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Homepage: Gedächtnis der Physik

Zum Tode von Prof. Hans-Jürgen Treder

Hans-Jürgen Treder, langjähriger Direktor des Zentralinstituts für Astrophysik in Potsdam, ist am 18. November im Alter von 78 Jahren verstorben. Mit ihm ist ein Teil des Gedächtnisses der Physik verlorengegangen. Treder hat in den fünfziger Jahren, zu einer Zeit, in der die einheitliche Feldtheorie heftig diskutiert wurde, an der Humboldt-Universität Physik und Philosophie studiert. Er hat sich mit der Entdeckung einer Kraft, die in der einheitlichen Feldtheorie Einsteins auftritt und erstaunlicherweise nicht mit der Distanz schwächer wird, einen Namen gemacht.

Die Probleme der unitären Feldtheorie haben ihn später zu vielen neuen Ansätzen geführt, die weniger der mathematischen Ausarbeitung als vielmehr der Untersuchung der Tragkraft der physikalischen Prinzipien galten. Erinnert werden muss ebenso an seine Arbeiten zum Singularitätenproblem der Allgemeinen Relativitätstheorie, zur Beziehung zwischen Quantentheorie und Gravitationstheorie, zur Bedeutung des Machschen Prinzips und zur Suche nach Formen für die Allgemeine Relativitätstheorie, die es gestatten, ihre Grundlagen zu hinterfragen.

An diese Seite seines Wirkens werden sich all diejenigen erinnern, die mit ihm unmittelbar zusammengearbeitet haben. Allen aber wird im Gedächtnis bleiben, wie schnell er auch Probleme erfasste, die seine eigene Arbeit nicht direkt betrafen, wie schnell er gerade zu grundlegenden Problemen fruchtbringende Fragen und Ideen hatte. Voller Bewunderung werden wir uns daran erinnern, wie unglaublich groß seine Kenntnis gerade der älteren Literatur war. Immer wieder zeigte er uns, dass unsere Ideen so neu nicht waren, wie sie zunächst zu sein schienen.

Im Vortrag war Hans-Jürgen Treder beispiellos. Technik und Tafelbild verachtend, zog er seine Zuhörer auch dann in seinen Bann, wenn ihnen das Verständnis zu entschwinden drohte. Er sprach, auf und ab gehend, immer etwas nachdenklich, jederzeit frei und hinreißend. Hans-Jürgen Treder hatte schon in jungen Jahren einen Ruf, der es ihm ermöglichte, 1965 eine hochrangige internationale wissenschaftliche Konferenz zum 50. Jahrestag der Allgemeinen Relativitätstheorie in Berlin zu veranstalten. Er wurde 1966 Professor mit Lehrauftrag an der Humboldt-Universität zu Berlin und Mitglied der Deutschen Akademie der Wissenschaften zu Berlin, an deren Institut für Reine Mathematik er damals arbeitete.

Ende 1966 wurde Hans-Jürgen Treder Direktor der Sternwarte Babelsberg, die sich mit ihm als Institut für relativistische und extragalaktische Forschung konstituierte. In den folgenden Jahren der Akademiereform sammelten sich unter seiner Leitung alle nicht universitär gebundenen astronomischen Institute der DDR im Zentralinstitut für Astrophysik, das auch die Arbeitsgruppe „Theorie kosmischer Magnetfelder“ aus Jena aufnahm. Treders Entschluss, das Institut auf die beiden Säulen Gravitationstheorie und Magnetohydrodynamik zu gründen, war so tragfähig, dass diese Konstruktion später nicht nur Evaluierungen bestand, sondern bis in das heutige Astrophysikalische Institut Potsdam fortwirkt. 1979 gelang es ihm, das Sommerhaus Einsteins im Einvernehmen mit Einsteins Nachlassverwalter Otto Nathan zu restaurieren und als Begegnungsstätte für Wissenschaftler einzurichten.

Hans-Jürgen Treder hat mit Souveränität Eingriffe in die wissenschaftliche Arbeit und in die Anerkennung wissenschaftlicher Leistung verhindert. 1982 übergab er die Leitung des Zentralinstituts an seinen Nachfolger Karl-Heinz Schmidt und beschränkte sich auf die Leitung des Einstein-Laboratoriums Potsdam/Caputh. Dies ermöglichte ihm, trotz problematischer Gesundheit aktiv zu bleiben. Das wurde zudem seinen Verdiensten gerecht, die er sich um das Sommerhaus Einsteins erworben hatte. Es ist ein glückliches Schicksal, schrieb Einstein einmal, wenn man bis zum letzten Schnaufer durch die Arbeit fasziniert wird. Hans-Jürgen Treder war es vergönnt.

Der Autor ist Wissenschaftler am Astrophysikalischen Institut Potsdam.

Dierck-E. Liebscher

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