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Signale vom Anfang der Welt. Eine Computersimulation zeigt die Ausbreitung von Gravitationswellen. Die von Albert Einstein theoretisch beschriebenen Wellen können unter anderem auch Informationen vom Ursprung des Universums in unsere Zeit transportieren.

© Julian Stratenschulte dpa-picture alliance

Physik-Nobelpreis würdigt auch Potsdam: Noble Leistungen aus Potsdam

Die erste Messung von Gravitationswellen war auch für das Potsdamer Albert-Einstein-Institut ein großer Erfolg. Dass nun der Nobelpreis für Physik an die Ligo-Forscher in den USA geht, ist auch eine Auszeichnung für die Forschungsarbeit des Golmer Instituts.

Potsdam - Der Nobelpreis für Physik, der nun den US-Forschern Rainer Weiss, Barry Barish und Kip Thorne zugesprochen wurde, ist auch eine Auszeichnung für Potsdam. Wissenschaftler des hiesigen Max-Planck-Institutes für Gravitationsphysik (Albert-Einstein-Institut, AEI) waren an der ersten direkten Messung einer Gravitationswelle 2015 beteiligt. Das AEI betreibt bei Hannover den Mess-Detektor Geo600, gemessen wurde die Welle aus den Tiefen des Universums allerdings mit dem Ligo-Detektor in den USA.

Die Signale wurden zuerst in Deustchland registriert

Doch auch wenn die Messung der Wellen letztlich auf den Ligo-Detektor zurückgeht: Wichtige Vorarbeiten dazu waren in den Jahrzehnten davor in Golm und am AEI-Tochterhaus in Hannover geleistet worden. Und schließlich wurde die Welle zuerst auch von zwei AEI-Wissenschaftlern in Deutschland entdeckt. Sie reagierten im September 2015 als Erste auf das Signal der Suchroutinen, sie sahen als Erste die vermeintliche Gravitationswelle in den Daten – und alarmierten ihre Kollegen in aller Welt. Die Forscher in Deutschland hatten einen entscheidenden Vorteil: Die Signale liefen hier vormittags ein, als die US-Forscher wegen der Zeitverschiebung noch schliefen. Es begann eine hochkonzentrierte und systematische Überprüfung der Signale, bis dann am 11. Februar 2016 der sensationelle wissenschaftliche Durchbruch der Öffentlichkeit vorgestellt werden konnte.

Potsdamer Forscher sind stolz Anteil zu haben

„Wir sind stolz, Teil der internationalen Kollaboration zu sein, die die erste Gravitationswelle entdeckt hat“, sagte Alessandra Buonanno. Zusammen mit Bruce Allen und Karsten Danzmann gehört Buonanno zu dem AEI-Team, das die Gravitationswellen- Detektion vorangetrieben hat. Die Messung bezeichnete die Potsdamer Physikerin Buonanno als Wendepunkt für die astronomische und astrophysikalische Forschung – und den Beginn eines neuen Zeitalters im Verständnis des Kosmos.

Die Gravitationswellenforschung wird seit den 1960er-Jahren von einer internationalen Kollaboration getragen, ein weltumspannendes Netz von rund 1000 Wissenschaftlern. Ohne die am Potsdamer Einstein-Institut und im deutsch-britischen Geo-600-Detektor des AEI-Hannover entwickelten Technologien wäre die Entdeckung der Ligo-Forschungsgruppe – dem Team aus internationalen Forschern, dem die Messung geglückt ist – nicht möglich gewesen. Potsdamer Gravitationsforscher arbeiten bereits seit Langem an der Messung dieser Wellen. Die meisten Technologien, die das Ligo-System so empfindlich gemacht haben, kommen vom AEI und vom Geo-600. „Die High-End-Technologie, die hier entwickelt wurde, bildet heute das Herz aller großen Gravitationswellen-Detektoren einschließlich Ligo“, so das AEI.

