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In der Zukunft könnte künstliche Intelligenz in der Filmproduktion eine große Rolle spielen.

© Maurizio Gambarini/dpa

Künstliche Intelligenz: Wenn der Film weiß, was die Zuschauer wollen

An der Filmuniversität in Babelsberg haben Experten gezeigt, wie sich Künstliche Intelligenz beim Filmemachen einsetzen lässt.

Babelsberg - Mit der Künstlichen Intelligenz (KI) sei es wie mit Legosteinen, meint Ian Forester. Die einzelnen Bausteine seien alle gleich, aber es könnten daraus ganz verschiedene Sachen entstehen: Figuren, Küchen, Gärten oder ganze Landschaften. Drei Experten hatte die Filmuniversität Babelsberg in der vergangenen Woche zu einem Workshop eingeladen, um sich Gedanken über die Möglichkeiten der künstlichen Intelligenz in der Filmproduktion zu machen.

Ian Forester arbeitet für die britische Sendeanstalt BBC, hier experimentiert man mit Formaten und Formen, Filme und Hörstücke wurden mit Hilfe von KI erstellt. Zum Beispiel ließ der Sender in einem Fahrstuhl ein Hörstück jeweils individuell auf die Fahrgäste reagieren. „Woher weiß der Fahrstuhl, in welchen Pub ich gehen werde?“, fragte sich dann eine Testperson. Big Data in Verbindung mit KI macht es möglich: menschliche Handlungsabläufe werden vorhersehbar. Mediale Unterhaltung lässt sich individuell an den Zuschauer anpassen.

Serien an die Stimmung angepasst

Dementsprechend bastelt der BBC an Formaten, in denen die jeweilige Folge einer Serie oder eines Fernsehfilms an die Tageszeit, das Geschlecht oder die jeweilige Stimmung der Zuschauer angepasst werden. Interaktives Fernsehen soll entstehen, so Forester. Dafür müssten dann auch nicht etliche verschiedene Versionen einer Szene gedreht werden, sondern lediglich Varianten, die aus dem jeweils bestehenden Setting mittels KI entwickelt werden könnten.

Auch beim Produktionsprozess könne KI von Vorteil sein: Möglicherweise könnten Dialoge künftig mittels KI geschrieben werden, kleinteilige Bildbearbeitungsprozesse in der Postproduktion könnten vollständig durch Computer ersetzt werden, Filmsettings von Programmen errechnet und erstellt werden. Eine Perspektive, die nicht alle aus der Filmbranche begeistern dürfte. Und: Man müsse sehr diskret agieren, denn andernfalls könne der Zuschauer des individuell auf ihn zugeschnittenen Films davon verschreckt werden, dass seine von der Überwachungskamera beobachteten Reaktionen sogleich im Film weiterverarbeitet werden.

Wie Mensch und Computer zusammen agieren können, interessiert auch Christian Mio Loclair. Der Informatiker war in einem früheren Leben Robot- und Moon-Walk-Dancer und ist als solcher weltweit aufgetreten. Nun aber beschäftigt er sich an der Universität Potsdam mit Human Computer Interaction, also dem Zusammenspiel von Computer und Mensch. Bereits in seiner Karriere als Tänzer hat er sich über das Verhältnis von Mensch und Maschine Gedanken gemacht.

„Bei Robotic Dance muss alles eliminiert werden, was lebendig ist, deshalb macht dich der Tanz selber superlebendig“, so Loclair. Nun forscht Loclair an der Frage, wie weit Computer eigenes Bewusstsein entwickeln können und wann etwas, das als Bewusstsein erscheint, wirklich als solches gewertet werden kann. Bei verschiedenen Experimenten hat er Computer auf ihr Spiegelbild reagieren lassen. Dabei ergab sich, dass es gar nicht so schwierig ist, einer Maschine so viel künstliche Intelligenz zu vermitteln, dass diese als lebendiges Gegenüber erscheint. „Es bereitet keine besonderen Probleme eine Maschine eigenständig dazu zu bewegen zu sagen: Ich denke also bin ich,“ so Loclair. „Aber was bedeutet das?“ Der Unterschied von künstlich Erzeugtem und lebendig Entstandenem bleibe offensichtlich: „Wir fragen die Natur nach der Wahrheit und sie antwortet mit Daten“, sagt Loclair. Er hoffe allerdings, dass KI sich über bloße zusätzliche Rechenarbeit hinaus entwickeln könne. Eine tiefere Poetik, überraschendere Geschichten könnten möglicherweise entstehen, weil sich mit Hilfe der KI sehr schnell weitere Varianten von kreativen Ideen entwerfen lassen.

Musik an den Protagonisten gekoppelt

Davon geht auch der Filmmusiker Valerio Velardo aus. In einem kurzen Trickfilm zeigt er, wie ein Hai durch das Meer schwimmt und einen Schwarm kleiner Fische in Aufruhr bringt. Mal verschwindet der Fisch hinter einem Felsen, mal reißt er sein Maul auf. Eine markante Melodie unterstreicht die Bedrohung durch den Raubfisch. Es sei viel einfacher, ein entsprechendes Szenario mit Hilfe von KI mit der Melodie zu unterlegen, so Velardo. Dabei werde die Melodie einfach an das Bild des Fisches gekoppelt und möglicherweise auch gleich entsprechend der jeweiligen Szene variiert.

Malen, tanzen, Poesie verfassen

Velardo hofft, dass mit Hilfe von Künstlicher Intelligenz viel schneller verschiedene Varianten einer Melodie oder eines Themas entworfen und durchgespielt werden können. Das wäre gerade bei Computerspielen wichtig. Denn dort wäre es notwendig, viele verschiedene Spielverläufe zu entwerfen und auch musikalisch zu bestücken. „KI kann schon heute sehr viel: malen, tanzen, Poesie verfassen. Wenn wir Computer und Mensch zusammen Kreatives entwerfen lassen, können wir einen Super Human Level erreichen“, so Velardo. Kritiker erinnert er daran, dass auch der Schachgroßmeister Garri Kasparow zunächst Künstlicher Intelligenz skeptisch gegenübergestanden habe, insbesondere nachdem ihn der Computer Deep Blue im Schach geschlagen hatte. Mittlerweile sei aber auch Kasparov der Ansicht, dass gerade die Zusammenarbeit von Computer und Mensch ganz neue Perspektiven eröffne. Richard Rabensaat

Richard Rabensaat

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