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Uni-Präsident Oliver Günther.

© Andreas Klaer

Interview mit dem Präsidenten der Universität Potsdam: „Noch einmal ein ganz großer Schritt voran“

Der Präsident der Universität Potsdam, Oliver Günther, über die gemeinsame Gesundheitswissenschaftliche Fakultät mit Cottbus und Neuruppin, neue Lehrer für das Land, eine Obergrenze der Studierendenzahl und die Bäume am Plattner-Campus in Griebnitzsee.

Herr Günther, im Mai soll die Gesundheitswissenschaftliche Fakultät gegründet werden. Wann kommen die ersten Studierenden?

Der Aufbau für die gemeinsame Fakultät der Universität Potsdam, der Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus-Senftenberg und der Medizinischen Hochschule Brandenburg in Neuruppin (MHB) wird zwei bis drei Jahre in Anspruch nehmen. Hintergrund war der Wunsch der brandenburgischen Politik, gesundheitswissenschaftliche Forschung und Lehre stärker im Land zu verankern und so auch die medizinische Versorgungssituation weiter zu verbessern. Erst einmal steht nun aber noch eine Grundsatzentscheidung des Landtags über die Finanzierung von Professuren an der MHB im April aus, bislang werden Privathochschulen durch das Land nicht gefördert. Der Landtagsbeschluss wäre hier eine entscheidende Weichenstellung.

Inwiefern?

Die Finanzierung ist für das Vorhaben eine wichtige Grundlage, denn gesundheitswissenschaftliche Professuren haben ihren Preis. Im konstruktiven Dialog mit dem Land sollen insgesamt bis zu 16 Professuren finanziert werden. Das müsste sich wenigstens auf durchschnittlichem universitären Niveau bewegen, also jährlich mindestens 500 000 Euro pro Professur. Inhaltlich sind wir schon recht weit, ein Entwurf für die Kooperationsvereinbarung liegt vor, auch für 16 Professuren haben wir schon mögliche inhaltliche Schwerpunkte im Blick. Der Gründungsdekan ist bereits gefunden.

Sie konnten einen namhaften Mediziner für das Vorhaben begeistern.

Wir haben bereits im letzten Jahr Joachim Dudenhausen für die Rolle des Gründungsbeauftragten gewinnen können. Professor Dudenhausen ist eine Lichtgestalt der deutschen Medizin, insbesondere als langjähriger Chefarzt für Geburtsmedizin und Dekan der Berliner Charité. Er wird mit Hilfe der bereits existierenden medizinischen und medizinnahen Professuren der beteiligten Hochschulen die Fakultät begründen. Die Berufung zum Gründungsdekan soll zusammen mit der Gründung der Fakultät stattfinden.

Wird man also auch in Brandenburg bald den medizinischen Doktor machen können?

Ja, so ist es. Die bereits an den beteiligten Hochschulen tätigen medizinischen Kolleginnen und Kollegen sowie natürlich auch die neu zu berufenden Mediziner werden diese Promotionen betreuen können. Die ärztliche Ausbildung verbleibt an der MHB, und an der neuen gemeinsamen Fakultät wird es dann möglich sein, zum Dr. med. oder zu dem forschungsintensiveren Dr. rer. medic. zu promovieren.

Wie positioniert man sich gegenüber der Berliner Medizin?

Auf jeden Fall nicht als Konkurrenzveranstaltung, sondern vielmehr als Ergänzung zu beiderseitigem Vorteil. Ich habe mich dazu mehrfach mit Charité-Vorstand Karl Max Einhäupl ausgetauscht. In kostspieligen medizinischen Disziplinen wird es keine Dopplung geben. So werden wir in der neuen Fakultät zum Beispiel keine Herzchirurgie haben. Wir werden vielmehr darauf achten, eine zu Berlin komplementäre Ausrichtung zu gestalten, die die spezifischen Bedarfe des Flächenlandes Brandenburg adressiert. Unsere Zielsetzung wird eine andere sein als in Berlin.

Nämlich?

Hier sollen Bereiche wie Medizin des Alterns, Pflegewissenschaften, Versorgungsforschung, Rehabilitationswissenschaften oder auch die Kardiologie und Physiologie eine zentrale Rolle spielen. Auch wird es um Fragen gehen, worin sich beispielsweise Krankheitsraten in Brandenburg von anderen Regionen unterscheiden, warum das so ist und was man etwa bei vergleichsweise größerer Ausbreitung einzelner Erkrankungen tun kann.

An welcher der drei Hochschulen wird die Fakultät angesiedelt?

An allen drei Hochschulen zugleich. Wir werden eine gemeinsame Einrichtung auf Grundlage des Landeshochschulgesetzes gründen, alle Beteiligten sind dabei gleichberechtigt und ziehen an einem Strang. Für die Potsdamer Universität ist es eine weitere Fakultät, insofern ist es für uns dann die siebte.

Wird es einen zentralen Campus geben?

