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Wer den Körper in Bewegung hält, altert langsamer, sagt die Forschung.

© Sebastien Salom-Gomis/AFP

Leibniz-Kolleg Potsdam: Bewegung hält länger jung

Das Leibniz-Kolleg untersucht an der Universität Potsdam die Verbindung von Bewegung und Wohlbefinden - und steht nun allen Interessierten offen.

Potsdam - Sport vor Prüfungen? Eine gute Idee, sagen Forscher. Neue Erkenntnisse der Wissenschaft weisen darauf hin, dass körperliches Training nicht nur gut für die Muskulatur ist, sondern auch die Aufmerksamkeit steigert. Auch weiß man heute, dass bereits frühes Training von Kindern nicht falsch ist, sondern den Körper für später aufbaut. Genauso können alte Menschen durch Bewegung ihre körperliche Konstitution verbessern und sogar ausbauen. Das diesjährige Leibniz-Kolleg der Universität Potsdam am morgigen Donnerstag befasst sich mit Fitness und Lebensstilfaktoren aus Sicht der Wissenschaft. Dabei geht es um Einfluss und die Wirkung von Sport in den verschiedenen Lebensaltern und in verschiedenen Lebenssituationen.

Sportwissenschaftler Urs Granacher von der Potsdamer Uni hat zahlreiche Studien zur Gesundheit von Sportlern und zum Leistungs- und Breitensport durchgeführt. Unter anderem zum Training der Potsdamer Kanuten. Deren internationaler Erfolg habe eine wissenschaftliche Grundlage, so Granacher. Welche Schlussfolgerungen Forscher aus ihren Studien für die Gesundheit ziehen, werden sie beim diesjährigen Leibniz-Kolleg-Potsdam berichten – nicht nur ihren Kollegen, sondern auch der breiten Öffentlichkeit, die zu dem Kolleg eingeladen ist.

Spezielles Training für die Potsdamer Kanuten

Wie sich speziell die Kanuten in Potsdam auf den sportlichen Wettbewerb vorbereiten, zeigt Granacher in einem Trainingsraum der Universität. Selbst Spitzensportler wie der Potsdamer Sebastian Brendel, der als dreifacher Olympiasieger beim KC Potsdam trainiert oder die Europameisterin und Olympiasiegerin Franziska John, seien im Trainingslabor ins Schwitzen geraten. „Die hatten seit langem wieder Muskelkater in der Rumpfmuskulatur“, erinnert sich Granacher an die ersten Stunden der Sportler im Trainingsraum. Denn die ausgefeilten Gerätschaften erlauben es, auch Muskeln eine konstante Spitzenbelastung angedeihen zu lassen, die sonst kaum beansprucht werden und bei herkömmlichen Übungen nicht gefordert sind. Mit biomechanischen Mess- und Trainingsapparaturen kann ganz individuell auf die körperlichen Voraussetzungen des jeweiligen Sportlers eingegangen werden. „Das bringt beim Training Vorteile, die ein Sportler, der nur in seinem eigenen Verein trainiert, nicht hat“, so Granacher.

Psychologe Reinhold Kliegl von der Universität Potsdam spricht zum Kolleg über „Körperliche Fitness und Kognition im Kindes- und Jugendalter“. Mit dem Thema hat sich auch Granacher in verschiedenen Studien befasst. Bei der Forschung zu dem Zusammenhang zwischen frühem Sport und der Entwicklung von Körper und Geist fand er Überraschendes heraus. Sport vor Prüfungen, vor dem Lernen von Vokabeln und allgemein vor geistiger Beanspruchung aktiviert nicht nur die unmittelbar beanspruchten Muskeln, sondern erhöht auch die Aufmerksamkeit. Dazu haben Forscher Klassenverbände in Brandenburg beobachtet, in denen ein erhöhter Sportanteil zu Lasten des sonstigen Unterrichts auf dem Plan stand. Sie fanden heraus, dass die fehlende Lerneinheit sich nicht negativ auf die Kognition, also auf die Wahrnehmung und Verarbeitung von Informationen, ausgewirkt hat. Vielmehr vermuten die Forscher, dass am Tag nach dem Sport die Aufnahmefähigkeit immer noch gesteigert ist. Dieser Zusammenhang ließ sich auch im Labor belegen. Testpersonen, die in einem Magnetresonanztomografen lagen und sich hier körperlich betätigten, zeigten verstärkte Aktivitäten im Gehirn. Wie viel Sport genau für Kinder und Jugendliche ratsam ist und wie sich dieser auswirkt, hat Granacher mit anderen Tests untersucht.

