zum Hauptinhalt
Immer verfügbar. Viele holen sich alle Infos über mobile Geräte.

©  F. v. Erichsen/dpa

Hatespeech im Internet: Potsdamer Wissenschaftler diskutieren über digitalen Hass

Der Ton ist rauer geworden: Potsdamer Wissenschaftler diskutieren über die Verrohung des digitalen und öffentlichen Diskurses.

Potsdam - Eigentlich sei Facebook eine Quasselbude und kein ernst zu nehmendes Medium, meint Eric Mülling, der an der Universität Potsdam digitale Medien erforscht. Das gelte eigentlich auch für die anderen digitalen Medien: Twitter, WhatsApp, Instagram. Die Diskutanten der Gesprächsrunde, zu der die Friedrich-Ebert-Stiftung Potsdam jüngst eingeladen hatte, waren sich einig: Digitale Medien haben journalistische Informationsangebote und entsprechende Websites zwar mittlerweile nahezu an Bedeutung verdrängt. Aber damit einher geht eine Verrohung des digitalen und öffentlichen Diskurses. Hintergrund sei die permanente Verfügbarkeit von Informationen über mobile Geräte: Der jeweilige Nutzer könne sich stets von der Richtigkeit seiner eigenen Meinung überzeugen, ohne andere Argumente auch nur wahrnehmen zu müssen, so Jan Distelmeyer, Medienwissenschaftler an der Fachhochschule Potsdam. Gemeint sind selbstreferentielle Echoräume, in denen nur Nachrichten und Inhalte, die der eigenen Meinung entsprechen, angezeigt werden.

Zoe Beck: "Die Dämme des Anstands sind gebrochen"

Die gesellschaftliche Stimmung und der Ton, in dem öffentlich diskutiert werde, habe sich gewandelt und sei rauer geworden, so die Brandenburger Landtagsabgeordnete Inka Gossmann-Reetz (SPD). Die Schriftstellerin Zoe Beck meint, dass die „Dämme des Anstands gebrochen“ sind. Häufig werde sie Gegenstand von Hass-Mails, diffamierenden Kommentaren auf Facebook und anderen beleidigenden Kommentaren, wenn sie sich öffentlich, beispielsweise als Kolumnistin äußere, stellt sie fest. Die Schriftstellerin hat eine eigene Taktik entwickelt: „Ich habe mir da einige Regeln gegeben. Erst antworte ich höflich und sachlich, aber wenn das nichts hilft, blockiere ich die entsprechenden Absender“, so Beck. Denn zumeist äußerten sich doch immer wieder die gleichen Personen, die sich durch Argumente nicht beeindrucken ließen.

Themen wie Flüchtlinge, Feminismus, Gleichberechtigung seien Garanten für entsprechende Ausfälligkeiten. Es stelle sich die Frage, ob tatsächlich entsprechende Diffamierungen zugenommen haben oder ob diese nur viel deutlicher wahrgenommen würden, gibt Mülling zu bedenken. Denn was früher möglicherweise am Stammtisch oder hinter vorgehaltener Hand geäußert worden sei, werde mittlerweile mit Klarnamen über digitale Medien flächendeckend kommuniziert. Dabei liege die Gefahr der digitalen Medien darin, eine „geschlossene Echokammer“ zu bilden, in der sich der jeweilige Nutzer ausschließlich unter Gleichgesinnten und auf Kanälen bewegt, die seine Meinung bestätigten. So finde dann eben keine Information, sondern undifferenzierte Meinungsmache statt. „Die digitale Euphorie ist dahin. Wir als Nutzer sind alle freiwillige Mitarbeiter der Medienkonzerne“, konstatiert Distelmeyer. Facebook profitiere von Streitereien und Stimmungsmache, denn genau dies befördere die Klickzahlen und die seien bares Geld für den Konzern. Dementsprechend ignoriere der Konzern auch gerne Beschwerden der Nutzer über beleidigende Kommentare, so Reetz. Eine aktuelle Studie, die Justizminister Heiko Maas (SPD) zur Vorbereitung eines Gesetzes hat erarbeiten lassen, kommt zu dem Ergebnis, dass Facebook nur 39 Prozent der gemeldeten strafbaren Inhalt löscht. Twitter löscht nur eine Meldung von hundert.

Richterliche Anordnungen laufen ins Leere

Fraglich sei allerdings, wie den global agierenden Großunternehmen beizukommen ist, sagt Reetz. Häufig verfügen sie über keine zustell- und ladungsfähige Adresse im Inland. Richterliche Anordnungen und Verfügungen laufen dann ins Leere. Auch behaupteten die Portale, sie seien nur Anbieter einer Austauschplattform und hätten keine Kontrolle über den Inhalt. Das sei unzutreffend, sagt Reetz, denn offenkundig nehme Facebook sehr wohl eine Auswahl vor. Dies gelte sowohl für die Auswahl der Nutzer, für welche der jeweilige Beitrag sichtbar werde, wie auch für die Löschung von vermeintlich sexuell konnotierten Informationen.

Der nun ausgearbeitete Gesetzesentwurf von Heiko Maas sieht vor, dass strafbare Inhalte von den entsprechenden Plattformen innerhalb von 24 Stunden gelöscht werden müssen, dass die Konzerne über einen Ansprechpartner im Inland verfügen und vierteljährlich einen Bericht über ihre Aktivitäten abliefern müssen. Auch Reetz war kürzlich Ziel wütender Kommentare geworden, als ihr Redebeitrag in einer Diskussion verkürzt und missverständlich publiziert worden war. Wenn globale Großunternehmen mit nationalen juristischen Mitteln nicht zu greifen seien, so sei dies hochproblematisch, sagt Reetz. Zoe Beck hat die Hoffnung, dass der öffentliche Diskurs langfristig wieder mit mehr Respekt geführt werde, denn: „Wir, also diejenigen, die sachlich und höflich diskutieren wollen, sind die Mehrheit.“ 

Richard Rabensaat

Zur Startseite