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PNN-Interview über gesunde Ernährung: Low-Carb und Gesundheit: Was ein Ernährungsforscher über Pasta zum Abendessen sagt

Der Potsdamer Ernährungsforscher Andreas F. H. Pfeiffer erklärt im PNN-Interview, warum Nudeln am Abend nicht immer eine gute Idee sind und was es mit zu viel Kohlenhydraten in unserer Ernährung auf sich hat.

Herr Pfeiffer, Sie haben gute Nachrichten für mich: Ich darf abends wieder Kohlenhydrate essen?!

Wenn Sie ganz gesund sind, dann hat nach Ergebnissen unserer aktuellen Studie der Zeitpunkt der Mahlzeit tatsächlich keine entscheidende Wirkung auf ihre Gesundheit. Wenn Sie allerdings bereits eine gestörte Glukose-Toleranz haben, also eine Vorstufe des Diabetes mellitus Typ 2, dann sind abendliche Mahlzeiten vor allem mit viel Kohlehydraten eher schlecht. Grundsätzlich ist aber wichtig, dass man nicht mehr isst, als man braucht. Sonst lagert man das ein und setzt an. Und das passiert gerade abends. Denn abends läuft die Verdauung bereits sehr viel langsamer.

Inwiefern?

Wenn man abends die gleiche Mahlzeit zu sich nimmt wie morgens, ist sowohl beim Blutzucker als auch bei den Fetten zu sehen, dass der Anstieg in den Blutwerten sehr viel langsamer zurückgeht. Das Verschieben der Nahrung vom Darm bis in die Leber und das Muskel- und Fettgewebe dauert bis zu dreimal so lange wie tagsüber. Der Stoffwechsel eines gesunden Menschen ähnelt abends dem eines Menschen mit gestörter Glukose-Toleranz. Über einen längeren Zeitraum betrachtet sind diese Abweichungen bei gesunden Menschen allerdings relativ klein, das heißt also, dass bei denen Kohlenhydrate abends nicht völlig tabu sind.

Woher weiß ich denn, ob ich zu denen gehöre, für die Kohlenhydrate am Abend besonders schlecht sind?

Eine gestörte Glukose-Toleranz betrifft bei uns recht viele Menschen. Das lässt sich über einen Zuckerbelastungstest ermitteln und wird als Prä-Diabetes bezeichnet. Das kann der Hausarzt messen, es wird geschaut, wie der Blutzuckerwert sich zwei Stunden nach einer Glukose-Gabe von 75 Gramm verringert hat. Ein Wert nach zwei Stunden unter 140 Milligramm/Deziliter (7,7 mmol/l) ist gut, bis 200 Milligramm/Deziliter (11 mmol/l) ist eine gestörte Glukose-Toleranz vorhanden und bei einem Wert darüber hat man Diabetes.

Zeigt sich das auch beim normalen Check-up beim Arzt?

Da wird meistens der Nüchternzucker angeschaut. Das ist ein starker Indikator für einen Diabetes, wenn der über 90 liegt. Viele Ärzte reagieren allerdings erst bei einem Wert von 100 oder mehr, das ist aber eigentlich schon zu viel. Da liegt bereits eine definitive Störung vor. Bei 127 Miligramm/Deziliter (7 mmol/l) nüchtern wird die Diagnose Diabetes gestellt. Wenn es in der Familie Diabetes-Fälle gibt, sollte man diesen Wert bereits früh anschauen.

Warum ist eine gestörte Glukose-Toleranz so gefährlich?

Dadurch hat man ein etwa zehnfach größeres Risiko, an Diabetes zu erkranken.

Wenn wir von Abend sprechen, wann beginnt der für die Verdauung?

Ob eine Mahlzeit um 18 oder 21 Uhr gegessen wird, spielt keine große Rolle. Zu beobachten ist, dass ab der zweiten Tageshälfte, also ungefähr ab 16 Uhr, die Verdauung sehr viel langsamer wird. Das kann sich je nach der Zeit des Aufstehens beziehungsweise Schlafengehens etwas verschieben. Diese Zeiten haben aber keinen wesentlichen Einfluss auf das Herunterfahren des Stoffwechsels am späten Nachmittag.

Eigentlich hieß es doch, dass man abends etwas mehr essen darf, wenn man mittags wenig gegessen hat. Ist das nach Ihrer neuen Studie nun anders?

