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Homepage: Kritischer Dialog

Die Religionswissenschaftler der Uni Potsdam sehen die Kooperation mit der iranischen Religionsschule Qom zu Unrecht kritisiert

Im Streit um die Kooperation der Universität Potsdam mit der iranischen Hochschule für Religionen und Denominationen (URD) in Qom geht die Uni in die Offensive. „Hat überhaupt schon einmal einer der Kritiker mit einem iranischen Wissenschaftler der Universität Qom gesprochen oder sich deren Texte angeschaut?“, so der Dekan der philosophischen Fakultät der Uni Potsdam, Johann E. Hafner.

Der Sprecher der oppositionellen „Green Party of Iran“ in Deutschland, Kazem Moussavi, hatte die Qom-Universität zuvor als islamistische Kaderschule bezeichnet. Dass Wissenschaftler der Potsdamer Universität und der Goethe Universität Frankfurt/Main am 15. September zu einer Reise an diese Hochschule aufbrechen, löse bei ihm Unverständnis aus. Bereits in der vorigen Woche hatte es vom Bündnis „Stop the Bomb“ Kritik an der Kooperation Potsdam-Qom (PNN berichteten) gegeben. Das Potsdamer „Bündnis gegen Antisemitismus“ hatte sodann ein Podiumsgespräch an der Universität Potsdam veranstaltet. „Die URD ist eingebettet in die Strukturen der ‚Organisation für Annäherung und Verbindung der Religionen’ und bildet das Fachpersonal für deren islamistische und terroristische Institutionen und Unterorganisationen aus“, erklärte Moussavi bei der Diskussion.

Entsprechend der Verfassung des Iran solle das islamistische System und die totale Macht des Revolutionsführers Ali Khameini in der ganzen Welt installiert werden. Auch in Deutschland, betonte Moussavi. Diese Doktrin beeinflusse den Lehrbetrieb der Hochschule URD massiv. Deshalb könne dort eine seriöse, kritische Forschung nicht stattfinden. Jede Diskussion mit dem Regime stelle eine stillschweigende Zustimmung dar. Nach Moussavis Auffassung sollten solche Kontakte daher sofort beendet werden. „Denn die Hinrichtungsmaschine des Regimes im Iran läuft auf Hochtouren.“

Fatiyeh Naghizadeh, Gründungsmitglied des Mideast Freedom Forum Berlin, beschreibt Qom als einen Ort, der durch doktrinäre religiöse Institutionen geprägt sei: „Qom steht mitten in der Wüste und ist voller Mullahs.“ Sebastian Mohr vom Bündnis gegen Antisemitismus beanstandete, dass die Reisevorbereitungen und Ergebnisse vorangegangener Reisen nicht hinreichend transparent gemacht worden seien: „Wo sind die wissenschaftlichen Papiere und Berichte über die Reise?“

Der Religionswissenschaftler Hafner kann die Kritik des Bündnisses nicht nachvollziehen. „Es findet ein ernsthafter wissenschaftlicher Austausch mit der URD statt. Die Universität dort ist keine religiöse Kaderschmiede“, sagte Hafner den PNN. Vielmehr seien die an ihr lehrenden Theologen zu einem kritischen Dialog bereit, was im Iran nicht selbstverständlich sei. Hafner verweist darauf, dass an der Hochschule eine Vielzahl von Büchern liberaler christlicher und jüdischer Gelehrter studiert würden. Der universitätseigene Verlag habe sich zudem um die Herausgabe zahlreicher Werke repräsentativer jüdischer und christlicher Autoren in persischer Übersetzung verdient gemacht. „Wer diese Bücher liest und versteht, wird seine eigene Religion nicht mehr absolut sehen“, meint Hafner. Nicht zuletzt aufgrund vieler Besuche von Hochschulen im Iran sei ihm klar, dass eine Diskussion über Freiheit der Wissenschaft und Religionsfreiheit dort nicht überall möglich sei. Gerade an der URD sei dies aber der Fall. „Wir reden dort mit den Wissenschaftlern, denen der Kontakt zu westlichen Kollegen wichtig ist.“ Gerade weil das Institut für Religionswissenschaft der Universität Potsdam um die Defizite der Religionsfreiheit im Iran wisse, pflege es Kontakte zu Bewegungen, die schweren Verfolgungen ausgesetzt sind. So war im vergangenen Semester der Repräsentant des Gonabadi Sufi Ordens in Paris, Seyed Mostafa Azmayesh, zu einem öffentlichen Vortrag eingeladen gewesen.

Die jetzige Reise sei als Lehrveranstaltung und Exkursion in der Universität Potsdam angekündigt und plakatiert worden. Dadurch sei eine hinreichende Transparenz hergestellt worden. Hafner bemängelt zudem, dass weder er noch ein anderes Mitglied der Fakultät zur Teilnahme an der Podiumsdiskussion angefragt worden waren. Richard Rabensaat

Richard Rabensaat

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