Die erste direkte Messung von Gravitationswellen, die von zwei kollidierenden Schwarzen Löchern ausging, gilt letztendlich als finaler Beweis für die vor 100 Jahren von Albert Einstein formulierte allgemeine Relativitätstheorie. Gravitationswellen sind Verzerrungen der Raumzeit und entstehen bei besonders energiereichen Ereignissen im Universum – etwa Sternexplosionen oder durch Schwarze Löcher, die ineinander stürzen. Mit ihrer Hilfe erwarten die Forscher, bis dicht an den Ursprung des Universums zurückschauen zu können. Sie erhoffen sich wichtige Hinweise auf die Entstehung des Universums nach dem Urknall.

Bis zum Anfang des Universums zurückschauen

„Wenn man sich dieses Signal anschaut, ist es wie aus dem Lehrbuch“, sagte Karsten Danzmann vom AEI den PNN. Der Direktor des Instituts, Hermann Nicolai, wertete den ersten direkten Nachweis als Meisterleistung seiner Kollegen. Bedeutend sei er, weil die Detektion von Gravitationswellen ein neues Zeitalter der Physik einläute: „Damit könnten wir dann bis zum Anfang des Universums zurückschauen – und so vielleicht neue Einsichten gewinnen, wie die Physik im ganz Großen mit der im ganz Kleinen zusammenhängt“, so Nicolai.

Die Gravitationsphysik mit der Quantentechnik unter einen Hut zu bringen, ist seit vielen Jahren Ziel der Forschung – bislang vergebens. Albert Einstein glaubte, Gravitationswellen wären zu schwach, um sie nachzuweisen, und er glaubte nicht an die Existenz Schwarzer Löcher. „Ich denke, dass er nichts dagegen hätte, sich geirrt zu haben“, sagt Bruce Allen vom AEI. Der Physiker stellt mit seinem Supercomputer in Hannover wichtige Rechenkapazitäten und Methoden für die Auswertung der Daten zur Verfügung. Seine Kollegin Buonanno aus Golm liefert Modelle zu den Wellenformen – das erleichtert den Datenanalysten die Suche. Der dritte aus dem AEI-Forscherteam, Karsten Danzmann, betreibt in dem Golmer Tochter-Institut in Hannover Technologieentwicklung und den Aufbau des Geo600-Labors. Danzmann hat ebenso wie der Gründungsdirektor des Potsdamer AEI-Direktor, Bernard Schutz, unermüdlich für den Aufbau des Bereiches und die Finanzierung der Projekte gearbeitet. Dank der Bemühungen von Schutz spielt die Gravitationswellenforschung heute in der Physik eine tragende Rolle.

Präzisionsmessung und Datenanalysemethoden und Modelle aus Potsdam

Dass das Golmer Institut zusammen mit der Uni Hannover und der Geo-Collaboration entscheidend zum Ligo-Erfolg beigetragen haben, betrifft in erster Linie drei Aspekte: Sie lieferten die zur Präzisionsmessung erforderlichen Hochleistungslaser, effiziente Datenanalysemethoden und Modelle zur Gravitationswellen-Detektion. Die Ergebnisse von Ligo geben dem nächsten Vorhaben der Potsdamer Forscher Auftrieb: Das Satellitenprojekt Lisa soll vom Jahr 2034 an Gravitationswellen aufspüren.

Bei der Detektion der ersten Gravitationswellen führten Max-Planck-Forschende den Großteil der Produktions-Datenanalyse aus. Zusätzlich stellte der vom AEI in Hannover betriebene Computer-Cluster „Atlas“, der weltweit leistungsfähigste Großrechner für die Suche nach Gravitationswellen, den Hauptteil der Rechenleistung für die Entdeckung und die Analyse von Ligo-Daten zur Verfügung. „Atlas“ trug in einem Jahr mehr als 73 Millionen CPU-Kern-Stunden zu dieser Analyse bei. So brachten die Wissenschaftler schließlich durch das enge Zusammenspiel von Experiment, Simulationen, analytischen Berechnungen und Datenanalyse Licht ins dunkle Universum.

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