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Gesine Dannenberg.

© privat

Position zur Gründungsgeschichte der Uni Potsdam: Ost-West-Geschichte betrifft auch die junge Generation

Der schwierige Neuanfang der Universität Potsdam ist auch ein Thema für die junge Generation, findet die Potsdamer Linke-Politikerin Gesine Dannenberg. Ein Gastbeitrag.

Zum 25. Jubiläum der Universität Potsdam in diesem Jahr hat der Historiker Manfred Görtemaker die Gründungszeit der Hochschule untersucht. Dabei kam er zu dem Schluss, dass die Überführung einer Pädagogischen Hochschule (PH) in eine forschungsorientierte Universität seinerzeit die Hochschule stark ausgebremst hat. Vor allem der Mittelbau von rund 500 Mitarbeitern auf unbefristeten Stellen hätte die Entwicklung seinerzeit stark behindert. Das empfanden ehemalige PH-Wissenschaftler als Diskreditierung ihrer Lebensleistung, in der Folge gab es darum eine lebhafte Debatte . Für die PNN hat die Linke-Politikerin Gesine Dannenberg ihre Position dazu verfasst. 

Am 2. Dezember hielt die Universität Potsdam ein ganztätiges Symposium ab, das sich unter dem Namen „Der schwierige Neuanfang“ mit der Gründungsgeschichte der Universität befasste. Organisiert hatte die Tagung der Historiker Frank Bösch vom Potsdamer Zentrum für Zeithistorische Forschung. Viele Faktoren müssen berücksichtigt werden, wenn wir über die Vergangenheit unserer Hochschule sprechen sowie die Konsequenzen und Bewertungen, die nach der Wende stattgefunden haben. Laut Uni-Präsident Oliver Günther muss und will sich die Uni zu ihrem 25. Jubiläum dieser Debatte stellen. Ich finde das richtig und notwendig – aber es darf nicht vergessen werden, die junge Generation in diese Auseinandersetzung mit einzubinden.

Die Sicht der Nach-DDR-Generation

Als studentische Senatorin der letzten beiden Jahre verfolge ich das Thema seit Anfang 2016. Ich bin im April 1989 geboren. Es ist mir ein Bedürfnis, mich dazu aus studentischer Sicht und aus der Sicht einer Generation zu äußern, die von der DDR nicht direkt persönlich, sondern über Erzählungen und die Erinnerungskultur des wiedervereinten Deutschlands etwas erfahren hat. Es ist schwer, sich dabei so zu äußern, dass sich niemand in irgendeiner Weise angegriffen fühlt – aber vielleicht kann es meine Generation etwas befreiter, weil wir von den Auswirkungen des Zusammenführens zweier politischer Systeme und der Nachwendephase nicht unmittelbar betroffen sind. Nichtsdestotrotz spüren wir aber die Auswirkungen deutlich; die Diskussionen über die Vergangenheit beeinflussen das kollektive Gedächtnis der Menschen in Ost und West und sie geben es weiter an die junge Generation, bewusst oder unbewusst. Wird diese Diskussion nicht mit der notwendigen inhaltlichen Tiefe, Fairness und Reflexion geführt, belasten wir damit nicht nur jene, die im geteilten Deutschland aufgewachsen sind, sondern auch uns selbst, also meine Generation, sowie die, die nach uns kommen.

Keine Diskussion aus dem Elfenbeinturm

Damit wird deutlich, wie ich diese Debatte über die Universität Potsdam bewerte: Sie ist keine Diskussion aus dem Elfenbeinturm und sie darf auch nicht von „alten Männern“ geführt werden, oder zumindest nicht von ihnen allein. Ich sehe uns alle in der Verantwortung, uns damit zu befassen, zu lernen und daraus die entsprechenden Schlüsse für die Zukunft zu ziehen, im Interesse der Wissenschaft, aber insbesondere auch im Interesse unserer Gesellschaft, über 25 Jahre nach der Wende. Denn die Geschichte der Universität Potsdam bettet sich ein in deutsch-deutsche Geschichte, die in der Nachwendezeit bei Weitem nicht nur eine Geschichte der Freude über die Wiedervereinigung, sondern auch eine Geschichte von Enttäuschungen und fortwährenden Vorurteilen ist.

