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Like Ice in the Sunshine. Die Eisbedeckung der Arktis nimmt Jahr für Jahr mehr ab (Markierung zeigt normale Ausdehnung) .

© dapd/ NASA Goddard Space Flight Center

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Regionale Klimaänderungen: Forschungsverbund „Reklim“ legt erste Ergebnisse vor

Die neuesten Daten aus der Arktis sind alarmierend. Was sich in den vergangenen Wochen bereits angedeutet hat, haben Wissenschaftler nun bestätigen können: 2012 wird die Eisbedeckung in der Arktis noch wesentlich stärker zurückgehen als im Rekordjahr 2007. Die Forscher können seit 1978 eine stetige Abnahme der im Sommer antauenden Eismasse beobachten, im Schnitt ein Rückgang um elf Prozent pro Dekade. Hochgerechnet werde die Arktis in den Sommermonaten ab 2070 komplett eisfrei sein, erklärte am Montag Peter Lemke vom Alfred Wegener Institut für Polar und Meeresforschung (AWI). Auf dem aktuellen Satellitenbild erscheinen am 1. September bereits beide Passagen durch das Nordpolarmeer eisfrei. Was für die Schifffahrt als verheißungsvolle Herausforderung erscheint, sei für die Ökosysteme eine Katastrophe, sagte Lemke auf der Potsdamer Konferenz des vor drei Jahren gegründeten Forschungsverbundes „Reklim“ (Regionale Klimaänderungen). Zwei Tage lang standen lokale Auswirkungen des Klimawandels im Mittelpunkt des Treffens auf dem Potsdamer Telegrafenberg.

Entwarnung konnte keiner der Erdsystem- und Klimaforscher geben, die sich auf Einladung des GeoForschungsZentrums (GFZ) und des AWI Potsdam trafen. Zumal die weltweiten Emissionen an Treibhausgasen sich mittlerweile an den schlimmsten Befürchtungen des Weltklimarates IPCC entlanghangeln. Der Blick von oben spricht Bände. Der Meeresspiegel steigt nach Satellitenmessungen des GFZ mittlerweile um rund 3,3 Millimeter pro Jahr, dieser Trend steigere sich in jedem Jahr um weitere 0,07 Millimeter. Der grönländische Eisschild verliere weiter an Masse und trage damit pro Jahr etwa um 0,7 Millimeter zu dem Anstieg bei.

Allerdings sind es gerade die Erdwissenschaften, die immer wieder auch einen differenzierten Blick auf das Geschehen anmahnen. So kann etwa GFZ-Forscher Torsten Sachs berichten, dass der Permafrostboden der nördlichen Hemisphäre nachweislich auftaut. Das dabei frei werdende Methan ist ein noch stärkeres Treibhausgas als Kohlendioxid, es könnte den Klimawandel weiter anfeuern. Doch was mit den insgesamt über 1600 Gigatonnen Kohlenstoff, die in dem bis zu 1500 Meter tief gefrorenen Boden stecken, nach dem Auftauen passiert, wissen die Forscher noch nicht. Kommt es zur Versumpfung, zu Reaktionen mit Mikroorganismen, ändert sich die Vegetation oder gibt es gar einen Ausgleich der Emission andernorts? Vor diesem Hintergrund reagiert der Forscher genervt auf Medienberichte von der „Klimabombe Permafrost“. Weder wisse man, wie sich das Methan genau verhalten wird, noch wie viel derzeit ausströmt. Erste Messungen mit Flugzeugen haben gerade erst begonnen, die wenigen Bodenstationen geben kein genaues Bild, Referenzwerte fehlen. Außerdem handele es sich um ein langsames Abtauen. „Dabei kommt nicht alles auf einmal hoch.“

Mit kurzfristigeren Effekten hat es GFZ-Forscher Knut Kaiser zu tun, der sich mit dem Wasserhaushalt in Nordostdeutschland beschäftigt (s.u.). Sein Fazit: Mit Ausnahme der beiden feuchten Jahre 2011/12 hat der Grundwasserspiegel in Brandenburg seit 1981 stetig abgenommen. „Es gibt keinen Grund zur Entwarnung, das wird sich bis 2040/50 weiter verschärfen“, schätzt Kaiser. Ein klares Signal an die Politik: Maßnahmen zur Wasserrückhaltung seien in Nordostdeutschland dringend nötig. Einschätzungen, Maßnahmen und Strategien sind es dann ja auch, die sich die Politik von dem Forschungsverbund der Helmholtz-Gemeinschaft erhofft, wie Brandenburgs Wissenschaftsministerin Sabine Kunst (parteilos) auf der Tagung betonte.

Dass der menschliche Einfluss durch die starke Nutzung fossiler Energie- und Rohstoffe der Hauptfaktor des aktuellen Klimawandels ist, steht für GFZ-Vorstand Reinhard F. Hüttl fest. Der Mensch sei zum Geofaktor geworden, weshalb die Erdsystemforscher zunehmend das System Erde-Mensch als Ganzes betrachten. „Wir wissen aber auch, dass es daneben die natürlichen Faktoren gibt. Diese Kombination richtig einzuschätzen ist zentral“, so Hüttl. Dazu werfen die Geoforscher beispielsweise einen Blick in die Klimageschichte. Mithilfe von Bohrkernen lässt sich nachvollziehen, dass es auch ohne Beteiligung des Menschen bereits sehr abrupte Klimaänderungen gegeben hat. So ereignete sich nach Erkenntnis von Achim Brauer vor etwa 2700 Jahren ein Umschwung von warm-trockenen Klima zu feucht-kalter Witterung – in gerade mal acht Jahren. Vermutlich sei eine Veränderung der Sonnenaktivität damals der Auslöser dafür gewesen.

Verringerung der Treibhausgasemissionen und Anpassung an die Folgen des Klimawandels werden nun ins Zentrum der Forschungstätigkeiten gerückt, so Hüttl. Wobei man sich nicht von Horrormeldungen leiten lassen sollte, wie AWI-Direktorin Karin Lochte anmerkte. „Den Propheten des Untergangs hört man im besten Fall nicht zu, im schlimmsten Fall werden sie gesteinigt.“ Es sei nun wichtiger, an Lösungen des Problems zu arbeiten.

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