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Jan Böhmermann machte deutsche Geschichte erlebbar.

© Tsp

Neo Magazin Royale: Jan Böhmermann eröffnet "Reichspark"

Der Satiriker inszeniert einen NS-Erlebnispark in Brandenburg. Eine Fake-Doku, weit von Satire entfernt und nahe dran an den Möglichkeiten der Zeit.

Adolf Hitler, das ist der Rettungsring für Lustigmenschen, denen das Lustigsein gerade mal sehr schwer fällt. Jan Böhmermann gehört aktuell in diese Kaste. Er ist mehr humpelnd als mit Schwung aus der Sommerpause rausgekommen. Zwar gelingt auch der „heute-show“ nicht jede Nummer, verwitzelt sich „Extra 3“ in Selbstgenügsamkeit und Selbstgefälligkeit, aber: In der Frequenz des scharfen, des treffenden Witzes liegen momentan „heute-show“ und „Extra 3“ weit vorne.

Es musste also der Not geschuldet sein, dass Böhmermanns „Neo Magazin Royale“ jetzt die Hitler-Nummer spielt. Hitler-Nummer trifft es nicht genau, Nazi-Nummer schon besser. Böhmermann und sein Sidekick Ralf Kabelka haben für eine Spezialausgabe des Magazins das Projekt eines NS-Themenparks – Arbeitstitel „Reichspark“ – inszeniert.

In Brandenburg entsteht das Dritte Reich

In Brandenburg, nahe Fürstenwalde will der Unternehmer Raphael Gamper auf 52 Hektar „historisch korrekt, verantwortungsvoll und familienfreundlich“ vier Erlebnisbereiche entstehen lassen: Rememberland, Warland, Historyland und Alt Berlin. So soll die Bombardierung Dresdens fühlbarer Horror werden, die Schlacht um Stalingrad als Virtual-Reality-Event mit „authentischen minus 20 Grad“. Das Attentat vom 20. Juli 1944 wird zum Re-Enactment, geboten wird auch ein „historisch korrekter Nachbau“ eines Konzentrationslagers.

Um der Sache weitere Beweiskraft zu verleihen, wird AfD-Politiker Alexander Gauland in Bild und Ton zitiert, der ja die Leistungen deutscher Soldaten in zwei Weltkriegen endlich gewürdigt wissen will. Eine Virtual-Reality-Visualisierung des Vernichtungslagers Auschwitz-Birkenau aus Italien fehlt so wenig wie „1940’s Pickering“, ein Ort in Großbritannien, in dem der Zweite Weltkrieg nachgespielt wird, natürlich in echten SS-Uniformen.

Das Magazin wischt Gegenwart und Fake

Die „Spezialausgabe“ des „Neo Magazins Royale“ tut und gelingt zweierlei: Sie extrapoliert die Gegenwart, indem sie das Fake eines „Reichsparks“ errichtet. Das Projekt existiert, der angebliche Unternehmer Raphael Gamper mit seiner Firma „HG Business Consulting“ wird vom Schauspieler Piet Fuchs dargestellt. Und das „Magazin“ mischt so viel Gegenwart in den Fake, dass gegenseitige Beglaubigung stattfindet. Ein Hybrid aus Dokumentation und Fiktion, weit von einer Satire entfernt und nahe dran an den Möglichkeiten der Zeit.

Tweet unter #reichspark: „Die Erleichterung, dass #Reichspark nur Fake ist, kann man nicht in Worte fassen. Das ganze Konzept war einfach beunruhigend.“ Und jetzt wird’s dramatisch. Ein Nazi-Erlebnispark, der abwegige Sehnsüchte füttert und eine absolut fragwürdige Erinnerungskultur stärkt, der wird nicht für absonderlich und nicht für unmöglich gehalten. Die so oft gestellte und so oft eindeutig verneinte Frage – „Sind wir wieder soweit? – wird im „Neo Magazin Royale“ neu gestellt. Nicht offensiv, nicht tränenerstickt, sondern subkutan, eben im Subtext. Und sie wird diskutiert im Radius der pöbelnden, der applaudierenden wie erleichterten Reaktionen.

Darin liegt der werthaltige Effekt der „Spezialausgabe“: Sie balanciert auf der Grenze, von der keiner so ganz genau sagen kann, wie lange sie noch eine Grenze ist. Tweet vom „Neo Magazin Royale“: „Das war's aus dem #Reichspark. Schalten Sie den Volksempfänger auch nächste Woche wieder ein, für eine ganz gewöhnliche Neo Magazin Royale-Folge aus dem ganz gewöhnlichen Studio König. Etwas weniger investigativ, aber dafür wenigstens genauso unlustig wie sonst.“ Groß.

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