anschaulichen Eindruck vom Wirken und Ablauf der parlamentarischen Arbeit, sagte Teuteberg bei der anschließenden Führung durch das Parlamentsgebäude. „Wir wollen den Kurs fortführen, denn neue Flüchtlinge werden in den kommenden Jahren nach Deutschland kommen“, so Stuchtey. Diese könnten dann auf den Erfahrungen der Kursteilnehmer aufbauen.

Richard Rabensaat

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