Nein, das Studium wird sich auf die Standorte Cottbus, Neuruppin, Brandenburg/Havel und Potsdam verteilen – eine gewisse Mobilität wird also Voraussetzung für das Studium sein. Es geht ja auch darum, die medizinische Forschung und Lehre in die Fläche des Landes zu bringen. Insofern wäre ein zentraler Ansatz falsch. Potsdam wird mit sieben Professuren der größte der drei Standorte, Cottbus soll fünf bekommen, Neuruppin und Brandenburg vier.

Es soll auch mit Kliniken vor Ort kooperiert werden.

Das erfolgt jetzt bereits über die MHB. Die Hochschule holt Studierende ins Land, und wenn die nach dem Abschluss eine gewisse Zeit an den Trägerkliniken bleiben, gibt es einen Nachlass auf die Studiengebühren. Auch mit Potsdamer und Cottbusser Kliniken gibt es Kooperationen. Wir gehen zudem davon aus, dass die Fakultät aufgrund der Qualität der Forschung zusätzlich qualifizierte junge Menschen anziehen wird. Das ist verknüpft mit der Hoffnung, dass diese jungen Mediziner dann als Ärzte oder Forscher im Land bleiben.

Die Potsdamer Bereiche der Fakultät gehen nach Golm?

Zum Teil nach Golm, zum Teil nach Bergholz-Rehbrücke, Neubauten sind ja bereits in Planung. In Rehbrücke wird es enge Kooperationen mit den Ernährungswissenschaftlern der Uni und des Deutschen Instituts für Ernährungsforschung (DIfE) geben.

Mit wie vielen Studierenden rechnen Sie an der Fakultät?

In den kommenden ein bis zwei Jahren werden erst einmal die Berufungsverfahren laufen, dann werden die neuen Professuren darüber entscheiden, welche Studiengänge es geben soll. Davon hängt dann ab, wie viele Studierende es geben wird. Ich gehe davon aus, dass es am Ende in der gemeinsamen Fakultät mehrere Hundert Studierende werden, zusätzlich zu den bereits jetzt über 200 Studierenden der MHB.

An der im vergangenen Jahr an der Uni eingerichteten Fakultät für Digital Engineering wurde das Fach Digital Health etabliert. Sind hier Synergien absehbar?

Unbedingt. Wir setzen hier auf Querbeziehungen, auch sind Zweitmitgliedschaften in den Fakultäten denkbar. Das Thema E-Health spielt gerade in Brandenburg eine wichtige Rolle, auch hat die Gesundheitswirtschaft ein großes Interesse daran. In einem dünn besiedelten Flächenland ist der Bedarf an Telemedizin hoch. Der neu berufene Kollege in der Digital-Engineering-Fakultät Professor Erwin Böttinger ist Mediziner. Ich denke, hier werden sich Kooperationen ganz von selbst ergeben.

Welche Wirkkraft kann sich daraus für Brandenburg ergeben?

Eine starke Gesundheitswissenschaftliche Fakultät, die komplementär zu Berlin aufgestellt wird, dürfte im Flächenland Brandenburg wie ein Magnet wirken: Attraktion von Talent; junge Mediziner, Gesundheitswissenschaftler, Pflegeforscher kommen ins Land, um sich hier weiter zu qualifizieren und gegebenenfalls dann auch hierzubleiben und tätig zu werden. Das ist auch eine gute Investition in die Zukunft des Landes, was die Sichtbarkeit der Forschung betrifft, aber auch für den Nachwuchs und die gesundheitsrelevanten Dienstleistungen, die sich um eine solche Fakultät ergeben.

Sie sagten unlängst, die Uni Potsdam sei insgesamt auf dem Weg, zu den bedeutendsten Playern der deutschen Hochschullandschaft aufzuschließen. Aus dem Exzellenzwettbewerb ist sie allerdings in der ersten Runde bereits herausgefallen.

Der Misserfolg mit unserem Exzellenz-Cluster-Antrag hat in der Tat weh getan. Gleichwohl sind wir als Universität sehr gut vorangekommen und finden uns in allen relevanten Rankings auf vorderen Plätzen wieder. Im letzten Ranking der Humboldt-Stiftung zu Auslandskontakten lagen wir bundesweit auf Platz elf – das ist für eine Universität unserer Größe ein sehr gutes Ergebnis. Im Transfer gehören wir ohnehin seit mehreren Jahren zu den Top-5-Hochschulen bundesweit. Alles in allem sind wir nun da angekommen, wo ich vor sechs Jahren hinwollte, als ich Präsident der Universität wurde – nämlich direkt unterhalb der Exzellenzunis, und das mit mittelfristigem Potenzial, in diese Spitzengruppe aufzusteigen. Dabei können unsere beiden neuen Fakultäten mithelfen, daraus können neue Sonderforschungsbereiche hervorgehen, gerade die Themen Digitales und Gesundheit bringen größere Forschungsprojekte und Drittmittel hervor. Daraus erhoffen wir uns auch neue Impulse für die Universität insgesamt.

