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Immer mehr Beschwerden an den Presserat zur Herkunft von Straftätern.

© dpa

Jahresbericht des Presserates: Polizei-Pressestellen setzen Medien unter Rechtfertigungsdruck

Nach dem geänderten Pressekodex soll die Herkunft von Straftätern und Verdächtigen nur noch in Ausnahmen genannt werden. Für die Online-Meldungen der Polizei gibt es eine solche Reglung nicht. Eine ungute Konkurrenzsituation, meint der Presserat.

Weil Pressestellen der Polizei inzwischen häufig selbst über Straftaten und andere Vorfälle online berichten und dabei zum Teil auch die Herkunft von Tätern und Verdächtigen nennen, befinden sich die Printmedien zunehmend unter Rechtfertigungsdruck, konstatierte Manfred Protze, der Sprecher des Presserates, bei der Vorstellung des Jahresberichtes der Organisation am Mittwoch in Berlin sagte.
Der Presserat hatte die Ziffer 12.1 des Pressekodex im März 2017 geändert und später durch einen Leitfaden ergänzt. In der Richtlinie zur Nennung von Nationalitäten und Gruppenzugehörigkeiten heißt es seither, dass diese nur noch dann genannt werden sollen, wenn es dafür ein begründetes öffentliches Interesse gibt. Dadurch soll der Verbreitung von Vorurteilen unter anderem gegen Flüchtlinge entgegengewirkt werden. Allein die Neugier der Leser sei kein hinreichender Grund für die Nennung der Herkunft. In Berlin verzichtet die Polizei nach Erfahrungen des Tagesspiegels darauf, grundsätzlich die Herkunft zu nennen, gibt diese aber auf Nachfrage an.
Protze fordert die Politik und dabei speziell die Landesinnenminister auf, über eigene Grundsätze der ethischen Verantwortung für Veröffentlichungen der Polizei nachzudenken. Das gelte aber auch für globale Online-Medien wie Google oder Facebook. Die letzte Rüge wegen eines Verstoßes wegen der Nennung der Herkunft liegt neun Jahre zurück. Insgesamt ist die Zahl der Beschwerden dazu rückläufig. Seit der Neuformulierung der Richtlinie im März 2017 bis Dezember 2017 gingen 23 Beschwerden ein, im gleichen Zeitraum 2016 waren es noch 42 gewesen.

Neun Rügen wegen Schleichwerbung

Nach wie vor die meisten Verstöße bezogen sich 2017 auf die Sorgfaltspflicht, die Trennung von Werbung und Redaktion sowie den Schutz der Persönlichkeit. Allein neun von 21 (Vorjahr 33) Beschwerden gab es wegen Schleichwerbung. Ein eigener Ausschuss beschäftigt sich nur mit diesem Thema. Auch in der Vergangenheit hatte es dazu prominente Anlässe gegeben. In einem Fall aus dem vergangenen Jahr wurde in einem großen Online-Bericht über den gesundheitlich sinnvollen Umgang mit Zucker nur am Rande erwähnt, dass die Zuckerwirtschaft Anzeigenpartner der Publikation war.

Insgesamt sank die Zahl der Beschwerden im vergangenen Jahr von 1851 in 2016 auf 1788. Von den 508 Beschwerden, die in den Ausschüssen bewertet wurden, erwiesen sich rund die Hälfte als unbegründet. Neben den Rügen wurden 58 Missbilligungen und 153 Hinweise ausgesprochen. Die hohe Anzahl von Beschwerden in den Jahren 2014 und 2015 resultierten vor allem aus der Kritik an der Berichterstattung im Russland-Ukraine-Konflikt beziehungsweise den Germanwings-Absturz. Kurt Sagatz

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