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Extrem. Stürme wie Xavier, der im Oktober gerade auch in Brandenburg wütete (hier Schäden in Kleinmachnow), können als Einzelereignis nicht dem Klimawandel zugeordnet werden. Treten Wetterextreme aber über längere Zeiträume gehäuft auf, halten Klimaforscher einen Zusammenhang mit der globalen Erderwärmung für möglich.

© Thilo Rückeis

Klimaforschung Potsdam: Immer öfter und immer stärker

Unwetter durch Erderwärmung: Der Potsdamer Klimaforscher Stefan Rahmstorf über neue Zusammenhänge zwischen Extremwetterlagen und Klimawandel.

Potsdam - Das Jahr startet beim Wetter gleich turbulent, zumindest in Südwestdeutschland. Am heutigen 3. Januar bereits steht hier mit dem Tiefdruckgebiet Burglind die erste schwere Sturmlage an. Im vergangenen Jahr kam es gerade auch für Berlin-Brandenburg ziemlich heftig. Im Sommer gab es mehrfach Überschwemmungen nach Extremniederschlägen, am 29. Juni fielen in Oranienburg mehr als 200 Liter Regen pro Quadratmeter im Tagesverlauf – ein absoluter Rekordwert. Anfang Oktober dann zog der Herbststurm Xavier mit über 120 Stundenkilometern direkt über die Region, es gab Tote und rund zwei Millionen Bäume fielen in den märkischen Wäldern um. Weltweit brachten Hurrikans wie etwa Harvey extreme Schäden mit sich, auch in Pakistan gab es durch einen starken Monsun drastische Überflutungen, während über Irland die Ausläufer eines Hurrikans wüteten. Alles nur zufällige Wetterereignisse – oder sind dies doch die ersten Folgen des Klimawandels?

Mehr Hitzewellen

Direkt kann man Wetterextreme meist nicht dem Klimawandel zuordnen, sagen Klimaforscher und Meteorologen. Denn jedes Wetterereignis ist für sich eine kurzlebige Erscheinung, die von anderen kurzfristigen Entwicklungen im Wettersystem hervorgerufen wird. Doch wenn die Ereignisse über einen längeren Zeitraum beobachtet werden, kann die Häufung solcher Ausrutscher einen Trend zeigen, der ins Bild passt. Denn stärkere Niederschläge und Stürme, eine Zunahme von Extremwetterlagen überhaupt, gehören zu dem, was die Forschung durch erhöhte Temperaturen erwartet, erklärte Stefan Rahmstorf vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) in einem Hintergrundgespräch.

Extreme beim Wetter fallen spätestens seit der Jahrtausendwende auf, was nun auch die Weltorganisation für Meteorologie bestätigt hat. Der Deutsche Wetterdienst hat festgestellt, dass Extremwetter wie Starkregen und Hitzeperioden in den vergangenen Jahrzehnten messbar zugenommen haben. So forderte etwa der Hitzesommer 2003 europaweit rund 70 000 Hitzeopfer, vor allem in Frankreich. In Paris mussten vor der Stadt gekühlte Zelte aufgestellt werden, weil die Leichenhäuser voll waren. „Jahrhundertsommer klingt wie schönes Badewetter, aber in allen Altersgruppen ab 45 Jahren war in Deutschland die Sterblichkeit signifikant erhöht“, so Rahmstorf. Eine Auswertung der Sommertemperaturen seit dem Jahr 1500 habe gezeigt, dass die wärmsten Sommer der vergangenen 500 Jahre neben dem Jahr 2003 das Jahr 2010 – mit einer Hitzewelle in Russland –, 2002, 2006 und 2007 waren. „Dass dies keine Zufallsverteilung ist, sondern eine Häufung von Extremen, liegt auf der Hand“, sagt der Potsdamer Forscher, der an der Universität Potsdam eine Professur für Physik der Ozeane innehat. Die Zahl der monatlichen Hitzerekorde liege heute fünfmal so hoch, wie in einem stationären Klima zu erwarten wäre. Bei einem einzelnen Hitzesommer kann man nicht sagen, ob er mit der globalen Erwärmung zusammengehängt. „Wenn man aber die gesamte Anzahl der Hitzeereignisse betrachtet, werden die Folgen des Erwärmungstrends ganz klar deutlich.“