Das Land Brandenburg braucht dringend mehr Lehrer. Wie wird die Universität darauf reagieren?

Es wird in der Lehrerbildung mehr Studienplätze geben. Wir wachsen nun auf Grundlage der vom Landtag zugesagten Haushaltsaufwüchse auch bei den Studienplätzen. Bei der Ausfinanzierung der Plätze bewegen wir uns mit nun rund 6000 Euro pro Studierendem vom ehemals bundesweit letzten Platz langsam ins Mittelfeld hinein. Beim Lehramt werden wir wohl überproportional wachsen können. Gleichzeitig wollen wir die Betreuungsintensität bei den Studierenden verbessern, um sie zu einem erfolgreichen Abschluss zu bringen, ohne die Qualitätsmaßstäbe zu senken.

Auch Kunst- und Musiklehrer fehlen. Die Kunstpädagogik-Ausbildung an der Universität Potsdam wurde vor gut zehn Jahren abgewickelt. Ein Fehler?

Zu den Entscheidungen von damals kann ich nichts sagen. Aber Sie haben Recht, die fehlende Kunstpädagogik ist ein Manko. Wenn die finanziellen Voraussetzungen vorliegen, werden wir das Fach in Abstimmung mit dem Wissenschafts- und dem Bildungsministerium wieder einrichten. Und natürlich werden wir unsere herausragende Musikpädagogik weiterführen.

Zurzeit gibt es knapp über 20 000 Studierende, sind 25 000 die Obergrenze?

Die Zahl 25 000 hatten wir im vergangenen Jahr in die Diskussion gebracht, weil die Nachfrage nach unseren Studienplätzen ungebrochen hoch ist. Klar könnten wir viel mehr Studierende aufnehmen und so schnell wachsen. Aber 5000 Studierende mehr, das würde das Land über 30 Millionen Euro mehr im Jahr kosten – das ist kein Pappenstiel. In den neuen Hochschulverträgen werden wir in Abstimmung mit der Landesregierung quantitative Ziele definieren. Ein Aufwuchs von mehreren Hundert Studienplätzen ist in jedem Fall drin.

Die man auch erst einmal unterbringen muss.

Natürlich. Und man muss das Geld dann auch anlegen, neue Professuren ausschreiben, die Verwaltung ausbauen, schauen, wo noch gebaut werden kann. Zurzeit sind wir bereits auf allen vier Campi einschließlich Rehbrücke kräftig am Bauen. Auch in Griebnitzsee ist mehr Luft, als wir vor einiger Zeit noch dachten. Wofür leider auch der ein oder andere Baum weichen muss.

Wogegen sich anfänglich Widerstand geregt hat.

Das verstehe ich. Das ist ein Zielkonflikt. Aber wir beabsichtigen keinen Kahlschlag. Ich habe zusammen mit unserem guten Freund, dem Stifter Hasso Plattner, das Stichwort Waldcampus ins Gespräch gebracht. Am Griebnitzsee lässt sich eine Campuslandschaft nach Vorbild so mancher renommierten US-Universität schaffen. So entsteht ein sehr attraktiver Raum, der zum Verweilen einlädt und auch zur Erholung dient – sicherlich besser als die etwas verwilderte Baumvegetation derzeit. Ein Raum für die Anwohner und auch für Touristen. Und natürlich ein attraktiver Raum für unsere Studierenden – 4000 in der Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Fakultät, 2500 Juristen und bald über 1000 Studierende in der neuen Digital Engineering Fakultät.

Wann kommt die nächste Fakultät, gibt es schon Pläne?

Nein, ich denke wir sind nun rund. Der Aufwuchs der digitalen Themen stand im Raum und wurde dank Professor Plattner zügig möglich, aktuell werden sechs weitere Professuren zur Ausschreibung vorbereitet. Gesundheit ist ein Thema, das sich für Brandenburg angeboten hat und politisch stark gewünscht wurde. Beim Lehramt wollen wir quantitativ wie auch qualitativ ausbauen. Damit haben wir eine klare Agenda, die uns noch einmal einen ganz großen Schritt voranbringt.

Das Gespräch führte Jan Kixmüller

Oliver Günther (56) ist seit 2012 Präsident der Universität Potsdam. Der Wirtschaftsinformatiker war zuvor Dekan der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Humboldt-Uni Berlin. Im vergangenen Jahr ist er für eine zweite Amtszeit bis 2024 vom Senat der Universität wiedergewählt worden. Günther betrachte die Potsdamer Alma Mater mit rund 20 000 Studierenden als „recht große und forschungsstarke“ Universität. Die Stärken der Potsdamer Forschung sieht er unter anderem an der Schnittstelle von Geo- und Biowissenschaften, in den Kognitionswissenschaften, in der angewandten Mathematik und in der „innovativen“ Lehrerbildung und Bildungsforschung.

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