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Höherer Frauenanteil beim Informatikstudium: Mehr Frauen studieren im Master Wirtschaftsinformatik

Für den neuen Masterstudiengang Wirtschaftsinformatik an der Universität Potsdam haben sich ungewöhnlich viele Frauen beworben. Lehrstuhlinhaber Key Pousttchi verrät, wie es dazu kam.

Potsdam - Die Informatik hat den Ruf, keinen besonders hohen Frauenanteil zu haben. Die Zahlen bestätigen das: Laut Statistischem Bundesamt sind im Schnitt nur 18 Prozent der Informatik-Studierenden in Deutschland weiblich. Dass es auch anders geht, zeigt aktuell der Masterstudiengang „Wirtschaftsinformatik und digitale Transformation“, der neuerdings an der Universität Potsdam angeboten wird: Aus dem Stand bewarben sich 41 Prozent Frauen, mehr als das Doppelte als in vergleichbaren Studiengängen. „Und das ist immer noch unterdurchschnittlich, schließlich besteht unsere Gesellschaft zu 50 Prozent aus Frauen“, sagt Key Pousttchi.

Der Inhaber des Lehrstuhls für Wirtschaftsinformatik und Digitalisierung an der Universität Potsdam ist maßgeblich verantwortlich für den erstaunlich hohen Frauenanteil des neuen Studiengangs. Dabei ist der ehemalige Bundeswehroffizier nicht unbedingt das, was man sich unter einem Feministen vorstellt: Er spricht konsequent von „Studenten“, nicht von „Studierenden“, und sieht Frauen in Führungsebenen der Bundeswehr kritisch. Aber wenn es um Dinge wie Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik geht, dann gibt es laut Pousttchi keinen Grund, warum Männer dafür besser geeignet sein sollten als Frauen: „Da gibt es keinen Unterschied zwischen den Geschlechtern. Nicht selten sind Frauen sogar die besseren Studenten – wenn sie sich etwas vorgenommen haben, dann ziehen sie das oft disziplinierter durch als Männer.“

"Frauen wollen sicher sein, dass sie das schaffen können.“

Doch wie haben Pousttchi und seine Mitarbeiter es geschafft, so viele Frauen für den Masterstudiengang zu interessieren? Durch zielgerichtete Werbung: „Zum einen haben wir Leute in anderen Hochschulen in Deutschland kontaktiert, die dann ein paar Plakate für den Studiengang auf den richtigen Fluren aufgehängt haben“, sagt Pousttchi. „Zum anderen sind wir gezielt in Facebook-Foren und -Gruppen gegangen, in denen sich Studenten bestimmter Jahrgänge organisieren und haben da jeweils einmal unser Angebot gepostet – wir haben nicht übertrieben Werbung dafür gemacht.“

Das Entscheidende sei jedoch die Ansprache dieser Werbung gewesen: „Männer und Frauen ticken nicht gleich“, sagt Pousttchi. „Man muss Frauen viel klarer sagen, was auf sie zukommt, sie müssen wissen, was die Anforderungen sind und wann die zu schaffen sind. Frauen wollen sicher sein, dass sie das schaffen können.“ Zudem beherzigte Pousttchi einen Tipp, den er einst von einem ehemaligen Dekan der TU München erhalten hat: „Du musst dir die besten Leute suchen und ihnen dann komplette Freiheit lassen. Das ist etwas, was Frauen cool finden.“

Der Studiengang ist interdisziplinär angelegt

Die Universität Potsdam bietet als erste Hochschule in Deutschland seit dem Wintersemester 2017/18 den Masterstudiengang „Wirtschaftsinformatik und digitale Transformation“ an, der den alten Masterstudiengang „Wirtschaftsinformatik“ ablöst. Inhaltlich soll sich der Studiengang vor allem mit den Herausforderungen des digitalen Wandels in der Gesellschaft beschäftigen und die Studierenden dafür ausbilden, diesen mitzugestalten. Der Studiengang ist daher stark interdisziplinär angelegt und hat neben der Informatik auch Schnittstellen zu den Fächern BWL und Verwaltungswissenschaft. Da Technik und Informatik immer mehr Teile von Politik, Wirtschaft und Gesellschaft beeinflussen, soll der Studiengang unter anderem vermitteln, wie neue Technologien in Unternehmen oder Organisationen eingeführt werden können oder wie Produkte besser digital vermarktet werden können.

