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@Ichbinhier: „Wir kapitulieren nicht!“

Hannes Leys Gruppe #Ichbinhier geht auf Facebook mit sachlichen Beiträgen gegen Hasskommentare vor. Ein Interview.

Herr Ley, Sie haben #Ichbinhier im Dezember 2016 gegründet. Was hat sich seitdem verändert?

Ganz radikale Kommentare sehe ich immer seltener. Die Leute wissen, dass Sätze wie „Knallt die gottverdammte Niggerbande einfach ab“ strafrechtlich relevant sind und dass Facebook schneller dazu gebracht werden kann, IP-Adressen herauszugeben. Mittlerweile hat sich eine ironische oder auch sarkastische Sprache verbreitet. Beim Thema Flüchtlinge wird von „Kulturbereichern“, „Goldstückchen“ oder im extremen Fall von „Rapefugees“ gesprochen. Im Zuge des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes werden scheinbar mehr Kommentare gelöscht. Man kann aber kaum sagen, ob durch Facebook oder die Seitenbetreiber selbst.

Hat sich seitdem die Arbeitsweise Ihrer Gruppe verändert?

Bei den Shitstorms gegen den Kinderkanal und gegen den Bürgermeister von Kandel, wo ein Mädchen mutmaßlich von seinem Ex-Freund erstochen wurde, haben wir uns gezielt eingeschaltet. Anschließend haben wir die Daten aus den Kommentarspalten ausgewertet, die Facebook zur Verfügung stellt. Anhand der Daten konnte man bis zum 6. Februar 2018 ganz legal herausfiltern und analysieren, welche politischen Kräfte dort mit größter Wahrscheinlichkeit den Shitstorm initialisiert und durchgeführt haben. Beim Kika-Shitstorm haben wir gesehen: Innerhalb von drei, vier Stunden füllte sich die Kommentarspalte, es wurden Kommentare von Menschen geschrieben und geliket, die normalerweise Beiträge der Identitären, der AfD und der FPÖ liken. Einzig und allein mit der Absicht, den Kika und andere Kommentatoren fertigzumachen.

Was bedeutet das für Ihre Mitglieder?

Dadurch, dass diese Leute wie wir auch gezielt in die Kommentarspalten einsteigen, entwickelt sich leider oft ein Lagerkampf. Das ist etwas, das ich nie wollte. Es ist für unsere Mitglieder wahnsinnig schwer, nicht in eine Verteidigungshaltung zu geraten, wenn wir massiv beschimpft werden als „Realitätsverweigerer“ oder „Merkeljünger“.

Was wollen Sie erreichen?

Es ist nicht unser Ziel, Rechte zu überzeugen. Wir wollen den Mitlesern zeigen, dass man Diskussionen auch freundlich führen und Kritik auch sachlich und konstruktiv äußern kann. Damit sie sich nicht radikalisieren und genauso heftig ihre Emotionen verbreiten.

Zu Beginn Ihres Projekts nannten Sie die Facebook-Kommentarspalten von „Focus Online“ und „Bild“ als Beispiele, wo besonders radikal gepostet werde.

Die „Bild“ dreht sich gerade. Deren Social-Media-Redakteure nehmen uns in den Kommentarspalten in Schutz. Das hätte ich nicht erwartet. Sie moderieren mittlerweile sogar die Seite, indem sie sich äußern. Das ist ein absolutes Novum. „Focus Online“ macht das nach wie vor nicht, sondern arbeitet weiterhin ausschließlich mit einer Filtersoftware, die bestimmte Begriffe herausfiltert. Anhand dieser Vorselektion können die Redakteure die Kommentare freigeben oder löschen. In diesen unmoderierten Kommentarspalten läuft die Diskussion oft völlig aus dem Ruder. Wir gehen dort schon gar nicht mehr rein, weil es unsere Leute frustriert.

Sie haben vor den Kommentaren bei Focus Online kapituliert?

Wir kapitulieren nicht, wir wollen nur nicht ständig die Arbeit anderer machen. Die Redaktion lässt permanent zu, dass gegen ihre eigene Netiquette, ihre Kommentar-Verhaltensregeln, verstoßen wird. Das ist für mich der Mindeststandard: Die Redaktionen sollen wenigstens ihre Netiquette einhalten.

Auch Facebook ist beim Thema Hatespeech in der Pflicht. Das Unternehmen fordert seine Nutzer dazu auf, Hasskommentare zu melden.

Das ist ein Feigenblatt. Facebook müsste mehrere Millionen Euro in die Hand nehmen und dafür sorgen, dass bestimmte Bilder nicht mehr hochgeladen oder sofort gelöscht werden. Bei Nacktbildern klappt das ja auch. Wir melden zwar aktiv Beiträge bei Facebook. Allerdings wissen selbst unsere Mitglieder oft nicht genau, was strafrechtlich relevant ist oder nicht, sodass zu viel gemeldet wird.

Das Gespräch führte Sophie Krause.

Hannes Ley ist Strategieberater für digitale Kommunikation, Gründer der Facebook-Gruppe #Ichbinhier mit fast 37 000 Teilnehmern. Sie hat 2017 den Grimme Online Award gewonnen. Am 19. Februar erschien sein Buch "#Ichbinhier - Zusammen gegen Fake News und Hass im Netz".

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