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Wie man Produkte und Internetdienste altersgerecht entwickelt. Von Frank Heidmann

Das Jahr 2013 ist vom Bundesforschungsministerium zum Themenjahr „Die demografische Chance“ benannt worden. Die Frage, wie sich der Wandel gestalten lässt, steht dabei im Fokus. In den PNN stellen Wissenschaftler aus der Region ihre Arbeit und Erkenntnisse dazu vor.

Unternehmen aller Branchen versuchen seit einigen Jahren, dem demografischen Wandel durch die Entwicklung und Vermarktung altersgerechter Produkte und Angebote zu begegnen. Besondere Aufmerksamkeit und staatliche Förderung bekommen dabei technologische Entwicklungen, die unter dem Schlagwort „Ambient Assisted Living“ (AAL) zusammengefasst werden. Das Ziel ist, älteren Menschen durch technische Assistenzsysteme länger ein selbstbestimmtes Leben in vertrauter Umgebung zu ermöglichen und Kosten für Pflege und Betreuung zu verringern. Die Lösungsansätze reichen von intelligenten Alarmsystemen für Notfallsituationen über Anwendungen zur permanenten Überwachung des Gesundheitszustandes, automatische Erinnerungshilfen bis hin zu mobilen Servicerobotern. Sozialwissenschaftliche und ethische Fragen werden bei der Entwicklung dieser Technologien häufig nur am Rande betrachtet.

In vielen Fällen, so die Erkenntnisse neuerer Studien, scheitert die erfolgreiche Einführung an den (noch) zu hohen Kosten für die anvisierte Zielgruppe alleinlebender Älterer ebenso wie an der nach wie vor zu hohen Komplexität der Produkte. Auch sind Anforderungen zum Schutz der Privatsphäre beim Einsatz von Überwachungstechnologien noch nicht ausreichend erfüllt. Schließlich erfolgt die Berücksichtigung der realen Lebensbedingungen, Bedürfnisse, Ängste, Hoffnungen und Wertevorstellungen älterer Menschen nicht im ausreichenden Maße. Der Wunsch nach zwischenmenschlicher Kommunikation, Teilhabe am öffentlichen Leben, Kultur und damit verbundene Mobilität ist eben nur teilweise durch technische Lösungen zu erfüllen.

Größere Potenziale zur Unterstützung eines selbstbestimmten und „guten Lebens“ im Alter bietet die intelligente Verbindung technologischer Entwicklungen mit sozialen Innovationen, die bisher allerdings zu wenig erforscht und in Pilotprojekten gewagt wird. Beispiele hierfür können einfach zu bedienende Smartphone- oder Tablet-PC-Applikationen sein, die Angebot und Nachfrage von persönlichen Dienst- und Hilfsleistungen, Ehrenamt und Nachbarschaftshilfe möglich machen und die mit neuen Konzepten für die Vergütung bürgerschaftlichen Engagements verbunden werden.

Die Designstudiengänge der Fachhochschule Potsdam greifen diese Herausforderung auf und entwickeln interaktive Produkte und Online-Services mit einer hohen Benutzungsfreundlichkeit und ästhetischen Qualität. Sie folgen dabei dem Ansatz des „Universal Design“ oder „Design for All“. Die Begriffe bezeichnen den Prozess, Produkte und Services für die größtmögliche Zielgruppe und nicht nach Altersgruppen oder Sozialmilieus zu entwickeln.

Die Forderung nach intuitiver Bedienung und Komplexitätsreduktion sowie der Wunsch nach mehr Privatsphäre bei der Nutzung von Online-Services ist ein altersunabhängiges Phänomen. Auch jugendliche Online-Nutzer haben wenig Geduld, unübersichtliche Formulare im Netz auszufüllen, ebenso wie Geschäftsreisende in fremden Städten nicht weniger selten an Fahrkartenautomaten verzweifeln wie ältere Menschen.

Wenn ein Produkt in der Basisversion nicht für alle Altersgruppen zugänglich gemacht werden kann, wird eine Möglichkeit zur individuellen Anpassung angeboten. Ein typisches Beispiel ist die Einstellbarkeit von Schriftgrößen und Farbkontrasten. Der Universal-Design-Ansatz arbeitet grundsätzlich mit der frühzeitigen und kontinuierlichen Einbeziehung der zukünftigen Nutzer aller Altersgruppen. Zur kritischen Überprüfung neuer Produkte durch die Nutzer steht an der Fachhochschule Potsdam ein spezielles Labor zur Verfügung. Dort können zum Beispiel Augenbewegungen bei der Nutzung von Computern, Smartphones oder Selbstbedienungsautomaten gemessen werden. Sie geben Aufschluss über die Verständlichkeit der Bedienung und helfen, die Benutzungsschnittstelle eines Systems kontinuierlich zu verbessern.

Um die angestrebte Verknüpfung von technologischen, gestalterischen und sozialen Innovationen erfolgreich umzusetzen, arbeiten an der Fachhochschule Potsdam Sozialwissenschaftler, Ingenieure und Designer immer häufiger in interdisziplinären Projekten zusammen. Ein zukünftiger Schwerpunkt liegt auf der Entwicklung generationenübergreifender Angebote für die Sicherstellung von Mobilität, Gesundheitsvorsorge, Bildung und Kultur in ländlichen Gebieten. Ziel ist es, Menschen aller Altersgruppen trotz Bevölkerungsrückgang durch eine sinnvolle Kombination von neuen digitalen Dienstleistungen und sozialen Innovationen die Basis für ein „gutes Leben“ zu ermöglichen.

Frank Heidmann ist Professor für Human Centered Design im Studiengang Interfacedesign an der Fachhochschule Potsdam.

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