zum Hauptinhalt

Jahresrückblick Potsdam 2018: Unerwartete Erkenntnisse, neuer Geist und alte Geister

Ungerechtigkeit bei der Elternzeit, ein neuer Malaria-Impfstoff, gesunder Tabak und fünf Jahre Jüdische Theologie an der Uni Potsdam.

Potsdam - Eine Nachricht, die für Ärger und auch Wut sorgte, kam in diesem Jahr von einer Wissenschaftlerin der Universität Potsdam. Die Soziologieprofessorin Lena Hipp hatte untersucht, wie sich die Angabe von Elternzeit bei Bewerbungen auswirkt. Bei Frauen kam sie dabei zu dem Ergebnis, dass sie bei kurzen Elternzeiten von den Arbeitgebern als Rabenmütter verschmäht werden. Das betrübliche Fazit: Nach längeren Auszeiten fehlt Müttern nach Ansicht der Unternehmer die Berufspraxis, bei kurzen Auszeiten hingegen gelten sie als herzlos und zu ehrgeizig.

Wirkstoff könnte Millionen Menschen das Leben retten

Optimistischer stimmte da der neueste Coup des Potsdamer Ausnahmeforschers Peter H. Seeberger. Der Forscher des Max-Planck-Instituts für Kolloid- und Grenzflächenforschung hat zusammen mit Kollegen einen Weg gefunden, einen Malaria-Wirkstoff zu revolutionieren. Ein effizienteres und kostengünstiges Verfahren zur Herstellung von Artemisinin könnte Millionen Menschen das Leben retten. Sein Kollege Markus Antonietti, seit 1993 Direktor am Golmer Max-Planck-Instituts, erhielt im November das Verdienstkreuz 1. Klasse der Bundesrepublik. Antonietti, der insbesondere für seine Forschung über nachhaltige, Biomasse-basierte Materialien für neue Energiekreisläufe bekannt geworden ist, wurde für seine rund 25-jährige Tätigkeit für den Brandenburger Wissenschaftsstandort gewürdigt.  Viel tat sich auch bei den Nachbarn in Golm. Das Centrum für Angewandte Nanotechnologie „CAN“ wird neuer Forschungsbereich am Fraunhofer-Institut für Angewandte Polymerforschung: Eine Projektgruppe erhält 2,5 Millionen Euro, um Polymeren Leben einzuhauchen. Die Forscher des Max-Planck-Instituts für molekulare Pflanzenphysiologie konnten indes in diesem Jahr einen besondern Erfolg feiern. 

Sie konnten gleich zwei Synergy Grants des Europäischen Forschungsrates (ERC) einwerben. Für die Erforschung der internen Kommunikation bei Pflanzen wird eine Forschungsgruppe mit insgesamt 6,1 Millionen Euro gefördert. Kollegen der Pflanzengenetiker wollen aus der Tabakpflanze neue Sorten entwickeln, die zur nachhaltigen Produktion von Medikamenten und Kosmetik in der Lage sind. Gesunder Tabak sozusagen. Dafür erhalten sie ebenfalls vom ERC 7,2 Millionen Euro Forschungsförderung. 

Jüdische Theologie: "Fünf glänzende Jahre"

Es ist eine Potsdamer Erfolgsgeschichte: An der hiesigen Universität wurde vor fünf Jahren das Studienfach Jüdische Theologie eingerichtet – an einer staatlichen Hochschule in Deutschland ein absolutes Novum. Mittlerweile sind 35 Absolventen als Rabbiner und Kantoren in neun Länder gegangen. Rabbiner Walter Homolka, der das Fach leitet, erinnerte sich zum Jahrestag an die nötige Beharrlichkeit, aber auch das Wohlwollen, das der Gründung vorausgegangen war. Der Studiengang sei heute einzigartig – und könnte auch ein Vorbild für die Imamausbildung in Deutschland werden. Homolka spricht von fünf „glänzenden Jahren“. Das Zentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr musste sich zu Jahresanfang der Kritik der Linken stellen. Man arbeite zu wenig zum Nationalsozialismus und Holocaust, hieß es. PNN-Recherchen und Gespräche ergaben, dass sehr wohl sehr sensibel auf das finsterste Kapitel der deutschen Geschichte geschaut wird – und nach den Vorfällen in der Bundeswehr einmal mehr akribisch darauf geachtet wird, den jungen Rekruten ein vollständiges Geschichtsbild zu vermitteln. Zu einem recht expliziten Ergebnis bezüglich des Holocausts kam indes eine junge Forscherin am Moses Mendelssohn Zentrum (MMZ): Kroatische Frauen der faschistischen Ustascha standen den Männern beim Judenmord in Sachen Grausamkeit in nichts nach.

Bundesweiter Forschungsverbund zum medialen Erbe der DDR 

Die Mitarbeiter des Zentrums für Zeithistorische Forschung (ZZF) durften sich derweil über die Bewilligung eines großen, bundesweiten Forschungsverbunds zum medialen Erbe der DDR freuen. Die Wissenschaftler des benachbarten Einstein Forums feierten das 25-jährige Bestehen des Potsdamer Hauses. Mit einem klaren Ziel: Mindestens noch weitere 25 Jahre im Sinne der Aufklärung die verschiedenen Disziplinen der Wissenschaft im öffentlichen Diskurs zusammenzubringen. 

Zur Startseite