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Interview mit Potsdamer Ernährungsforscherin zum Intervallfasten: „Ist es eine gute Idee, täglich 16 Stunden zu fasten?“

Ganze 16 Stunden am Tag nichts essen? PNN-Redakteur Jan Kixmüller hat den Selbstversuch gemacht und mit der Potsdamer Diabetologin Annette Schürmann über seine Erfahrungen gesprochen.

Frau Schürmann, ich habe mich auf unser Gespräch gut vorbereitet: Seit fünf Wochen esse ich nur noch zwischen 13 und 21 Uhr, die restlichen 16 Stunden sind Fastenzeit. Ist das eine gute Idee?

Durchaus, vor allen Dingen dann, wenn Sie es geschafft haben, in Summe weniger zu essen, als Sie es vorher getan haben. Denn leider wird bei dem sogenannten Intervallfasten häufig übersehen, dass man in den acht Stunden, in denen man isst, nicht das aufholen sollte, was man vorher eingespart hat. Wenn ich unterm Strich bei der gleichen Kalorienmenge am Tag bleibe, wird sich am Gewicht nichts ändern.

Zum Abnehmen muss man also auch wirklich eine Mahlzeit auslassen?
Genau, das Resultat muss ein Energiedefizit sein.

Annette Schürmann.
Annette Schürmann.

© David Ausserhofer/DIfE

Der Selbstversuch zeigt aber auch, dass in der Essensphase eher Heißhunger herrscht.
Der Körper fordert dann tatsächlich ein, was er gewohnt ist. Da braucht man die nötige Selbstdisziplin, um nicht mehr als üblich zu essen. Grundsätzlich sollte man als Ziel haben, rund zehn Prozent weniger Kalorien zu sich zu nehmen als bisher – wenn man abnehmen will.

Beim Intervallfasten geht es aber nicht nur ums Abnehmen.
Das stimmt, diese tägliche Fastenperiode ist insgesamt für den ganzen Organismus gut. Es werden diverse Stoffwechselwege aktiviert, vor allem die Fettverbrennung; außerdem werden Abbau- und Verwertungsprozesse in den Zellen induziert. Wenn man nicht abzunehmen braucht, hat man trotzdem den Vorteil, dass der Körper durch das Fasten insulinsensitiv bleibt, also noch gut auf das Hormon Insulin reagiert und keinen Diabetes entwickelt.

Man soll sich durch das Fasten auch leistungsfähiger und erholter fühlen.
Viele Menschen, die solche 16:8-Stunden- oder 5:2-Diäten machen – also zwei Tage in der Woche fasten –, sagen, dass sie sich fitter fühlen. Aber was dahintersteckt, wissen wir noch nicht genau. Und die Versuchstiere können wir nicht fragen, wie es ihnen geht.

Meine Eigenbeobachtung: Die Vormittage ohne Frühstück verlaufen gelinde gesagt recht energetisch. Und Kaffee wirkt stärker.
Dass Koffein stärker wirkt, hängt damit zusammen, dass es anderen Hormonen, die normalerweise nach der Nahrungsaufnahme ausgeschüttet werden, entgegenwirkt. Das hätte ich so ähnlich auch erwartet. Dadurch, dass der Körper nicht mit der Verdauung beschäftigt ist und seinen Parasympathikus, als den Teil des vegetativen Nervensystems der für Ruhe und Regeneration verantwortlich ist, nicht aktiviert hat, kommt sein Gegenspieler, der Sympathikus zum Zuge, der Aktivitäts- und Leistungssteigerung auslöst.

Andere sagen, dass sie durch diese Ernährungsweise auch besser schlafen.
Viele berichten tatsächlich, dass sie insgesamt einen bessern Lebensrhythmus haben – auch, dass sie besser schlafen und sich ausgeruhter fühlen.

Intervallfasten muss machbar bleiben, damit Personen nicht gleich wieder aufgeben.

Annette Schürmann

Aber doch nicht, wenn man um 21 Uhr noch isst?
Dazu gibt es keine eindeutige Antwort, da Menschen und ihr Stoffwechsel individuell sehr verschieden sind. Manche können spät abends essen und schlafen danach gut. Natürlich ist das 16:8-Regime noch effektiver, wenn man nachmittags um vier Uhr die letzte Mahlzeit zu sich nimmt und dann erst wieder frühstückt. Auch dabei entsteht eine Essenspause von 16 Stunden. Diese Strategie ist allerdings für viele Menschen nicht so einfach in ihrem Alltag umzusetzen. So fällt es vielen schwer, am Abend mit der Familie zusammen am Tisch zu sitzen und nichts essen zu dürfen. Intervallfasten muss machbar bleiben, damit Personen nicht gleich wieder aufgeben. Wenn es einem nichts ausmacht, am späteren Abend noch zu essen, vielleicht auch weil man noch lange gearbeitet hat und dann erst am nächsten späteren Mittag wieder etwas zu essen, ist das Ziel einer langen Essenspause erreicht. Ich selbst mache das nun auch seit einem Jahr – und fühle mich persönlich damit besser.