Hinzu kommt: Es ist nach wie vor so, dass der Geschichts- und Politikunterricht an den Schulen lange nicht ausreicht, um all das aufzuarbeiten; es ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Und selbst jene, die in der DDR gelebt haben und natürlich auch jene, die zur gleichen Zeit in der Bundesrepublik lebten, haben auch nicht immer den Gesamtblick auf die politischen Systeme. Gerade weil es noch nicht lange her ist, ist der Blick natürlich von eigenen Erfahrungen, aber auch vielleicht allzu schnellen Kategorisierungen geprägt – deshalb bedarf es auch des Blicks der Nachwendegeneration und es bedarf eben zusätzlich einer wissenschaftlichen Perspektive. Es geht um Aufklärung und auch um das Nachzeichnen von Geschichte, die komplex verlaufen ist, die nicht schwarz und weiß ist, die vielschichtiger ist, als man es sich vielleicht manchmal wünscht, weil es auch nicht einfach ist, sich mit der Komplexität historischer Zusammenhänge auseinanderzusetzen. Das ist anstrengend. Aber genau diese Auseinandersetzung kann am Ende helfen, die Diskussion im Heute über das Gestern zu entschärfen. Wir müssen dafür Raum geben.

In die Archive gehen und ein eigenes Bild machen 

Also ist es an uns, in die Archive zu gehen und hinzuschauen und uns ein Bild zu machen. Und der Zugang zu den Universitätsarchiven ist nach wie vor nicht der beste; auch das wurde auf dem Symposium angesprochen. Meines Wissens ist im Archiv der Universität Potsdam alles gelagert aus den alten Standorten, von besonderem Interesse könnte hier wirklich die Pädagogische Hochschule sein. Ich habe jedenfalls bisher viele fertige Positionen gelesen, wünschte mir aber, dass das auch Studierende selbst ergründen könnten. Wir waren damals nicht aktiv dabei, wir waren Babys, Kinder. Leider war ich auf dem Symposium die einzige Studentin. Ich habe außerdem noch zwei Doktorandinnen gesehen. Das lag aus meiner Sicht nicht unbedingt am fehlenden Interesse, sondern an der weniger optimalen Werbung seitens der Universität, der es auch an der Information mangelte, dass Studierende explizit erwünscht sind.

Wir, die junge Generation, sind diejenigen, die die Gesellschaft von morgen aufbauen und wir sollten genau wissen, wie es sein darf und wie nicht, wie ein kritischer Geist in einer Gesellschaft bewahrt werden kann und muss, aber auch: wie Transformationsprozesse stattfinden können, oder besser gestaltet werden sollten und wie sie nicht ablaufen sollten. Diese Gedanken müssen auch wir uns machen, als „nur“ mittelbar Betroffene. Es mag pathetisch klingen, ist aber deshalb nicht weniger richtig. Diese Universität ist ein Ort des Weiterdenkens. Ich sehe uns in der Pflicht, das zu tun – um in die Gesellschaft von morgen hineinzuwirken. Das sollte unser aller Anliegen sein.

Das heißt: Die Universität und Präsident Günther insbesondere müssen sich Gedanken machen, wie ein generationenübergreifendes Anliegen an der Hochschule gestärkt werden kann. Wer muss sich vernetzen, welche Strukturen müssen gestärkt werden und wie können Studierende hier – breit aufgestellt – eingebunden werden? Es hat solche Projekte vereinzelt bereits gegeben, aber die Ergebnisse dazu dürfen nicht in der Schublade verschwinden, sondern sollten aufgegriffen, weitergeführt und ausgebaut werden.

Die Autorin war von 2014 bis 2016 studentische Senatorin der Universität Potsdam, sie ist Stadtverordnete für Die Linke in Potsdam.

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Gesine Dannenberg

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