Der Masterstudiengang ist so aufgebaut, dass im ersten Semester eine anspruchsvolle Grundlagenausbildung vermittelt wird, in den folgenden Semestern aber große Wahlfreiheit herrscht. „Man kann sich danach sehr frei entscheiden, ob man eher in Richtung Technik, BWL oder Politik geht, das ist ein guter Ansatz“, meint Clementine Bertheau. Die 24-Jährige gehört zu den Studentinnen, die seit dem Herbst „Wirtschaftsinformatik und digitale Transformation“ studieren. Sie selbst sagt von sich, vor dem Studium keinen technischen Background gehabt zu haben: „Im Abitur wäre ich nie auf die Idee gekommen, Informatik als Wahlfach zu nehmen.“

Auch in Zukunft sollen mehr Frauen Informatik studieren

Clementine Bertheau hatte in Lüneburg das „Studium Individuale“ mit dem Nebenfach „Electronic Business“" belegt und ist nun in ihre alte Heimat Potsdam zurückgekehrt. Sie ist durch eine Google-Suche auf den neuen Masterstudiengang aufmerksam geworden, sagt Bertheau: „Mir gefiel, dass der Studiengang sehr offen und interdisziplinär gehalten ist, das fand ich sympathisch.“

Von diesen Faktoren war Pousttchi von Anfang an überzeugt. Andere waren das allerdings nicht: „Glauben Sie nur nicht, irgendjemand hätte uns geholfen“, sagt Pousttchi. Er hatte zuvor die Bundesministerien für Arbeit, Bildung und Wirtschaft angeschrieben und gefragt, ob sie den Studiengang in den sozialen Netzwerken teilen könnten – ohne Resonanz. Auch Kontaktaufnahmen mit einzelnen Politikern und Journalisten verliefen wenig erfolgreich – also machte man sich notgedrungen daran, das Angebot auf eigene Faust zu bewerben. „Das war sehr viel Arbeit“, sagt Pousttchi.

Arbeit, die in Zukunft weniger nötig sein wird, erwartet Clementine Bertheau: Sie geht davon aus, dass Informatik-Studiengänge in den kommenden Jahren weniger von Männer dominiert sein werden. Schließlich würden auch Mädchen heute mit Smartphones und iPads aufwachsen. „Dadurch verstärkt sich auch deren Affinität zu Themen wie Informatik“.

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HINTERGRUND: USA-Stipendien für Informatikerinnen

Für die weltweit größte IT-Konferenz für Frauen vergibt das Hasso-Plattner-Institut (HPI) erneut Reisestipendien an Informatik-Studentinnen. Entscheidend bei der Auswahl der Stipendiatinnen sind laut HPI ihre Leistungsstärke, ihr Engagement und ihr Potenzial. Die renommierte „Grace Hopper Celebration“ findet in diesem Jahr vom 26. bis 28. September in Houston (Texas) statt. Noch bis 17. Juni können sich Nachwuchsinformatikerinnen, die an einer deutschen Hochschule studieren, bewerben (im Internet unter: http://bit.ly/gracehopper2018). „Frauen sind in Informatik-Studiengängen und -Berufen noch immer unterrepräsentiert, dabei ist der Bedarf an exzellenten IT-Expertinnen und -Experten weltweit so hoch wie nie“, erklärte HPI-Direktor Christoph Meinel. Mit der Vergabe der Stipendien wolle man jungen Informatikerinnen die Chance bieten, sich auf internationalem Parkett mit Frauen, die in der IT tätig sind, auszutauschen und renommierte Branchenvertreterinnen zu treffen. Kix

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