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Homepage: „Noch bis zu 800 Jahre Kohle“

GFZ-Chef Reinhard F. Hüttl über Kohlevorkommen, das Ende der Erdöl-Ära und Wärme aus der Erde

Herr Prof. Hüttl, in der vergangenen Woche wurde in Potsdam der GeoEn-Verbund gegründet. Ein Thema ist auch die Geothermie. Steckt in der Erdwärme ein unterschätztes Potenzial?

Unsere Vision lautet, dass grundsätzlich an jeder Stelle der festen Erde Geothermie möglich ist. Es gibt Regionen, in denen heißes Wasser in höheren Schichten vorhanden ist, aber auch hier bei uns, im norddeutschen Becken, etwa auch in Potsdam und Berlin ist Geothermie machbar. Wenn man 4500 Meter tief bohrt, erreicht man bis 150 Grad Celsius – daraus ist die Bereitstellung von Wärme, aber auch von Elektrizität realisierbar, die vor allem auch grundlastfähig ist, also unabhängig vom Wetter, wie dies bei Wind- oder Sonnenenergie der Fall ist. Dadurch, dass die Erde in ihrem Innersten bis zu 6000 Grad heiß ist, haben wir eine permanente Nachlieferung an Energie.

Wo ist der Haken?

Am Anfang ist die Investition für die Anlagen noch vergleichsweise hoch, doch das amortisiert sich über die Zeit. Wir arbeiten weltweit an dem Verfahren, etwa auch in den Vereinigten Arabischen Emiraten, da geht es nicht um Wärme, sondern um Kälteproduktion, Forschungsprojekte sind auch für Indonesien, Island, Kanada und die Türkei vorgesehen. Denkbar ist zudem eine Koppelung von Geothermie mit Biomasse- oder Photovoltaikverfahren. Wir können damit nicht den gesamten Strom- und Wärmebedarf abdecken, aber bestimmte Mengen lassen sich bereitstellen. Vor allem für die dezentrale Versorgung ist die Geothermie durchaus eine Option.

In dem Ort Staufen im Schwarzwald sind nach einer Bohrung starke Schäden an den Gebäuden aufgetaucht. Welche Grenzen hat das Verfahren?

Vermutlich sind dort unterirdische Gipsschichten durch das aufsteigende Wasser der Bohrung aufgequollen, wodurch es zu tektonischen Veränderungen an der Oberfläche kam. Man muss sich natürlich vor einer Bohrung über die Geologie einen hinreichenden Überblick verschaffen. Wir haben beispielsweise in Basel ein leichtes Erdbeben erlebt, das auf ein Geothermie-Vorhaben zurückzuführen war. Das lässt sich beherrschen, wenn man die Orte sorgfältig auswählt und die richtige Technologie einsetzt. Hier liegt der Forschungsbedarf. Die Sicherheit in solchen Fällen zu garantieren, ist eine Aufgabe des GFZ, und jetzt auch des neu gegründeten Verbundes GeoEn.

Welche Ergebnisse hatte das erste GeoEn-Treffen?

Der GeoEn-Forschungsverbund (siehe Kasten) beschäftigt sich wie gesagt mit Geothermie, aber auch mit Kohlendioxid-Speicherung bei der Braunkohle-Verstromung und mit unkonventionellen Energieträgern, beispielsweise in Tonschiefer gebundene Gasvorkommen, sogenanntes Shale Gas. Wir sind regional aufgestellt, haben aber auch eine starke internationale Komponente. Fazit unseres ersten Treffens war, dass wir die großen relevanten Potenziale und die Kompetenz, diese zu erschließen, erfasst haben. Es wurde eine Struktur mit einem Lenkungsausschuss geschaffen, damit wir rasch die gewünschten Synergieeffekte im Verbund erhalten.

Welche Vorhaben stehen an?

Wir setzen an den bereits bestehenden Projekten an. Etwa das CO2-Speicher-Projekt des GFZ in Ketzin, Geothermie in Groß Schönebeck und die CO2-Abscheidung in Schwarze Pumpe. Neuland betreten wir bei Shale Gas. Wir werden uns auch nach Kanada ausweiten, in der Region von Alberta gibt es große Ölsand-Vorkommen, dort ist unsere Technologie zur CO2-Speicherung und auch zur Geothermie sehr gefragt.

Welche Dimension haben die Ölsand-Vorkommen?