Mehr Starkregen

Bei den Niederschlägen ist es komplizierter, den Zusammenhang zu erkennen. Zum einen haben sie nicht so stark zugenommen wie Hitzewellen, zum anderen sind die Beobachtungsdaten weniger homogen. Auch sind Niederschläge oft kleinräumig und variabel verteilt. So kann es durchaus sein, dass es in Potsdam gießt, während es in Berlin trocken bleibt. Hinzu kommt, dass Niederschläge nicht überall gleichsam zunehmen. Durch die Erderwärmung – seit Ende des 19. Jahrhunderts mittlerweile rund ein Grad – nimmt zwar die Temperatur fast überall zu. Doch die Niederschläge häufen sich nur in manchen Regionen, während sie in anderen abnehmen. Auch verteilen sie sich unterschiedlich über die Jahreszeiten. Dennoch: „Auch in den Niederschlagsdaten kann man eine Zunahme von Extremniederschlägen nachweisen“, so Rahmstorf, der auf Studien des PIK zu dem Thema verweist. Auch der Deutsche Wetterdienst habe festgestellt, dass sich die Zeit verringert hat, in der sich extreme Gewitterregen wie 2016 in Süddeutschland – unter anderem die Flut von Braunsbach – wiederholen.

Häufige Dürren

Selbst in Regionen, in denen sich Niederschläge nicht ändern, nehmen Dürren zu – denn durch die Erderwärmung ist die Verdunstung erhöht. Die Bodenfeuchte geht schneller verloren, man bräuchte also mehr Niederschläge, um das auszugleichen, erklärt Rahmstorf. Für den Mittelmeerraum würden Klimamodelle übereinstimmend eine Abnahme der Niederschläge aufgrund der erhöhten Werte des Treibhausgases Kohlendioxid (CO2) in der Atmosphäre zeigen.

Interessant in diesem Zusammenhang ist, dass auch Syrien von dem Abnahmetrend betroffen ist: Vor 2011 hatte das Land die schlimmste Dürre seiner Geschichte erlebt, laut Sedimentdaten sogar die schwerste Dürre seit 900 Jahren. In der Folge kam es zu Unruhen und Protesten, die das Land destabilisierten, Millionen Binnenflüchtlinge und der bis heute andauernde Bürgerkrieg waren die Folge. Stefan Rahmstorf verweist zudem auf eine neue Studie anhand von Daten aus 10 000 Jahren, wonach die Vegetation im Mittelmeerraum wahrscheinlich auch zwei Grad Erwärmung nicht überleben würde. Auch bei einer solchen Erwärmung, die seit der Pariser Klimakonferenz als absolute Obergrenze gilt, dürften Teile von Spanien und Portugal voraussichtlich zur Wüste werden.

Stärkere Stürme

Was Tropenstürme betrifft, sind sich Forscher in zwei Dingen recht sicher. In einem wärmeren Klima wird zum einen mehr Feuchtigkeit in die Luft aufgenommen und transportiert. Zum anderen werde durch die globale Erwärmung der Meeresspiegel ansteigen. Der Anstieg beträgt bislang etwa 20 Zentimeter seit dem späten 19. Jahrhundert. Das wiederum verschlimmere die Auswirkungen der Sturmfluten, die mit Tropenstürmen einhergehen, erklärt Rahmstorf. Eine Zunahme bei der Gesamtzahl der Tropenstürme würden Studien zwar nicht zeigen, allerdings eine Zunahme der Stärke der Stürme. Das betreffe auch die ganz starken Stürme: nicht unbedingt mehr Stürme, dafür aber intensiver. Die Ursache davon ist, dass Stürme ihre Energie aus warmem Meerwasser beziehen. Modellsimulationen zeigen in der Summe relativ wenig Änderungen bis etwa 1990 und danach eine Zunahme der Intensität. „Das macht es sehr schwer, ein von den Menschen verursachtes Signal in den Beobachtungsdaten nachzuweisen“, so Rahmstorf. In der Forschung sei es Konsens, dass es zur Verstärkung kommt, nach wie vor sei aber umstritten, ob sich das aus Beobachtungsdaten bereits ablesen lässt.