Sport auch schon im frühen Kindesalter

Lange sei von der Sportwissenschaft die These vertreten worden, Sport könne auch schädlich für die Entwicklung von Kindern sein. Das sei falsch, stellt Granacher nun klar. Tatsächlich würden bei sportlicher Leistung im Kindesalter zwar nicht zuerst die Muskeln beansprucht und trainiert, denn erst mit der Pubertät und den sich bildenden Hormonen werde die muskuläre Entwicklung massiv vorangetrieben. Aber auch frühes Training sei sinnvoll, denn die Motorik werde geschult und das Zusammenspiel von Muskeln und Knochen. „Entscheidend ist, dass ein entsprechendes muskuläres Korsett herausgebildet wird“, so der Sportwissenschaftler. Dies könne schon sehr früh geschehen. Mit dem Training würden Zugkräfte vom Muskel auf den Knochen wirken. Dies führe dazu, dass Kalzium im Knochen angelagert werde. Das wiederum beuge einer möglichen, späteren Osteoporose vor.

Wer nun im jugendlichen Alter keinen Leistungssport betrieben hat, müsse aber nicht verzweifeln – auch Senioren könnten durch regelmäßiges Training ihre körperliche Konstitution verbessern und ausbauen. Körperliche Inaktivität hingegen beschleunige Alterungsprozesse. „Sport ist in jedem Alter sinnvoll“, stellt Granacher fest. Entscheidend sei die tägliche Dosis körperlicher Aktivität. Wie hierbei Ernährung und Bewegung zusammenspielen, erläutert Tilman Grune vom Deutschen Institut für Ernährungsforschung Potsdam-Rehbrücke (DIfE) zum Leibniz-Kolleg. Auf den Einfluss der Ernährung auf die Psyche und das Gehirn geht Soyoung Park, ebenfalls vom DIfE, in seinem Vortrag ein.

Zusammenhang zwischen Körper und Geist

Beim Zusammenhang zwischen Körper und Geist interessiert die Sportwissenschaftler, wie genau sich die entsprechenden Parameter in der Bevölkerung entwickeln. Wenig überraschend legten Untersuchungen in den USA und auch in Brandenburg nahe, dass durch die fortschreitende Verbreitung von Computerspielen und Daddeln am Handy die sportliche Fitness nicht gerade gefördert wird. Auch nehme die körperliche Betätigung von Jugendlichen eher ab. Eine mehrjährige Untersuchung in Brandenburg an rund 20 000 Jugendlichen zeigte aber auch, dass sich ungefähr 20 Prozent der Jugendlichen besonders für den Sport und das Training eignen. Diese herauszufiltern und ihnen Angebote zum Training zu machen sollte das Ziel einer ambitionierten Sportförderung sein, so die Forscher.

TERMINE - Öffentlich und kostenfrei

Das 23. Leibniz-Kolleg steht allen Interessierten offen und ist kostenfrei. Gruppen werden um Anmeldung gebeten (leibniz@uni-potsdam.de). Die Vorträge starten am 16. Mai ab 9 Uhr, die Hauptveranstaltung findet um 15 Uhr statt, Campus Neues Palais, Haus 8, Audimax.  „Fit in die Zukunft: Lebensstilfaktoren aus Sicht der Wissenschaft“ ist in diesem Jahr das Thema. Den Hauptvortrag „Physical activity behaviour: about nature, nurture and beyond“ hält Willem van Mechelen (VU University Medical Center Amsterdam).

Zur Einführung sprechen am 16. Mai 2019:

9.45 Uhr: „Körperliche Fitness und Kognition im Kindes- und Jugendalter“, Reinhold Kliegl, Uni Potsdam.

10.30 Uhr: „Bedeutung von Kraft und Krafttraining im Kindes- und Jugendalter“, Urs Granacher, Uni Potsdam.

11.15 Uhr: „Ernährung, Bewegung – Gewichtsabnahme?“, Tilman Grune, DIfE / Uni Potsdam

Richard Rabensaat

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