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Großes Auge. Das Large Binocular Telescope (LBT) auf dem Mount Graham in Arizona kann nun dank Potsdamer Technik nach Biosignaturen im All suchen.

© AIP

Homepage: „Pepsi“ sucht nach Leben im All

Ein Hightech-Gerät der Potsdamer Astrophysiker ermöglicht es, von Arizona aus tief ins Weltall zu blicken

Eigentlich bauen Astronomen ihre Teleskope auf hohe Berge in trockenen Regionen, weil dort das Wetter besonders gut für Beobachtungen ist. Der Mount Graham in Arizona ist 3200 Meter hoch, die Luftfeuchtigkeit ist gering und über seinem Gipfel scheint fast immer die Sonne, folglich sind auch die Nächte sehr klar. Durch die dünne Atmosphäre dort oben lassen sich weit entfernte Sterne gut beobachten. Doch ausgerechnet, als der Autor dieser Zeilen den Gipfel des Mount Graham erreicht und die Wissenschaftler vom Leibniz-Institut für Astrophysik in Potsdam (AIP) ihre neueste Errungenschaft am Large Binocular Telescope (LBT) einrichten wollen, schüttet es ununterbrochen, dichter Nebel liegt über dem Berg. Ein Hurrikan-Ausläufer sorgt für sehr astronomenunfreundliches Wetter.

Das Dach über dem LBT bleibt zu. Es regnet rein und das Teleskop ist teils in Folie eingepackt. Dennoch ist man froh, es auf den Gipfel geschafft zu haben. Der Berg ist heiliges Apachenland und Heimat extrem seltener roter Eichhörnchen. Die bemerkenswerteste unter den unzähligen bürokratischen Hürden ist die Squirrel-Permit, die Eichhörnchen-Genehmigung. Der Schutz der Eichhörnchen hat schon den Erbauern des LBT vor 13 Jahren zu schaffen gemacht, erst nach langem Kampf konnte das derzeit größte Teleskop der Erde erbaut werden.

Ein Prachtstück mit seinen 600 Tonnen beweglicher Masse und 250 Millionen Euro Baukosten. Die zwei Spiegel, die das Licht weit entfernter Sterne einsammeln, haben zusammen 110 Quadratmeter Spiegelfläche. Öffnet sich in der Nacht das Dach, kann das LBT zehn Milliarden Lichtjahre tief ins All und damit zehn Milliarden Jahre in die Vergangenheit blicken. In kosmischen Dimensionen ist der Urknall vor 13,8 Milliarden Jahren nicht mehr weit entfernt. Die riesige Lichtsammelfläche der Spiegel würde es ermöglichen, das Licht einer schüchtern flackernden Kerze auf dem Mond zu detektieren.

Das sind hervorragende Bedingungen für „Pepsi“ (Potsdam Echelle Polarimetric and Spectroscopic Instrument), das Wunderding vom Babelsberg. Am Leibniz-Institut für Astrophysik wurde elf Jahre lang der präziseste und hochauflösendste Spektrograf der Welt gebaut. Er soll nun helfen, organische Spuren auf weit entfernten Planeten zu finden. Die Wissenschaftler und Ingenieure haben Bauteile entwickelt, die es so noch nicht gab und die es nun ermöglichen, das Licht, das das Teleskop einfängt, präzise zu analysieren. Man muss sich das Ganze als einen wohnzimmergroßen Container vorstellen, in dem ein großer, erschütterungssicher gelagerter Tisch mit einer recht unübersichtlichen Anordnung von Spiegeln, Linsen und Kameras steht. Im Sommer wurde „Pepsi“, in Einzelteile zerlegt, nach Arizona gebracht, nun steht es in einem Raum unter dem LBT.

Derzeit sind die Wissenschaftler um Klaus Strassmeier dabei, „Pepsi“ zu kalibrieren und zu testen. Das geht natürlich nur, wenn es nicht regnet und der Nachthimmel klar ist. Weil es aber an diesem Tag immer noch schüttet, ist Zeit für einen wissenschaftlichen Vortrag. Professor Strassmeier quält sich ein wenig dabei, die komplexe Materie den Journalisten so simpel wie möglich zu erklären. Recht simpel scheint indes die Vorgeschichte. Seit Jahren schon suchen Astronomen weltweit nach erdähnlichen Exoplaneten. Sie müssen eine der Erde vergleichbare Masse und Umlaufbahn um ihren Stern haben. Mittlerweile wurde eine Handvoll dieser möglichen Erd-Verwandten gefunden. Doch nun gilt es, nach tatsächlichem Leben auf diesen Planeten zu suchen.

Und da kommt nun „Pepsi“ ins Spiel. Klaus Strassmeiers Augen leuchten stolz, als er den Image Slicer zeigt. Ein winziges Gerät am Beginn des komplexen optischen Aufbaus. Kommt das Licht, welches das LBT oben einfängt, hier unten an, zerlegt der Image Slicer das Lichtbündel in Scheiben, wie bei einer Wurst. Diese „Lichtscheiben“ werden dann nebeneinandergelegt und das Lichtbündel wird so enorm konzentriert, bevor es auf dem optischen Parcours des Tisches in seine Wellenlängen und Spektren zerlegt wird. Auch hier finden sich weltweit einzigartige Entwicklungen, die das präzise „Lesen“ des Lichts ermöglichen.

Wir müssen den Container dann schnell verlassen, weil unsere Körper zu viel Feuchtigkeit produzieren, es bildet sich schon Kondenswasser auf den Linsen. Also setzen wir uns in den Kontrollraum vor Monitore, die Diagramme, Zahlen und fingerabdruckähnliche Spektralanalysen zeigen. „Pepsi“, erfahre ich hier, soll helfen, nach Biosignaturen im All zu suchen, die Hinweise auf organisches Leben geben könnten. Erster Schritt ist die Suche nach Magnetfeldern in Planetensystemen. Sind diese vorhanden, schützen sie die Planeten vor kosmischer Strahlung. Das ist eine ganz wesentliche Voraussetzung für die Entstehung komplexer Moleküle. Ist diese erfüllt, kann man genauer hinsehen. Bewegt sich ein Planet auf seiner Umlaufbahn in unser Blickfeld vor seinen Stern, dann scheint das Licht des Sterns durch dessen Atmosphäre. Und in diesem Licht sucht „Pepsi“ nun nach Biosignaturen. Chlorophyllmoleküle etwa haben eine spiralförmige Struktur. Scheint Licht hindurch, wird es gedreht. Der Spektrograf kann das erkennen. Die wissenschaftliche Leistung besteht letztlich dann auch darin, all die störenden Faktoren im All, die das Licht auch beeinflussen, wie etwa interstellare Materie, herauszurechnen.

Das LBT und „Pepsi“ machen bislang Unmögliches möglich. Die Beobachtungsleistung ist zehnmal höher als die des Hubble-Teleskops auf seiner Erdumlaufbahn. Die Suche nach Leben im All ist keine Fiktion mehr. Noch ist „Pepsi“ allerdings im Testbetrieb. In zehn Jahren wird es vielleicht erste Erfolge geben, schätzt Klaus Strassmeier. Vielleicht leistet „Pepsi“ aber auch nur die Vorarbeit für die kommenden Generationen von Teleskopen und Spektrografen. Noch größere Spiegelteleskope sind bereits im Bau.

Tim Jaeger, Tucson Arizona

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