Unsere Studie ist die erste, die geschaut hat, ob Kohlenhydrate am Abend einen Unterschied zu Fetten machen. Herausgefunden haben wir, dass die These „Schlank im Schlaf“ (Anm. d. R.: gezieltes Essen zur richtigen Zeit) zumindest für Menschen mit einer Stoffwechselstörung zutrifft. Dass die gesamte Essensmenge entscheidend für das Körpergewicht ist, bleibt davon unberührt. Hinzu kommt aber noch, dass abends die ganzen Stoffwechselprodukte, die der Körper eigentlich aus dem Blut wieder herausholt, deutlich länger im Blut verbleiben und so mehr Zeit haben, Schaden anzurichten.

Abends sollten also alle etwas auf die Bremse treten?

Das wäre günstiger.

Was macht denn die Kohlenhydrate – zum Beispiel Nudeln, Brot, Zucker, Saft, Bier oder Mehlspeisen – überhaupt schädlich?

Die Kohlenhydrate sind an sich nicht schädlich, nur wenn man zu viel davon zu sich nimmt. Die Hormonantwort und der Blutzucker gehen durch Kohlenhydrate sehr viel stärker hoch als bei den anderen Lebensmitteln. Das abendliche Essen der Kohlenhydrate macht im Durchschnitt noch mal sieben Prozent mehr aus. Das zeigt eine Störung des Stoffwechsels an, der länger erhöhte Zucker ist der Stress für die Beta-Zellen. Das geht dann in Richtung Diabetes und ist sehr ungünstig.

Da hilft dann sicher auch Vollkorn nicht mehr weiter?

Doch, das ist grundsätzlich gesünder. Der Anteil an Ballaststoffen hat eine große Wirkung. Die haben deutliche Effekte auf den Zuckerstoffwechsel. Diese Stoffe schützen nicht nur vor Diabetes, sondern auch vor Demenz und Herzinfarkten. Vollkorn enthält zudem eine Vielzahl von Mikronährstoffen und Pflanzeninhaltsstoffen, die aus dem Weißmehl herausgeholt wurden – daher ist Weißmehl grundsätzlich nicht zu empfehlen.

Ketogene Diäten, ganz ohne Kohlenhydrate, sind in Mode. Ist das zu empfehlen?

Für den normalen Menschen ist das nicht wirklich sinnvoll. Wir brauchen zwar Kohlenhydrate nicht unbedingt, da die Leber selbst Zucker aus Fett und Aminosäuren herstellen kann. Wenn man länger keine Kohlenhydrate zu sich nimmt, bildet der Körper aus Fettmolekülen Ketonkörper, die ein enorm effektiver Brennstoff sind. Das Gehirn kann nach drei, vier Tagen Umstellung diese Ketone als Energie nutzen. Dann braucht man sehr wenig Zucker. Das ist ein metabolisch durchaus guter Zustand, der für gesunde Menschen kaum Risiken birgt. Wenn man aber Kohlenhydrate weglässt, fehlen auch die Ballaststoffe. Darin sind viele wichtige Mikronährstoffe wie Magnesium, Zink und Vitamine, die dann knapp werden. Kohlenhydrate ganz weglassen macht auch keinen Sinn, weil das Essen nicht mehr schmecken würde. Denn auch Gemüse enthält Kohlenhydrate.

Was sollte ich nun also machen, wenn ich abends gerne esse?

Ein ordentliches Frühstück ist wichtig, da können auch Kohlenhydrate dabei sein, aber auch viele Proteine wie etwa Quark und Eier, die sättigen. Nicht so gut sind Wurst und verarbeitetes Fleisch, das enthält zu viele ungesunde Komponenten. Wenn es geht, mittags durchaus eine Mahlzeit essen. Keinen Snack zwischendurch! Die Snacks sind einer der Hauptfaktoren für negative Auswirkungen von Essen, denn sie fördern Leberfett und Übergewicht, weil sie wenig sättigen und man zu viel isst. Am Abend dann eher ein leichtes Abendessen.

Was wäre leicht?

Keine riesige Portion. Man sollte dadurch nicht zunehmen. Da können aber auch Kohlenhydrate dabei sein, am besten aus Vollkornprodukten. Also etwas Käse mit einer Scheibe Brot und ein paar Tomaten zum Beispiel oder ein Salat mit Mozzarella.

Das Gespräch führte Jan Kixmüller

Andreas F. H. Pfeiffer, 64, leitet die Abteilung Klinische Ernährung, Deutsches Institut für Ernährungsforschung (DIfE) und die Abteilung Endokrinologie, Diabetes und Ernährung (Charité, Berlin).

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