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Der Brand von Tropenwäldern wie hier in Brasilien erhöht den CO2-Gehalt in der Atmosphäre.

© picture alliance/dpa

Klimaforschung in Potsdam: An der Grenze der Belastung

Potsdamer Forscher beziffern erstmals die Risiken, die durch Wechselwirkungen ökologischer Belastungsgrenzen entstehen können.

Potsdam - Wissenschaftler des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK) konnten nun aufzeigen, wie wichtig es ist, innerhalb der sogenannten planetaren Grenzen zu bleiben. Veränderungen in verschiedenen Bereichen unseres Erdsystems würden sich demnach nicht einfach summieren, sondern sie könnten sich wechselseitig verstärken. 

„Das Überschreiten der planetaren Belastungsgrenze in einem Bereich kann den vom Menschen verursachten Druck auf andere planetare Grenzen erhöhen“, heißt es in einer unlängst in „Nature Sustainability“ veröffentlichten Studie. Die Forschung unterscheidet neun planetare Belastungsgrenzen vom Klimawandel über Ozeanversauerung und Landnutzung bis hin zum Süßwasserverbrauch. Wechselwirkungen im Erdsystem verstärken demnach die menschgemachten Veränderungen: „Das Überschreiten der planetaren Belastungsgrenze in einem Bereich kann den vom Menschen verursachten Druck auf andere planetare Grenzen erhöhen.“

Planetare Wechselwirkungen im Erdsystem beziffert

Das internationale Forscherteam hat laut PIK zum ersten Mal überhaupt einige der planetaren Wechselwirkungen im Erdsystem beziffert: „Biophysikalische Interaktionen haben die direkten menschlichen Auswirkungen auf die neun planetaren Grenzen fast verdoppelt, vom Klimawandel bis zur Süßwassernutzung“, heißt es in dem Paper. Diese Erkenntnisse könnten nun für die Entwicklung von politischen Maßnahmen zur Sicherung der Lebensgrundlagen kommender Generationen genutzt werden.

Als Beispiel nennen die Forscher das Abbrennen von Tropenwäldern zur Vergrößerung landwirtschaftlicher Nutzflächen: Dies erhöhe den CO2-Gehalt in der Atmosphäre – und die zusätzlichen Treibhausgase tragen zum globalen Temperaturanstieg bei. „So wird der Schaden für die Wälder auch zum Schaden für die Klimastabilität.“ Der Temperaturanstieg könne wiederum den Druck auf die Tropenwälder und die Landwirtschaft weiter erhöhen. „Die daraus resultierende Verstärkung der Effekte ist erheblich“, so die Forscher. Mögliche Kipppunkte im Erdsystem wurden dabei noch außen vor gelassen. Darin würden noch zusätzliche Risiken liegen, so könnte sich etwa der Amazonas-Regenwald ab einer bestimmten Schwelle nicht-linear und relativ rasch verändern.

Enge Wechselwirkungen zwischen planetaren Grenzen

Wie der Direktor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung und Mitautor der Studie, Johan Rockström, erklärte, habe die Studie gezeigt, dass zwischen den einzelnen planetaren Grenzen sehr enge Wechselwirkungen bestehen. Der Klimawandel und der Erhalt der Natur seien für mehr als die Hälfte der kombinierten Wirkungen in diesem Netzwerk verantwortlich. „Das zeigt, wie fatal eine Destabilisierung dieser beiden sein kann“, so Rockström. „Die daraus resultierenden Kaskaden und Rückkopplungen verstärken die menschgemachten Veränderungen des Erdsystems und verkleinern damit den sicheren Handlungsraum für unsere Kinder und Enkelkinder.“

Johan Rockström.
Johan Rockström.

© Soeren Stache/dpa

In den Forschungsergebnissen stecke aber auch eine gute Nachricht für Entscheider in der Politik: „Wenn wir den Druck auf eine planetare Grenze reduzieren, wird dies in vielen Fällen auch den Druck auf andere planetare Grenzen verringern“, so PIK-Direktor Rockström. Nachhaltige Lösungen könnten einander verstärken: „Das kann eine echte Win-Win-Situation sein.“

Die neue Studie baut auf den bahnbrechenden Studien zum Konzept der planetaren Grenzen auf, die 2009 und 2015 erschienen. Hier wurden neun kritische Systeme identifiziert, die den Zustand des Planeten regulieren. Dabei handelt es sich um den Klimawandel, biogeochemische Ströme (insbesondere von Stickstoff und Phosphor), Landnutzungsänderungen, Süßwassernutzung, Aerosolbelastung, Ozonabbau, Versauerung der Ozeane, Verlust der Biosphärenintegrität einschließlich der biologischen Vielfalt, und Einführung neuartiger Substanzen wie toxischer Chemikalien und Kunststoffe.

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