zum Hauptinhalt
Landschaftsplaner. Biber gestalten die Umwelt nach ihren Prämissen.

© F. Heyder, dpa

Nagetiere dringen in Alaskas Tundra vor: Wenn Biber die Erde erwärmen

Potsdamer Polarforscher haben beobachtet, dass die großen Nagetiere immer weiter in die Tundra Alaskas vordringen. Das kann weitreichende Folgen für das dortige Ökosystem haben.

Potsdam - Der Biber und der Klimawandel könnten in der Arktis eine unliebsame Liaison eingehen. Potsdamer Polarforscher haben beobachtet, dass die großen Nagetiere seit einiger Zeit immer weiter in die Tundra Alaskas vordringen. Der Klimawandel könnte nach Ergebnissen der Wissenschaftler einerseits Auslöser für die Wanderungsbewegungen sein, andererseits aber dadurch auch beeinflusst werden. Denn der Biberzug hat nach Erkenntnis der Forscher des Potsdamer Alfred-Wegener-Instituts für Polar- und Meeresforschung (AWI) weitreichende Folgen für das dortige Ökosystem. Die Nager könnten demnach sogar das Gesicht der Arktis verändern.

Ein deutsch-amerikanisches Forscherteam hat die Folgen der Biber-Wanderungen genauer untersucht. Im Fachjournal Global Change Biology schreiben die Forscher, dass die Nagetiere ganze Ökosysteme verändern und zum Auftauen des Dauerfrostbodens beitragen können. Was wiederum den Klimawandel weiter anfachen könnte, wird beim Auftauen des Permafrostbodens doch das hochaktive Treibhausgas Methan freigesetzt.

„Biber sind äußerst effektive Ökosystem-Ingenieure: Wenn eine Landschaft nicht ihren Vorstellungen entspricht, gestalten sie das Terrain einfach um“, erklären die Forscher. Das machen die Nager in gemäßigten Breiten bereits seit Jahrtausenden. „Nun aber weiten sie ihr Betätigungsfeld aus und tauchen immer häufiger in der nordamerikanischen Arktis auf.“ Die Forscher haben festgestellt, dass die Biber seit ein paar Jahren sogar in der baumlosen Tundra im Westen und Nordwesten Alaskas und im Nordwesten Kanadas zu beobachten sind. Die Gründe dafür sind noch unklar. Einerseits kann es sein, dass sich die Biberbestände aktuell von den Jagdexzessen früherer Jahrhunderte erholen. „Wahrscheinlich spielt aber auch der Klimawandel eine Rolle“, sagt Ingmar Nitze vom Potsdamer AWI-Forschungsstandort.

In 20 bis 40 Jahren könnten Biber Alaska besiedeln

Die neuen Wege der Biber haben die Forscher aus dem All erkundet. „Auf Satellitenbildern kann man die Aktivitäten von Bibern recht gut erkennen“, erklärt Ingmar Nitze. „Wer die nötige Erfahrung hat, sieht schon an der Form eines Gewässers, ob es das Werk eines vierbeinigen Landschaftsarchitekten sein kann“. Die Aktivitäten der Biber sind bei ihrem Zug nach Norden enorm. So haben die Forscher herausgefunden, dass in einem Gebiet im Nordwesten Alaskas – das mit gut 18 000 Quadratkilometern fast so groß ist wie Sachsen – zwischen 1999 und 2014 insgesamt 56 neue Seen von Bibern angelegt wurden. Anhand der Verteilung dieser Gewässer lasse sich auch abschätzen, wie schnell und auf welchen Routen die Biber die Arktis erobern. „In 20 bis 40 Jahren könnten die Tiere geeignete Gewässer im ganzen arktischen Alaska besiedelt haben“, schätzt Ingmar Nitze.

Das wärmere Wasser der Biber-Seen hat wiederum Auswirkungen auf den Boden der Umgebung, der normalerweise bis in Tiefen von etlichen hundert Metern dauerhaft gefroren ist. Die aufgestauten Biber-Seen und auch die unterhalb davon gelegenen Flussabschnitte sind wärmer sials andere Gewässer der Region. Dies könnte zum Auftauen des Dauerfrostbodens beitragen.

Eigentlich hatten sich die Biber lange von der arktischen Tundra ferngehalten. Denn dort fehlte es an Gehölzen, die Biber als Futter und zum Bauen für Dämme und Burgen hätten nutzen können. Zudem froren die Gewässer oft bis dicht über den Grund zu. Durch den Klimawandel aber hat sich die Arktis seit Ende des 19. Jahrhunderts um 1,8 Grad erwärmt. „Sie ist grüner geworden, entlang der Flüsse und Seen wachsen mehr und höhere Gehölze als früher, und das Eis auf dem Wasser wird weniger: Aus Biber-Sicht sind das alles gute Nachrichten“, so Nitze.

Die Biber könnten das Auftauen des Permafrosts durch den Klimawandel vielleicht sogar noch beschleunigen. „Unter und neben ihren Seen wird der Permafrost verstärkt degradiert“, erklärt Nitze. Was allerdings kein Grund sei, die Biber zu jagen. „Das Hauptproblem der Arktis und ihrer Böden ist der Klimawandel – nicht der Biber“, sagt Nitze.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false