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Jahresrückblick Potsdam 2018: An der Grenze der Belastbarkeit

Während die Klimaforscher 2018 in Potsdam mit neuer Führungsspitze reüssieren, nehmen auch andere Institute die Erde sehr genau unter die Lupe

Potsdam - Die wichtigsten Signale in diesem Jahr kamen nicht – wie in den Vorjahren – aus den Weiten des Weltalls, als Potsdamer Forscher an der nobelpreisträchtigen Detektion der Gravitationswellen beteiligt waren. Vielmehr sind wir wieder zurück auf der Erde, dem Planeten, den wir gerade – so sehen es zumindest führende Klimaforscher  – gegen die Wand fahren. Das Jahr 2018 markiert hier eine bedeutende Wegmarke. Einerseits hat das Wetter den Menschen weltweit gezeigt, dass die aktuell ein Grad Erwärmung nicht nur Schönwetter bedeutet, sondern auch Dürre, Hitze, Überflutungen und Monsterstürme. Andererseits wurde klar, dass nur noch rund zehn Jahre lang im aktuellen Maßstab das Treibhausgas Kohlendioxid in die Atmosphäre geblasen werden darf, wenn die Erderwärmung unter der kritischen Marke gehalten werden soll. 

Je weiter die Menschheit planlos in die Erderwärmung schlittert, desto wichtiger werden Forschungsergebnisse aus Potsdam, wo gerade die Erdsystemforschung ein gewichtiger Nukleus ist. Ganz vorne mit dabei sind die Institute auf Potsdams Telegrafenberg, darunter auch das weltweit renommierte Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK). Seit September dieses Jahres wird das PIK vom neuen Führungsduo Ottmar Edenhofer und Johan Rockström geleitet. Sie wollen das Konzept der planetaren Belastbarkeitsgrenzen mit dem der globalen Gemeinschaftsgüter zusammenführen, um einen neuen Ansatz der Potsdamer Klimafolgenforschung zu schaffen. Ihr Vorgänger, PIK-Gründungsdirektor Hans Joachim Schellnhuber, will im Ruhestand weiter am Thema dranbleiben: weil es „hochgradig relevant und zukunftsweisend für unsere Zivilisation“ ist, wie er sagt.

Institute auf dem Telegrafenberg haben die Erde genau im Blick 

Auch die anderen Institute auf dem Telegrafenberg behalten die Erde genau im Blick – und kommen dabei zu Ergebnissen, die die Modelle der Klimaforscher untermauern. So nimmt das im Februar mit Bestnote evaluierte Deutsche Geoforschungszentrum (GFZ) unseren Planeten auch von oben unter die Lupe: Im Mai startete die Nachfolgemission der Grace-Satelliten. „Grace-FO“ wird liebevoll auch „Tom und Jerry“ genannt, weil die beiden Satelliten in einem Abstand von rund 220 Kilometern hintereinander herjagen. 16 Mal pro Tag sausen sie um die Erde herum, aus ihren unterschiedlichen Positionen und Messwerten lässt sich die Beschaffenheit der Erdoberfläche äußerst präzise erfassen.  Wie wichtig so etwas sein kann, zeigt beispielsweise eine aktuelle Untersuchung, bei der Potsdamer Geoforscher anhand von Satellitendaten festgestellt haben, dass die iranische Hauptstadt Teheran jährlich rund einen viertel Meter absackt, weil die Wasserreservoirs unter ihr aufgebraucht werden. Im Oktober dann tagte die Klimainitiative „Reklim“ am GFZ, es ging um das Thema Niederschlag. Mit dem Ergebnis, dass sich in Zukunft die Extreme abwechseln werden: mal regnet es viel zu viel, mal viel zu wenig. Und nach dem Dürrejahr 2018 müssen wir auf viel Niederschlag im Winter hoffen, damit die Landwirte und Flussschiffer im Frühjahr nicht auf dem Trockenen sitzen. Wie dramatisch die Folgen der Erderwärmung bereits sind, sehen auch die Polarforscher, die sich im September am Potsdamer Alfred-Wegener-Institut (AWI) trafen: Ein letztes Rückzugsgebiet für die Eisbären nördlich von Grönland war in den Sommermonaten völlig unerwartet abgetaut.  Nachhaltiges Wirtschaften im Sinne des Erdsystems wäre also nötiger denn je. 

Langfristige Perspektive für Nachhaltigkeitsinstitut gesucht

Ideen und Konzepte dazu kommen unter anderem auch vom Potsdamer Nachhaltigkeitsinstitut IASS. Und damit das von Klaus Töpfer 2009 gegründete Institut erhalten bleibt, drängt nun der Bundesrechnungshof darauf, dem Haus eine langfristige – also: nachhaltige – Perspektive zu geben, vorausgesetzt die nächste Evaluierung fällt positiv aus. Aktuell hat das IASS ein Projekt für die Lausitz gestartet, mit dem der Strukturwandel, der mit dem absehbaren Ende des Kohleabbaus ansteht, begleitet werden soll. „Damit die Menschen dort eine Perspektive erhalten“, so das Institut. 

Das Jahr hatte mit einer guten Nachricht begonnen: Ein Wissenschaftler des Deutschen Instituts für Ernährungsforschung in Bergholz-Rehbrücke hatte im PNN-Interview erklärt, warum Weizen gar nicht so schlimm ist wie sein Ruf. Brot bleibt also gesund – zumindest, wenn es aus Vollkorn ist und man Maß hält.

Eine unrühmliche Geschichte

Zu Ende ging das Potsdamer Wissenschaftsjahr mit einer unrühmlichen Geschichte: Die Honorarprofessorin der Universität Potsdam, Margarita Mathiopoulos, musste endgültig wegen Plagiaten ihren Doktortitel abgeben. Potsdam verlässt Mathiopoulos nun, sie will an eine chinesische Hochschule wechseln. Kurz vor Jahresschluss gab es aber noch Erfreuliches: Die Potsdamer Gravitationsphysiker des Albert-Einstein-Instituts (AEI) sind an vier neuen Graviationswellennachweisen beteiligt. Das Universum wird damit durchsichtiger. AEI-Forscherin Alessandra Buonanno erhielt für ihre Arbeit zu dem Thema in diesem Jahr Deutschlands wichtigste Wissenschaftsauszeichung: den Leibniz-Preis.

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