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Aufsteiger. Patrick Drahi, der steuersparend in Genf residiert, nutzt meistens Billigflieger und leistet sich weder Chauffeur noch Sekretärin.

© AFP

Medienunternehmer Patrick Drahi: Der Tycoon

Der Franzose Patrick Drahi hat wie aus dem Nichts ein weltweites Medienunternehmen erschaffen. Eines leistet er sich jedoch trotzdem nicht.

In Gütersloh muss die Erde gebebt haben, als in der Anfang des Jahres veröffentlichten Rangliste der „50 größten Medien- und Wissenskonzerne der Welt“ der Bertelsmann-Konzern erstmals nicht unter den Top Ten erschienen ist. 1995 noch auf Platz zwei, ist das Unternehmen seitdem stetig nach unten durchgereicht worden und findet sich 2017 auf Platz elf wieder. Auch wenn es damit unter den europäischen Medienhäusern noch immer im Spitzenfeld liegt, löst sich die deutsche Medienindustrie „langsam aber sicher auf“, wie Lutz Hachmeister, Direktor des Kölner Instituts für Medienpolitik und Mitherausgeber des Ranking-Kompendiums, lakonisch feststellt.

Während die ersten neun Plätze wenig überraschend von amerikanischen Giga-Unternehmen wie Googles Alphabet, Comcast, Walt Disney, Time Warner, Sony und Apple belegt sind, erscheint auf Platz zehn quasi aus dem Nichts die Altice Group – ein in Luxemburg gegründetes Unternehmen mit Sitz in den Niederlanden, das bis vor wenigen Jahren ebenso unbekannt wie unbedeutend war.

Hinter Altice steckt der französisch-israelische Geschäftsmann Patrick Drahi, ein „Parvenü im Kaufrausch“ („Süddeutsche Zeitung“), der dank seiner aggressiven, nicht ganz risikofreien Kaufpolitik innerhalb weniger Jahre zu einem Big Player auf dem Telekommunikations- und Medienmarkt geworden ist. Mit überwiegend geborgtem Geld hat sich Drahi mittlerweile in zehn Mobil-, Kabel- und Medienunternehmen in der ganzen Welt als Hauptaktionär eingekauft.

Dazu gehören das französische Mobilfunkunternehmen SFR, der britische Mobilfunkanbieter Virgin Mobile, der israelische Pay-TV-Anbieter Hot, der portugiesische Telekommunikationsanbieter Portugal Telecom, der dominikanische Mobiltelefoniebetreiber Orange Dominicana und der amerikanische Kabelanbieter Suddenlink Communications. Seine 2015 an die Börse gegangene Altice-Gruppe beschäftigt heute rund 35 000 Mitarbeiter und hat geschätzte 50 Millionen Kunden. Patrick Drahi ist wohl das, was man eine Heuschrecke nennt: Selbst bei sinkendem Umsatz schafft es Drahi, durch Entlassungen und knallharte Sparmaßnahmen noch den Profit zu steigern.

Als kaufsüchtiger Kabelnetz-Tycoon wäre Drahi in einem Medienranking allerdings relativ uninteressant, wenn er nicht mittlerweile auch im Medien- und Politikgeschäft mitmischen würde. So ist er durch SFR an der linken Zeitung „Libération“ und dem konservativen Magazin „L’Express“ beteiligt (an dessen Spitze er für eine Weile seinen ehemaligen Bankberater Bernard Mourad eingesetzt hatte) sowie an Frankreichs mittlerweile erfolgreichstem, aber nicht unumstrittenen Privatsender BFM TV.

Sohn eines jüdischen Mathematik-Lehrerpaars

Mit diesen Medien unterstützt er zurzeit den französischen Präsidentschaftskandidaten Emmanuel Macron, der Drahis Exbanker Mourad als Berater angeheuert hat. Das wäre so, als würde Telekom-Chef Timotheus Höttges die „taz“, den „Spiegel“ sowie den Fernsehsender n-tv kaufen und einen völligen Außenseiter als Kanzlerkandidaten unterstützen. In Deutschland eine – noch – undenkbare Konstellation.