Einzelne Hurrikanexperten beobachten allerdings eine Häufung an Rekorden bei Stärke und Niederschlag der Tropensturme in der jüngeren Vergangenheit. Der stärkste Sturm, der jemals Land getroffen hat, war Haiyan 2013 auf den Philippinen. Eine Japanische Studie hat gezeigt, dass Windgeschwindigkeiten durch die Klimaerwärmung um zehn Prozent gestiegen sind; dadurch sei die verheerende Sturmflut von Haiyan rund 20 Prozent höher ausgefallen als normal. Etwa 60 Zentimeter kamen oben drauf – ohne Einberechnung des Meeresspiegelanstiegs, der in der dortigen Region ohnehin deutlich höher ausfällt als im globalen Mittel. „Das war einfach Pech, dass dieser Sturm durch das ohnehin dort höhere Meeresniveau eine derart verheerende Sturmflut verursacht hat“, so Rahmstorf.

Neue Strömungen

Ein aktuell heißes Forschungsthema im Zusammenhang mit Extremwetter, das vom Potsdamer PIK mit begründet wurde, ist die dynamische Veränderung in Strömungen der Atmosphäre. Es geht um die Frage, welche Veränderungen beim Jetstream – Starkwindbänder zwischen Troposphäre und Stratosphäre – und den sogenannten Planetaren Wellen (Rosby-Wellen) zu beobachten sind, und welchen Auswirkungen das hat. Die Meteorologen registrieren zuweilen seltsame Dinge. Im Februar 2015 wurde die Osthälfte der USA bis Florida runter von einer Kältewelle auf Rekordniveau erfasst, die zuvor nie beobachtet wurde. Gleichzeitig gab es Hitzerekorde auf der anderen Seite der Westküste der USA – ein Ereignis, das sich in diesen Tagen gerade in ähnlicher Weise dort wiederholt. Der Grund dafür war 2015 eine große Ausbuchtung des Jetstreams, der heiße Luft aus dem Süden nach Kalifornien transportierte, während auf der anderen Seite genau das Gegenteil passierte.

Meist läuft der Jetstream eher gerade, manchmal wirft er aber riesige Wellen, Mäander. Ein natürliches Phänomen, das sich laut Untersuchung des PIK durch die globale Erwärmung nun signifikant ändert. Eine Zeitreihe zeigt, dass sich die Strömung seit 1980 verlangsamt. Das erwartet die Klimaforschung auch, weil sich die Arktis schneller erwärmt als der Rest der Nordhalbkugel, erklärt Rahmstorf. Durch die Erwärmung werde der Jetstream nicht nur schwächer, sondern auch welliger; große Nord-Süd-Mäander nehmen zu.

Manchmal schaukeln sich diese Planetaren Wellen auch extrem auf. Das war etwa beim Jahrhundertsommer im Juli 2003 zu beobachten. Damals sei ein auffallend regelmäßiges und starkes Wellenmuster zu erkennen gewesen, so Rahmstorf. Auch im Juli 2011, während der großen Hitzewelle in Texas/Oklahoma, sei ein starker Wellenzug zu erkennen gewesen, wie auch im Juli 2015, als es in Frankreich eine starke Hitzewelle gab. Wissenschaftler sprechen von Resonanzbedingungen, wodurch sich die Wellen stark aufschaukeln können.

Diese Zustände würden nun aufgrund der globalen Erwärmung stärker, vor allem im Zusammenhang mit der besonders starken Erwärmung in der Arktis, so Rahmstorf. Die Wellen der Luftströmungen würden durch die ungewöhnliche Schwingung quasi stationär. „Normalerweise ziehen Hoch- und Tiefdruckgebiete von West nach Ost über den Atlantik. Unter den Resonanzbedingungen bleibt das ganz Muster auf der Stelle stehen – mit der Folge, dass Wetterereignisse sich tagelang nicht ändern“, so der Potsdamer Ozeanograf. Auch bei der massiven Überschwemmung auf dem Balkan im Mai 2014 mit Rekordniederschlägen sei ein solches Wellenmuster zu beobachten gewesen. „Das Regengebiet zog einfach nicht weiter, blieb über dem Balkan hängen“, erinnert sich Rahmstorf. Es regnete tagelang auf dieselben Stellen – mit großen Überschwemmungen als Folge.

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