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Pionier. Hans-Wolfgang Hubberten hat die Potsdamer AWI-Sektion aufgebaut und ihren guten Ruf begründet.

© Andreas Klaer

Polarforschung Potsdam: Richtschnur für die Politik

Nach 26 Jahren am Potsdamer Alfred-Wegener-Institut geht der Geologe und Polarforscher Hans-Wolfgang Hubberten in den Ruhestand.

Potsdam. Mit einem kleinen Schlauchboot paddelten die Forscher auf den Arktischen Ozean hinaus. Ein Profil des Meeresuntergrundes wollten der Potsdamer Geologe Hans-Wolfgang Hubberten und sein Kollege 2001 bei einer Forschungsexpedition der Sektion Periglazialforschung beim Alfred-Wegener-Institut (AWI) Potsdam mit einem Echolot erstellen. Geleitet wurde das Schlauchboot von den Lichtern eines Küstenschiffes, an denen sich die Paddler orientierten. Aber dann kam Nebel auf. Die Lichter des Schiffes verschwanden in einer weißen Wand. „Da stellt sich schon erheblicher Schrecken ein, schließlich war weit und breit niemand außer uns“, schildert Hubberten die Situation. Navigationsgeräte befanden sich nicht an Bord des Schlauchbootes. Schließlich besann sich der Forscher auf einen kleinen Handkompass, den er zufällig eingesteckt hatte. Das war ihre Rettung: Damit gelang es, die Küste zu erreichen.

Im Permafrost der Arktis liege der Schlüssel für das Klima der Zukunft, so Hans-Wolfgang Hubberten. Zwar seien die permanent gefrorenen Böden der Arktis und Sibiriens keine Klimabombe, wie gelegentlich von Medien berichtet. Aber aus der Art und Weise und der Menge der Freisetzung von Kohlenstoff und Methan aus diesen Boden könnten weitreichende Schlüsse auf den Klimawandel gezogen werden. Zahlreiche Expeditionen hat Hubberten in die kältesten Gegenden der Welt unternommen, um vor den Eisküsten Meeressedimentproben zu entnehmen.

International beachtete Forschungseinrichtung

Von 1992 an hat Hubberten die Sektion Periglazialforschung, sowie die Forschungsstelle Potsdam des Alfred-Wegner-Instituts selbst geleitet. Nun geht er in den Ruhestand, die Potsdamer Forschungsstelle leitet bereits seit 2015 Bernhard Diekmann. Aus einem kleinen Institut der Nachwendezeit mit sieben Mitarbeitern hatte Hubberten eine international beachtete Forschungseinrichtung mit gegenwärtig 115 angestellten Forschern gemacht. „Ich hatte ja nicht gedacht, dass ich mich letztlich jahrzehntelang mit Schlamm, Dreck und Sand befassen würde“, sagt Hubberten, der sich in Mineralogie habilitiert hat. Zwischenzeitlich hatte der Geologe vor, sich auf Vulkane und deren Eruptionen zu spezialisieren. Als sich Hubberten 1986 beim Alfred-Wegener-Institut in Bremerhaven bewarb, erhielt er jedoch den Auftrag, dort ein Isotopenlabor aufzubauen. Eine Arbeit, die er später auch in Potsdam fortsetzte.

Als er dann vom AWI den Auftrag bekam, in Potsdam eine Forschungsstelle aufzubauen, war klar, dass ihn seine Forschung in die Nähe der Erdpole führen würde. Denn 1992 sollten die Reste des Zentralinstituts der Physik der Erde und damit die Leitstelle der Arktisforschung der DDR in die Strukturen des in Bremerhaven ansässigen AWIs eingegliedert und ausgebaut werden. Das gelang glänzend und hat mittlerweile auch zu neuen Institutsbauten auf dem Telegrafenberg geführt.

Permafrost und Klimawandel 

Der einst eher randständige Forschungsbereich ist durch den sich immer deutlicher abzeichnenden Klimawandel in den Mittelpunkt des öffentlichen Interesses gerückt. Wie die Permafrostlandschaften zum Klimawandel beitragen, das sei künftig ein Schwerpunkt der Forschung auf dem Telegrafenberg, so Hubberten. Denn es handele sich bei den Böden um ein kompliziertes System, das allerdings weit träger reagiere, als dies gelegentlich dargestellt würde. Dennoch habe das Auftauen der Böden, die bisher stets gefroren waren, einen nachweisbaren Anteil am Klimawandel. Um diesen genau zu erfassen, dringen die Forscher in Bereiche vor, die unter den Meeren und in Eisseen liegen. Aus Sedimentproben der tiefer liegenden Gesteinsschichten gewinnen sie Erkenntnisse über Erdablagerungen und den Austausch von Mineralien und Kohlenstoffen. „Es ist notwendig, sich über die Fakten klar zu werden und plausible Szenarien und Modelle zu entwerfen“, so Hubberten. Nur dann könnten Forscher der Politik eine Richtschnur an die Hand geben, wie diese auf den Klimawandel reagieren könne. Dementsprechend solle künftig ein Forschungsschwerpunkt in Potsdam bei der Umweltforschung liegen. Wie sich die Waldgrenze verschiebe, wie die Vegetation auf die Erderwärmung reagiere, soll erforscht werden. Der zweite wichtige Bereich sei aber weiterhin die Forschung im ewigen Eis. Um ein breites Wissensspektrum bei den jeweiligen Forschungsexpeditionen abzudecken, habe er immer unterschiedliche Forscher mit an Bord seiner Expeditionen genommen.

„Hubberten hat stets jungen Wissenschaftlern vertraut und ihnen die Chance zum selbstständigen Arbeiten gegeben“, betont Guido Grosse, der neue Leiter der Sektion Periglazialforschung. Mit dem Aufbau der Sektion in Potsdam und der Schwerpunktbildung im Bereich der Permafrostforschung habe Hubberten die deutsch-russische Freundschaft gestärkt, so Grosse. Denn der Aufbau der Polarforschung und die regelmäßigen Forschungsreisen dorthin seien nur in Zusammenarbeit mit russischen Instituten möglich gewesen.

Modellregion für Klimaprozesse

Hierdurch sei es Deutschland gelungen, zu einem Big Player in der Permafrostforschung zu werden, obwohl das Land keine Grenze zu Polarregionen habe, sagte die ehemalige AWI-Direktorin Karin Lochte. Dies sei von Bedeutung, denn die Arktis sei eine Modellregion für Klimaprozesse. Mit dem Schmelzen des Eises dort würden sich neue Schifffahrtswege ergeben und damit auch die wirtschaftliche Bedeutung der Region wachsen. Deshalb werde es immer notwendiger, auch die Schäden zu untersuchen, die mit dem Müll der Schifffahrt und der Invasion fremder Arten in der Region einhergingen.

Dass Deutschland in den politischen Gremien, die über die Nutzung von Arktis und Antarktis entscheiden, überhaupt mitreden könne, sei zu erheblichen Teilen dem Engagement und der Maßstäbe setzenden Forschung Hubbertens zu verdanken, so die einhellige Meinung der Laudatoren bei der Abschiedsfeier zu Ehren des Forschers vergangene Woche auf dem Telegrafenberg. Richard Rabensaat

Richard Rabensaat

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