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Internetkonferenz re:publica: Neue "Hoff"-nung für die Netzgemeinde

Bei der Internetkonferenz re:publica in Berlin tritt David Hasselhoff als Botschafter für die digitale Freiheit auf. Über Edward Snowden fällt "The Hoff" ein ambivalentes Urteil - und räumt nebenbei mit einem hartnäckigen Mythos auf.

Am Ende kann er nicht anders. Der Druck ist zu groß. Als ein Besucher von sich aus die ersten Zeilen anstimmt, ist es vorbei: David Hasselhoff singt "I've been Looking for Freedom", und alle, die bis jetzt beblieben sind, scheinen zufrieden. Dabei wollte David Hasselhoff gar nicht singen, schließlich gehe es doch um eine "ernste Sache". Die Freiheit, die digitale Freiheit, um genauer zu sein. Der finnische Sponsor F-Secure hatte "The Hoff" als Redner für die Internetkonferenz re:publica in Berlin eingeladen, um mit ihm ein Manifest für digitale Freiheit ins Leben zu rufen. Hasselhoff würde somit eine Art Botschafter, und er hat seinen Job so schlecht nicht gemacht. Schließlich habe er Geheimnisse, die er bewahren wolle, gibt er auf Nachfrage zu. Ein Gerücht sei allerdings nur eine Mär - dass er mit seinem Hit den Fall der Mauer bewirkt habe. "Damit habe ich nichts zu tun", stellt er klar. Überhaupt gießt er den Gästen etwas Wasser in den Wein. Nicht was die Technik angeht. Schließlich nennt er als die drei größten Erfindungen: das Internet, Mobiltelefone und K.I.T.T., sein Auto aus "Knight Rider". Das konnte vor 30 Jahren schon allein fahren, und zu Hilfe hat er es über seine Uhr gerufen. "Das waren technische Vorhersagen", sagt Hasselhoff.

Hasselhoff über Snowden: "Die Zeit wird zeigen, wie wir ihn bewerten"

Aber Edward Snowden wollte er nicht als uneingeschränkten Held dastehen lassen. "Er ist ein zweischneidiges Schwert", sagte Hasselhoff. Einerseits habe er aufgeklärt und gezeigt, was die Geheimdienste machten, andererseits habe er auch Namen genannt und damit möglicherweise auch Menschen gefährdet. "Die Zeit wird zeigen, wie wir ihn bewerten", sagte er und erntete Stille. Immerhin keine Pfiffe - wo hier in einer Umfrage vermutlich 98 Prozent Asyl für Snwoden in Deutschland fordern würden. Aber das haben sie "The Hoff" verziehen, schließlich sagte er auch, dass er Nerds mag und sich freue, online ewig zu leben. "Meine Beerdigung gibt es dann auch online", kündigte er schonmal an.

Den ersten langanhaltenden Applaus des Tages gab es zuvor, als das Konterfei Snowdens an die Wand geworfen wurde. Nichts weniger als dauerhaftes Asyl in Deutschland fordert re:publica-Mitveranstalter Markus Beckedahl für den Whistleblower, der durch seine Zivilcourage so viel angestoßen habe. Beckedahl ist aufgebracht, ereifert sich in seiner Eröffnungsrede über die „kriminellen Geheimdienste, denen wir das Netz gemeinsam wieder entreißen müssen“. Und wundert sich über die Tatsache, dass die Bundesregierung das von Snowden enthüllte Material tatsächlich „immer noch für eine Machbarkeitsstudie“ halte, anstatt für das, was es eben nunmal sei: ein Skandal historischen Ausmaßes.

Bereits zum Grußwort zur re:publica ist die Halle 1 komplett überlaufen, sodass etliche Besucher auf dem Betonboden der Kreuzberger „Station“ Platz nehmen müssen. Ein bisschen Kirchentagsstimmung kommt auf, bloß dass hier die Technik funktioniert. Mehr als 7000 Teilnehmer werden in den kommenden drei Tagen bei dieser Messer erwartet, das wäre Rekord. Allein die Zahl der ehrenamtlichen Helfer sei in etwa so groß wie die gesamte Besucherzahl der Premierenkonferenz 2007, heißt es. Dank der Snowden-Enthüllungen hat sich auch der inhaltliche Fokus der re:publica verschoben. Unterhaltsame Quatschveranstaltungen gebe es weiterhin genug, verspricht Beckedahl, doch zumindest ein Fünftel aller Panels beschäftige sich ernsthaft mit netzpolitischen Themen. Zum Eröffnungstag wurden die Snowden-Vertraute Sarah Harrison sowie der Internetaktivist Jacob Appelbaum erwartet – außerdem Andy Bichlbaum und Mike Bonanno, besser bekannt als das Kommunikationsguerilla-Duo „The Yes Men“. Die beiden haben sich in der Vergangenheit mehrfach mit der US-Regierung und mächtigen Lobbygruppen angelegt, indem sie sich unter falschem Namen auf offizielle Konferenzen einschmuggelten und dort entlarvende Reden hielten.

Mitstreiter für Subversives gesucht

Auf der re:publica spielen sie keine Rollen, sondern präsentieren ihre neue Plattform Actionswitchboard.net, mit der sie künftig unterschiedliche Aktivisten und deren Projekte miteinander vernetzen wollen. Wer eine politische oder ökologische Kampagne plane, wer Mitstreiter für eine subversive Aktion suche, der könne auf Actionswitchboard.net fündig werden – im Grunde sei die Seite für alle Engagierten gedacht, die „nicht nur liken, sondern sich einmischen wollen“. Irritationen lösen die „Yes Men“ aus, als ein Zuhörer ihres Panels dazu aufruft, die neue Seite nur anonymisiert über den Umweg des Tor-Netzwerks aufzusuchen – um es den Geheimdiensten nicht allzu leicht zu machen, alle Verbindungsdaten abzuschöpfen. Ja klar, antwortete Andy Bichlbaum, das sei im Prinzip richtig. Und bekannte dann aber Ungeheuerliches: Sie selbst verschlüsselten nie ihre Mails!

Umso mehr seien sie überrascht, dass ihre Aktionen nicht im Vorfeld aufflögen. Bichlbaum glaubt, dies liege an der Inkompetenz der Überwachenden. Selbst bei einer Aktion in der vergangenen Woche, in der Bichlbaum und Bonanno eine hochgesicherte Konferenz von „Homeland Security“ in Washington unterwanderten, seien sie nicht gestoppt worden. Ganz im Gegenteil: Sie konnten die Teilnehmer, vornehmlich Lobbyisten der Sicherheitsbranche, eine ganze Stunde lang an der Nase herumführen und diese dann schließlich sogar überreden, noch einen frei erfundenen Indianer-Kreistanz auszuprobieren. Das Beweisvideo lieferten die „Yes Men“ in Berlin auf der Konferenz gleich mit, Andy Bichlbaum trägt darin eine schlecht sitzende Perücke. Wie sie es überhaupt auf diese Veranstaltung geschafft hätten? „Wir haben denen einfach erzählt, Colin Powell würde kommen. Wir haben ihn dann vertreten.“ Dass die „Yes Men“ trotz Verzichts auf jegliche Mailverschlüsselungstechnik derart großen Unfug treiben können, macht einige re-publica-Besucher misstrauisch. Ein böser Verdacht kommt auf: Sind die „Yes Men“ am Ende vom US-Geheimdienst bezahlt und wurden geschickt, um die Netzaktivisten in falscher Sicherheit zu wiegen?

http://re-publica.de/

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