zum Hauptinhalt

Phänomen Influencer: „Man muss ja von was leben“

Botschaften einer Marke: Warum es so schwierig ist, Inhalten auf beliebten Youtube-Kanälen zu vertrauen.

Herr Krüger, wie definieren Sie das Phänomen „Influencer“?

Influencer sind aktive Nutzer in sozialen Netzwerken wie Youtube, die ihre Kompetenz, Glaubwürdigkeit und ihr Netzwerk dazu nutzen, die Botschaft einer Marke zu transportieren.

Was zeichnet diese Influencer aus?
Oft denkt man an die reichweitenstarken Betreiberinnen von Youtube-Kanälen für Schminktipps oder an bekannte Fußballspieler, wenn über Influencer gesprochen wird. Im Prinzip kann jeder ein Influencer sein. Wenn man jedem auf Instagram folgt, der sich ausgesprochen für Lyrik interessiert und dieser nun einen aktuellen Gedichtband empfiehlt, dann ist diese Empfehlung für einen Verlag sicher mehr wert als eine Lyrikempfehlung einer Schmink-Youtuberin mit fünf Millionen Anhängern.

Das ist ein boomender Markt offenbar.
In meiner Praxis aus der Beratung von Marken sehe ich, dass das Interesse an Influencer-Marketing zunimmt. Auch ein Blick in die sozialen Netzwerke wie Instagram bestätigt dies. Ad-Blocker zählen bekanntlich zu den beliebtesten Erweiterungen von Webbrowsern. So wird die Sichtbarkeit von normaler Displaywerbung im Netz aber immer geringer. Viele Unternehmen suchen daher nach alternativen Wegen, um ihre Botschaften an die Konsumenten zu bringen.

Welche Produkte bieten sich für Influencer-Marketing an?
Sicher ist es naheliegender, für Mode, Reisen, Autos und Gadgets mit Influencern zusammenzuarbeiten. Aber im Prinzip ist es möglich, für jede Art von Produkten erfolgreiches Influencer-Marketing zu betreiben.

Hauptsache Aufmerksamkeit.
Unerwartetes erlangt mehr Aufmerksamkeit. Es ist eine Frage des Konzepts.

Was macht eine erfolgreiche Kooperation für Sie aus?
Eine erfolgreiche Kooperation zwischen Marke und Influencer setzt voraus, dass zwischen dem, was die Marke erzählen will, und der Story des Influencers eine Schnittmenge besteht. Die Kooperation von „Bibis Beauty Palace“ und dm hat gezeigt, dass selbst ein Abverkauf von Produkten funktionieren kann, wenn die Rahmenbedingungen stimmen.

Besonders quantitative Aspekte wie Followerzahlen sind ausschlaggebend. Ist das wirklich eine entscheidende Kennzahl?
Im Idealfall sollte dies so nicht sein. Leider haben Unternehmen und Agenturen oft einen falschen Ansatz und gehen bei der Auswahl von Influencern vor, wie sie es bei der Media-Buchung gewöhnt sind. Sich bloße Reichweiten zusammenzuklicken funktioniert nicht. So haben ähnliche Influencer eben oft auch eine ähnliche Followerstruktur. Ausschlaggebende Faktoren sollten eher sein, ob der Influencer zur jeweiligen Marke passt und ob er hochwertigen Content liefert.

Follower kann man ja auch kaufen. Für wie transparent halten Sie dieses Business?
Die Verlockungen sind naturgemäß hoch, weil einerseits Influencer nach wie vor oft nach Reichweite angefragt werden. Andererseits haben viele Influencer sich derart professionalisiert, dass die Kreation von werblichen Inhalten in sozialen Netzwerken zu ihrem Hauptberuf geworden ist. Es gibt eine Art Konkurrenz um die besten Jobs. Mit etwas Erfahrung und den richtigen Tools kann man schwarze Schafe relativ leicht identifizieren. Allerdings muss man hierfür Zeit und guten Willen investieren.

Aber wie glaubwürdig kann jemand bei Fans sein, der Geld für Postings nimmt?
Studien haben gezeigt, dass werbliche Beiträge von Influencern bei den Nutzern auf Instagram vollkommen akzeptiert sind. Wenn man als Influencer durch die Welt reist und für Marken gebrandeten Content kreiert, muss man von irgendwas leben – auch wenn einem der Flug und das Hotel bezahlt wird. Solange man als Influencer die Freiheit hat, Angebote von Marken, die nicht zu einem passen, auch abzulehnen, ist die Glaubwürdigkeit nicht gefährdet. Wer allerdings zu schnell beliebig zwischen Marken der gleichen Produktgruppe hin- und herwechselt, verwässert auch seine eigene Marke als Influencer. Und darunter leidet auch die Beziehung zum Fan.

Das Interview führte Catharina Schick.

André Krüger, 40, arbeitet als Kommunikationsberater mit den Schwerpunkten digitale Strategien, Konzeption und Text. Er ist Dozent an der Jung von Matt-Academy.

Catharina Schick

Zur Startseite