Sie zählen zu den größten Erdölvorkommen der Welt, geopolitisch ein sehr wichtiger Öl-Vorrat, Alberta ist etwa doppelt so groß wie Deutschland und hat aber nur etwa so viel Einwohner wie Berlin und Potsdam zusammen. Es verfügt über massive im Sand enthaltene Ölvorräte, hinzu kommen Gas- und Kohlevorräte. Die Erschließung des Öl-Sands rechnet sich nur bei einem Ölpreis von mindestens 30-35 Dollar pro Barrel. Eine Wirtschaftlichkeit wäre also beim derzeitigen Ölpreis gegeben. Dem GFZ ist wichtig, dass die Maßnahmen umweltfreundlich realisiert werden. Die CO2-Problematik muss in den Griff gebracht werden. Zudem wird im Tagebau abgebaut, wobei wir mit Fragen der Rekultivierung befasst sind. Mit Umsiedlungen gibt es dort kaum ein Problem, da die Gegend nahezu menschenleer ist. Gleichwohl werden Probleme mit den Ökosystemen anfallen, mit dem Wasser, den Böden, den Landschaften. Dabei können wir unser Know-how einbringen.

Sind also die Erdölvorkommen insgesamt größer als bislang angenommen?

Durch die mögliche Nutzung von Ölsanden und Ölschiefer wird die Reichweite höher. Doch es gibt keinen Zweifel daran, dass beim Erdöl ein Förderhöhepunkt erreicht wird, nach dem die Reserven und Ressourcen zurückgehen. Diesen Punkt werden wir – je nach Weltwirtschaftslage – in absehbarer Zeit erleben. Wenn die Konjunktur wieder anspringt, schon in 20, 30 Jahren, auch mit den Ölsand-Ressourcen. Dann wird es reale Knappheitspreise geben.

Für den Klimaschutz sollen in Zukunft enorme Mengen des Treibhausgases CO2 für lange Zeit unter der Erde gespeichert werden. Wie aussagekräftig können Ergebnisse des GFZ-Projektes in Ketzin sein, bei dem die Einlagerung von vergleichsweise geringen Mengen CO2 nur über einen kurzen Zeitraum beobachtet wird?

Wir brauchen erst einmal eine Pilotanlage, um am Modell die Probleme durchzuspielen, die auftreten können. Ketzin ist EU-weit das größte und umfangreichste Vorhaben dazu. Jetzt versuchen wir zu sehen, was mit dem Kohlendioxid in 700 Meter Tiefe passiert, ob es wieder nach oben kommen kann, was sich chemisch, physikalisch und mikrobiologisch tut. Ähnlich wie bei der Geothermie muss jeder Standort individuell bewertet werden. Man muss aber auch sagen, dass das Kohlendioxid zurzeit zu 100 Prozent in die Atmosphäre gelangt. Wenn wir nun als Ziel haben, dass 95 bis 100 Prozent unten bleiben, dann ist das ein sehr positiver Effekt für die Atmosphäre.

Wie wichtig ist das Verfahren?

Während das Erdöl schon bald knapp werden wird, sind bei der Kohle noch 500, vielleicht sogar bis zu 800 Jahre Nutzung denkbar. Auch wenn wir in Deutschland unsere Kohle nicht gänzlich aufbrauchen, wird es in anderen Regionen geschehen. Es lohnt sich also darüber nachzudenken, ob es eine Technologie gibt, die das CO2-Problem deutlich reduziert. Und das wäre dann auch eine exportfähige Technologie. Die EU will sechs Milliarden Euro für Projekte zu dem Verfahren bereitstellen.

GeoEn hat sich auch enge Kooperationen mit Energieunternehmen zum Ziel gesetzt. Wie eng darf die Forschung mit der Industrie zusammen arbeiten?

Wir sind ein unabhängiges Forschungszentrum, als solches arbeiten wir gleichwohl mitunter auch eng mit Industrie, Behörden und der Politik zusammen. Wir müssen uns aber immer an unserem wissenschaftlichen Output messen lassen. Wir wären schlecht beraten, wenn wir bestimmte Ergebnisse liefern würden, nur weil sie die Industrie oder die Politik von uns erwartet. Das ist nicht unsere Philosophie, so könnte man als Wissenschaftler nicht überleben. Viele Projekte werden aus Steuergeldern finanziert, somit tragen wir auch eine Verantwortung, nach den besten methodischen und analytischen Ansätzen zu arbeiten. Alles andere wäre inakzeptabel.

Das Gespräch führte Jan Kixmüller

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