Bisher hieß es immer, dass das Frühstück die wichtigste Mahlzeit ist. Kann ich das nun einfach so weglassen?
Meiner Meinung nach ist das kein Problem. Es gibt zwar Studien, die besagen, dass Personen, die das Frühstück auslassen, eine geringere Lebenserwartung haben. Aber: diese epidemiologischen, also Beobachtungsstudien geben keine Informationen darüber, was das Weglassen des Frühstücks bedeutet. Wann haben die Betroffenen das letzte Mal etwas gegessen, und vor allem, wann wurde die nächste Mahlzeit zu sich genommen? Wer auf das Frühstück verzichtet und ein paar Stunden später ungesundes Fastfood isst, der muss natürlich mit Gesundheitsproblemen rechnen. Auch wurde in den Studien der Lebenswandel nicht beachtet. Häufig gehen Personen, die das Frühstück weglassen, erst sehr spät zu Bett, was erklären kann, weshalb sie morgens noch keinen Appetit haben.

Was soll man in den 16 Stunden zu sich nehmen, sieben oder acht verschläft man ohnehin, aber dann?
Nur kalorienfreie Getränke, also Wasser, Kaffee, Tee – aber keine Obst- und Gemüsesäfte, die enthalten Kohlenhydrate.

Keinen Apfel, keine Handvoll Nüsse?
Nein, gar nichts, denn sobald man irgendwelche Kalorien zu sich nimmt, egal ob Zucker, Fett oder Proteine, wird der Stoffwechsel stimuliert, der ja gedrosselt werden soll. Auch bei kleinen Snacks wird sofort Insulin ausgeschüttet und der ganze Prozess geht in Gang. Aber durch Trinken zwischendurch kann man den Heißhunger beruhigen.

Wie sollte ich mich dann in den acht Stunden der Essensphase ernähren?
Zwei bis drei Mahlzeiten sind gut, keine Snacks zwischendurch. Man sollte zwischen den Mahlzeiten eine Pause einlegen, rund drei Stunden, um den Magen wieder zu entleeren.

Und Sport?
Auf jeden Fall, das ist kein Problem. Natürlich ist das am besten in der Fastenphase, dann stimuliert man die Fettsäureoxydation noch stärker. Beim Sport hat man ohnehin kaum Hunger, er ist eine gute Ablenkung.

Warum sind täglichen Fastenintervalle überhaupt gesund?
Im Tierversuch hat sich gezeigt, dass Mäuse, die rund um die Uhr fressen, eher krank werden, als solche, die zwischendurch fasten mussten. Es geht dabei um Erkrankungen wie Fettsucht, Fettleber, Diabetes, aber auch Entzündungen.

Ist das auf den Menschen übertragbar?
Epidemiologische Studien bestätigen zumindest diese Aussagen. Auch Menschen, die häufig essen, zwischen den Mahlzeiten viele Snacks und gesüßte Getränke zu sich nehmen, haben ein höheres Risiko zuzunehmen, Herz-Kreislauferkrankungen zu bekommen und insulinresistent zu werden.

Das Intervallfasten soll die natürlichste Ernährungsform sein. Warum?
Eigentlich ist der menschliche Körper so programmiert, dass er Hungerperioden aushalten kann. In der früheren Menschheitsgeschichte gab es keinen kontinuierlichen Zugang zur Nahrung. Gegessen wurde nur nach der Jagd oder dem Sammeln. Und es gab natürlich auch jahreszeitliche Schwankungen. Im Sommer und Herbst war das Angebot groß, aber im Winter war die Nahrung knapp. Auf Zeiten ohne oder mit wenig Nahrung ist unser Organismus eigentlich immer noch eingestellt.

Ist das Intervallfasten denn eine Alternative zum eher anstrengenden Heilfasten über mehrere Tage?
Auf jeden Fall. Sie haben ähnliche gesundheitliche Vorzüge, wenn Sie täglich längere Essenspausen einlegen und dies über einen langen Zeitraum.

Und wie flexibel ist das Ganze, darf ich am Wochenende oder im Urlaub auch mal ausscheren?
Das hängt natürlich auch von ihrem Ziel ab. Wenn Sie kein Übergewicht haben oder Ihr Wunschgewicht erreicht haben und ihrem Körper – weiterhin – etwas Gutes tun wollen, ist es völlig ausreichend, wenn man das nur fünf oder sechs Tage die Woche macht – oder im Urlaub auch mal eine Auszeit nimmt. Urlaub vom Fasten sozusagen.

Letztlich kommt es sicher auch darauf an, was man isst?
Da gelten die gleichen Regeln wie sonst auch, möglichst wenig Fett und Zucker, dafür viel Gemüse und Obst. Fleisch und Fisch reichen auch ein- bis zweimal pro Woche aus.

Ist das Intervallfasten eher für bestimmte Altersgruppen zu empfehlen?
Für einen gesunden normalgewichtigen Menschen ist Intervallfasten gar nicht notwendig. Aber in der Lebensphase über 50 ist das Fasten interessant. Denn auch ein schlanker älterer Mensch ist nicht mehr so flexibel im Stoffwechsel, seine Insulinempfindlichkeit nimmt im Vergleich zu schlanken jungen Menschen ab. Leider ist es aber inzwischen so, dass auch junge Menschen zum Übergewicht neigen. Für die wäre Intervallfasten schon zu empfehlen, damit sie abnehmen.

Vielen Dank für das Gespräch. Ich freue mich jetzt schon auf das Abendessen. Ist das auch ein Effekt dieser Pausen?
Offenbar schon. Guten Appetit dann!

Das Gespräch führte Jan Kixmüller.

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