Drahi wird 1963 als Sohn eines jüdischen Mathematik-Lehrerpaars in Casablanca geboren. 1978 zieht die Familie nach Montpellier in Frankreich. Nach seinem Abitur studiert Drahi an der renommierten École Polytechnique in Paris, die er mit einem Ingenieursdiplom abschließt.

Seinen ersten Job als Abteilungsleiter beim Elektronikhersteller Philipps schmeißt er bald wieder und macht sich stattdessen mit einem kleinen Netzbetreiber selbstständig. Den verkauft er Mitte der 1990er Jahre an den US-Kabelmagnaten John Malone (Liberty Global), der ihn dafür als Manager engagiert und in die USA holt. Hier lernt Drahi von seinem Vorbild alles, was es in dem eisenharten Geschäft zu lernen gibt. Heute gehört er zu Malones härtesten Konkurrenten, wofür der 76-jährige Verleger ihn als „Genie“ bezeichnet.

2001 kehrt Drahi nach Frankreich zurück und setzt sein erworbenes Wissen in die Tat um: Überwiegend finanziert durch Kredite, erwirbt er in nur eineinhalb Jahren für 36 Milliarden Euro eine Kabelfirma nach der anderen, bis er den französischen Markt kontrolliert. 2013 geht er dann mit seinem Unternehmen Numericable an die Börse, 2014 vereinigt er das Unternehmen mit seinen internationalen Beteiligungen unter dem Dach von Altice.

Meinung machen

Im selben Jahr übertrumpft er im Gefecht um SFR, den zweitgrößten Mobilfunkanbieter Frankreichs, den Industriellen Martin Bouygues. Ein Jahr später steigt Drahi mit dem Kauf des amerikanischen Regionalanbieter Suddenlink Communications für neun Milliarden US-Dollar in den US-Kabelmarkt ein. Nachdem er mit einem Übernahmeversuch von Time Warner Cable scheitert, kauft er für 17,5 Milliarden US-Dollar mit Cablevision Systems die fünftgrößte Kabelfernsehgesellschaft des Landes, zu der auch zwei regionale Tageszeitungen und eine Regionalsenderkette gehören.

2013 hat Drahi den Nachrichtensender i24News mit Sitz in Tel Aviv gelauncht, eine Investition, über die man sich damals noch gewundert hat. Mit i24News, der bereits Ableger in Europa, Afrika und Asien hat und dessen Launch in den USA kurz bevorsteht, will er nicht nur den arabischen Newssendern Al Dschasira und Al Arabiya Paroli bieten, sondern auch transnationale Debatten anstoßen, sprich: Meinung machen.

Im April hat Drahi den Börsengang seiner US-Tochter angemeldet. Damit will er laut einem Insider ein bis zwei Milliarden Dollar einnehmen, um „Amerika zu knacken“. Das Ansinnen gilt als Frontalangriff auf den Mitbewerber Charter Communications, hinter dem sein alter Mentor John Malone steckt. Patrick Drahi spielt mit hohem Risiko, durch seine Shoppingtouren sitzt Altice auf einem Schuldenberg von 48,5 Milliarden Euro. Auch sein Privatvermögen ist im vergangenen Jahr um eine Milliarde auf nun 9,5 Milliarden Euro geschrumpft.

Vielleicht auch deshalb lässt der Tycoon, der zum Ärger der französischen Regierung mit seiner Familie steuersparend in Genf residiert, gern die Legende verbreiten, dass er meist Billigflieger nutzt und sich weder Chauffeur noch Sekretärin leistet.

Lutz Hachmeister, Till Wäscher: Wer beherrscht die Medien? Die 50 größten Medien- und Wissenskonzerne der Welt. Herbert von Halem Verlag 2017

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