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Homepage: Keine Rechtfertigung

Stasi-Kontakte von Uni-Sprecherin werden weiter geprüft. Enquete-Mitglied hält sie für untragbar

Die Universität Potsdam wird ihre wegen Stasi-Kontakten belastete Sprecherin Birgit Mangelsdorf für die Zeit der Überprüfung der Vorwürfe nicht beurlauben. Wie Uni-Sprecher Andreas Peter sagte, sei Mangelsdorf zurzeit im regulären Urlaub, weitere Maßnahmen seien bis zum Ergebnis der Untersuchung nicht geplant. An der Hochschule prüft derzeit eine eigens einberufene Kommission die gegen die 51-jährige Leiterin des Uni-Referates Presse- und Öffentlichkeitsarbeit erhobenen Vorwürfe. Sie soll von 1984 bis 1987 in einer Wohnung gelebt haben, die von der Staatssicherheit der DDR als konspirativer Treffpunkt genutzt wurde. Kriterien für die Überprüfung sind laut Uni, ob Mangelsdorf jemandem geschadet hat und ob es eine Verpflichtungserklärung gibt.

Die Hochschule hatte sofort nach Bekanntwerden der Vorwürfe Akteneinsicht bei der Stasi-Unterlagen-Behörde beantragt. Allerdings hat sich nun herausgestellt, dass die Hochschule aufgrund der Rechtslage zur Akteneinsicht gar nicht berechtigt ist. Das zugrunde liegende Stasi-Unterlagen-Gesetz war 2006 entsprechend geändert worden. Nun suche man nach Möglichkeiten, die Überprüfung dennoch zu ermöglichen. Die Untersuchung soll so schnell wie möglich, aber auch so gründlich wie nötig erfolgen, erklärte der Uni-Sprecher Peter. Der Hochschule würden bislang als Stellungnahme von Mangelsdorf nur ihre Äußerungen aus den Medien vorliegen. Mangelsdorf hatte gegenüber dem RBB gesagt, dass sie in ihrer Zeit als MDR-Journalistin von der Stasi-Unterlagenbehörde zwei mal überprüft worden sei. Darin sei festgestellt worden, dass die Stasi seinerzeit eine Notlage ausgenutzt habe.

Die Universität Potsdam beruft sich darauf, dass die Sprecherin zu ihrer Einstellung im August 2009 nicht habe überprüft werden müssen, da es die Regelanfrage bei der Stasi-Unterlagenbehörde seit 2006 nur noch für die Leitungsfunktionen Präsident und Vizepräsident gibt. Dass Mangelsdorf eine dem Präsidium zugeordnet leitende Funktion einnimmt, sei für eine Überprüfung nicht relevant gewesen. „Frau Mangelsdorf war nicht verpflichtet, mögliche Stasi-Kontakte von sich aus anzugeben.“

Für FU-Professor Klaus Schroeder, der der Brandenburger Enquete-Kommission zur Aufarbeitung der SED-Diktatur angehört, liegt der Fall anders. „Wenn Frau Mangelsdorf mit ihrer Vergangenheit bei der Einstellung an der Universität Potsdam nicht offen umgegangen ist, halte ich sie als Sprecherin für untragbar“, sagte der Leiter des Forschungsverbundes SED-Staat der Freien Universität Berlin (FU) den PNN. In einer so herausgehobenen Position wie der Sprecherin einer Universität brauche sie Glaubwürdigkeit. „Sie hat damals den Kontakten zugestimmt, Verschwiegenheit erklärt, durch die teilweise Übernahme der Mietkosten eine Geldleistung bezogen und aktiv den MfS unterstützt, damit sind die Kriterien einer aktiven Zusammenarbeit mit dem MfS gegeben“, so Schroeders Einschätzung. Dass keine Berichte geschrieben wurden, sei unerheblich: „Wer eine Wohnung für konspirative Zwecke zur Verfügung gestellt hat, brauchte keine Berichte mehr zu schreiben, das ist eine andere Ebene der Zusammenarbeit.“ Die Entschuldigung mit dem kranken Kind hält der Historiker Schroeder für unzureichend. „Viele mussten damals in der DDR in unzureichenden Wohnverhältnissen leben, das rechtfertigt keine Zusammenarbeit mit dem MfS“.

Birgit Mangelsdorf hat nach Angaben ihres Ehemanns Frank Mangelsdorf von 1984 bis 1987 in einer Wohnung gelebt, die von der Staatssicherheit der DDR als konspirativer Treffpunkt genutzt wurde. Ihr Mann, heute Chefredakteur der „Märkischen Oderzeitung“ (MOZ), hatte von 1985 bis 1987 ebenfalls in der Wohnung gelebt und eine Verschwiegenheitserklärung unterzeichnet. In einem Interview in der MOZ erklärte er, dass die Stasi eine Notlage seiner Frau ausgenutzt habe – sie hatte wegen ihres damals kranken Kindes eine andere, trockene Wohnung gebraucht. Ein Kollege habe der seinerzeit beim DDR-Rundfunk tätigen Mangelsdorf eine Wohnung vermittelt, dafür musste sie der Stasi dort konspirative Treffen ermöglichen. MOZ-Chefredakteur Mangelsdorf versicherte, dass es zu keiner Zeit von ihm oder seiner Frau „irgendeinen Bericht für die Stasi“ gegeben habe. Das Ministerium für Staatssicherheit (MfS) habe ein Drittel der Mietkosten und einen Teil der Energiekosten für die Wohnung übernommen.

Wie ein Mitarbeiter der Stasi-Unterlagenbehörde erklärte, hätte das Überwachungssystem der Stasi mit rund 7000 konspirativen Wohnungen nicht funktionieren können, wenn niemand dafür seine Wohnung zur Verfügung gestellt hätte. In solchen Wohnungen trafen sich Führungsoffiziere mit Inoffiziellen Mitarbeitern, um zum Beispiel Berichte entgegenzunehmen, erklärte die Sprecherin der Stasi-Unterlagenbehörde, Dagmar Hovestädt. „Das war Teil des Systems der Staatssicherheit.“

Die Studierendenvertretung AStA der Uni Potsdam kritisierte indes, dass es bislang keine öffentlich sichtbare Reaktion der Uni-Sprecherin zu den Vorwürfen gebe. In Bezug auf ihre Vergangenheit agiere sie offensichtlich ähnlich wie gegenüber der studentischen Selbstverwaltung: „Nach dem Grundsatz, Halbwahrheiten und Schweigen sind keine Lügen“, sagte Kai Gondlach vom AStA.

Die Universitätsleitung will keine Bewertungen des Falls vornehmen, bevor das Untersuchungsergebnis vorliegt. Auf der Uni-Homepage klang das am Dienstag allerdings anders: „Nach bisherigem Kenntnisstand sind die gegen Frau Mangelsdorf vorgebrachten Anschuldigungen bereits mehrfach von unabhängigen Kommissionen evaluiert und für unbedenklich erachtet worden.“ Gestern nun war dieser Text von der Internetseite wieder verschwunden.

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