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Studierende wenden sich seit vielen Jahren gegen die Rückmeldegebühren in Brandenburg. Jetzt erhielten zwei von ihnen vor Gericht Recht. 

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Update

Klage gegen Universität Potsdam: Studierende erkämpfen ihr Recht

Das Verwaltungsgericht Potsdam hat über Rückmeldegebühren entschieden. Die klagenden Studierenden erhalten ihr Geld zurück.

Potsdam - Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts über rechtswidrige Rückmeldegebühren von 51 Euro pro Semester an Brandenburger Hochschulen hat das Verwaltungsgericht Potsdam am Freitag die Universität Potsdam zur Erstattung der Gebühr an zwei ehemalige Studenten verurteilt. Sie hatten die Gebühr im Verlauf ihres Studiums zwischen 2001 und 2008 gezahlt. In den beiden Verfahren ging es um Beträge in Höhe von jeweils rund 765 Euro. Das Wissenschaftsministerium sagte gegenüber den PNN, dass es die Entscheidung nun prüfen werde. Ob das Land in Berufung gehen wird ist noch offen. 

Universität kann sich nicht auf Verjährung berufen

Die Universität Potsdam hatte eine Erstattung zuvor abgelehnt, weil die Ansprüche verjährt seien. Dem ist das Verwaltungsgericht Potsdam nun nicht gefolgt. Nach der Auffassung des Gerichts kann sich die Universität nicht auf eine Verjährung berufen, weil der Rektor der Universität im Jahr 2004 gegenüber den Studierendenvertretern im damaligen Senat zugesichert hatte, dass die Verjährung ihrer Ansprüche auf Rückerstattung erst beginne, wenn die Gebühren für verfassungswidrig erklärt würden. Darauf hätten sie sich wie viele andere Studenten verlassen und damals nicht gegen die Universität Potsdam geklagt, so die Kläger. 

Das Gericht schloss sich dieser Auffassung an. Die Studierenden hätten im Vertrauen auf das Schreiben des Rektors auf Klagen verzichtet. Es verstoße gegen den Grundsatz von Treu und Glauben, wenn die Universität nunmehr auf der Verjährung bestehe, urteilte das Gericht. Wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Verfahren hat die Kammer die Berufung zum Oberverwaltungsgericht zugelassen.

Ob die Zahlungen für alle anderen Studierenden, die seinerzeit unter Vorbehalt gezahlt hatten, gelten, ist damit nach wie vor nicht klar. Gerichtssprecher Ruben Langer sagte gegenüber den PNN: „Wenn die Sache so rechtskräftig wird, dürfte vieles dafür sprechen, dass eine ordnungsgemäße Verwaltung im Rechtsstaat sich nicht im Einzelfall verklagen lässt, sondern eine rechtskräftige Entscheidung eines Gerichtes akzeptiert und danach handelt.“ Dies müsse nun aber die Universität Potsdam entscheiden. Von dort war am Freitag zu erfahren, dass man vor einer Stellungnahme erst die schriftliche Urteilsbegründung abwarten wolle. 

Allein an der Uni Potsdam könnten 30 Millionen Euro fällig werden 

Nach Ansicht der Universität Potsdam und der Landesregierung Brandenburgs sind die Ansprüche auf Rückzahlung der Gebühren für die Jahre 2001 bis 2008 allesamt verjährt. Dagegen hatten sich die Kläger darauf berufen, dass eine Verjährungsfrist erst mit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom Januar 2017 beginnt. Das Land hatte nach dem Verfassungsgerichtsurteil von 2017 nur 65 Studenten, die fristgerecht geklagt hatten, die Gebühr zurückgezahlt. Der Allgemeine Studierendenausschusses (Asta) der Uni fordert hingegen, dass allen Studierenden, die einst unter Vorbehalt gezahlt hatten, die Gebühr zurückerstattet wird.

Für das Land Brandenburg geht es dabei um eine erhebliche Summe. Allein an der Universität Potsdam könnten nach Angaben der Studierendenvertreter bis zu 50 000 Studierende insgesamt rund 30 Millionen Euro einfordern. In den einzelnen Fällen könnten je nach Studiendauer Summen zwischen mehreren hundert und rund tausend Euro fällig werden. Im Nachbarland Berlin hatte es in einem ähnlich gelagerten Fall 2013 eine pauschale Rückerstattung für alle Betroffenen gegeben, 44 Millionen Euro gingen an mehr als 80 000 ehemalige Studenten. Brandenburg will hingegen nur Studierende, die nach Zahlung der Gebühren fristgerecht geklagt hatten, eine Rückerstattung geben. Dagegen hatten die beiden Studierenden nun geklagt – und vom Gericht Recht erhalten. 

Das Ministerium pocht auf Brandenburger Weg

Das Wissenschaftsministerium pocht dennoch auf den Brandenburger Weg: „In Brandenburg verjährt der Anspruch vier Jahre nach Zahlung der Gebühr“, erläuterte Ministeriumssprecher Stephan Breiding. In Berlin begann die Verjährungsfrist ein Jahr nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts. Brandenburg müsse anders handeln als Berlin, so Breiding. „Berlin musste zurückzahlen, Brandenburg darf nicht“, sagte Breiding gegenüber den PNN. Auf Grundlage der Gebührenordnung gebe es keine Rechtsgrundlage für eine Rückzahlung. Selbst unrechtmäßig eingenommene Gebühren sind demnach nur vier Jahre nach Zahlung erstattungswürdig . Dies sei durch das des Innen-, Wissenschafts- und Justizministeriums geprüft worden, hieß es. Der Anwalt einer Klägerin, Falko Drescher, geht hingegen davon aus, dass es „einhellige Rechtsprechung“ sei, den Beginn der Verjährung erst mit dem Urteil des Verfassungsgerichts zu setzen. „Die Aussage, dass die Ansprüche verjährt seien, ist eine dreiste Lüge“, so Drescher gegenüber den PNN. „Die Verjährungsfrist gilt hier nicht, da sich das Gebührengesetz nicht auf das Gesetz bezieht, mit dem die Rückmeldegebühr erhoben wurde.“ Durch das Beharren auf dem Gebührengesetz wolle man Zeit gewinnen, um Studierende davon abzuhalten, ihre rechtmäßigen Ansprüche geltend zu machen, so Drescher.

Der Asta spricht von „versteckten Studiengebühren“

Die Gebühr wird an den Brandenburger Hochschulen nach wie vor erhoben. 2008 wurde sie in „Rückmelde- und Verwaltungsgebühr“ umbenannt, um sie juristisch nicht mehr angreifbar zu machen. Sie umfasst nun weitere Verwaltungskosten und ist damit bisher rechtlich unumstritten. Der Asta spricht hingegen von „versteckten Studiengebühren“ und fordert deren Abschaffung. Für die Studierenden ist es ein Politikum, dass der linke Koalitionspartner der rot-roten Landesregierung die Gebühr mit trägt. Tatsächlich hatten sich Linke und SPD im Koalitionsvertrag 2014 darauf geeinigt, „die weitere Erhebung der Rückmeldegebühren vom Ausgang noch ausstehender Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts abhängig“ zu machen. Die Linke-Landtagsabgeordnete Isabelle Vandre forderte nach dem Potsdamer Gerichtsurteil nun eine schnelle Lösung für alle ehemaligen betroffenen Studenten.

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