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Bisher haben sich Meerkat und Twitter gut vertragen - jetzt gibt es Streit.

© dpa

Meerkat, Instagram und Co.: Raus aus dem Selfie-Modus

Das Frühstück auf den Malediven in die Welt streamen? Den Ritt auf dem Elefanten bei Facebook teilen? Auf der Jagd nach dem perfekten Post verpassen wir manchmal den eigentlichen Moment. Eine Kolumne.

Plötzlich sind wir alle live dabei: In New York City gibt es eine Gasexplosion, kurz danach zücken erste Nutzer ihre Handys. Einige starten gleich Periscope, eine Live-Streaming-App von Twitter, die erst am vergangenen Donnerstag in den App Store kam. Nun können wir uns in Echtzeit ansehen, wie dort über einem Häuserblock Rauchwolken aufsteigen und die Feuerwehr anrückt. Ähnliches ist auch mit dem Livestreaming-Dienst Meerkat möglich – die App gewann nach dem Start rasend schnell an Nutzern, bis Twitter ihr den Zugang zu den Nutzerdaten abschnitt.

Nun fragen einige, wie diese Möglichkeiten den Journalismus oder auch das ganze Internet verändern könnten. Besser wäre aber zu fragen, wie Apps à la Periscope uns alle verändern. Was machen sie mit unseren Reflexen? Wir sehen ein Unglück – halten wir zuerst mit dem Handy drauf, um den Stream an die Weltöffentlichkeit zu senden? Oder prüfen wir zuerst, ob vielleicht jemand Hilfe braucht? Dass bei Schlägereien Menschen erst einmal mit dem Smartphone filmen, bevor sie die Polizei rufen, kommt ja durchaus vor. Jetzt eben in Echtzeit.

Im schlimmsten Fall ist der Moment ruiniert

Aber es geht ja nicht nur um Negatives. Vielmehr werden wir auch positive Momente live teilen wollen. Schon schreibt ein Nutzer auf Twitter; „#Periscope macht süchtig. Bin gerade live Bus gefahren, frühstückte auf den Malediven & lag mit einem Mann im Bett.“ Der Morgen im Urlaub und das gemeinsame Aufwachen im Bett gehen jetzt live um die Welt? Das ruiniert im schlimmsten Fall den Moment.

Eine US-Studie, basierend auf einer Online-Umfrage mit 1623 Teilnehmern, scheint das sogar zu beweisen. Selfie vor dem Sonnenuntergang? Ein Video vom Ritt auf dem Elefanten? 58 Prozent sagten, dass sie auf der Suche nach dem perfekten Bild für ein soziales Netzwerk schon mal einen schönen Moment verpasst haben. 14 Prozent gaben sogar an, sie hätten sich schon einmal für ein Posting selbst in Gefahr gebracht.

Wenn unser erster Reflex nicht ist, den Moment zu genießen, sondern ihn zu dokumentieren, andere daran teilhaben zu lassen – vielleicht sogar in Echtzeit –, dann läuft im Grunde etwas gewaltig schief. Schließlich geht es dabei nur darum, anderen zu zeigen, wie toll das eigene Leben ist. Wenn dabei besonders viele Likes und Retweets rausspringen – umso besser. Da sollte sich jeder in bester Ikea-Manier am besten immer mal wieder fragen: „Lebst du noch oder dokumentierst du nur?“

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