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Update

Fünf Jahre Jüdische Theologie Potsdam: In Europa ein einmaliges Fach

An der Universität Potsdam wurde vor fünf Jahren das Studienfach Jüdische Theologie eingerichtet. Mittlerweile sind 35 Absolventen als Rabbiner und Kantoren in neun Länder gegangen.

Potsdam - Als im November 2013 an der Potsdamer Universität die School of Jewish Theology eröffnet wurde, war das für das deutsche Judentum ein einmaliger Schritt. Denn erstmals überhaupt wurde an einer staatlichen deutschen Hochschule die Jüdische Theologie als eigenständige Disziplin fest verankert, auf Augenhöhe mit der christlichen und islamischen Theologie. Ähnliche Vorgängereinrichtungen, die in der Zeit des Nationalsozialismus geschlossen worden waren, waren allesamt privater Natur. Somit erfüllte sich nach fast zweihundert Jahren in Potsdam die Forderung nach der Gleichberechtigung der jüdischen Theologie in Deutschland. Durch eine Bündelung der Ressourcen war vor fünf Jahren an der Universität die erste fakultätsähnliche jüdisch-theologische Einrichtung der deutschen Universitätsgeschichte entstanden. 

Gleichstellung mit den anderen Theologien

Am diesem Montag wird das fünfjährige Bestehen mit einem Festakt im Museum Barberini begangen. Die religionspolitische Sprecherin der SPD im Landtag Brandenburg, Klara Geywitz, wird für „ihre herausragenden Verdienste" für die Errichtung des Fachs Jüdische Theologie an der Universität Potsdam und damit der Gleichstellung der akademischen Rabbinerausbildung mit den Theologien an deutschen Hochschulen mit  der Abraham-Geiger-Plakette geehrt.
Gegenwärtig sind an der School of Jewish Theology 160 Studierende eingeschrieben, 24 von ihnen streben ein Rabbinat oder Kantorat an. Mittlerweile sind 35 Absolventen als Rabbiner und Kantoren in neun Länder gegangen. An der Hochschule werden sie auf den akademischen Teil ihres Abschlusses vorbereitet, die geistliche Ausbildung erfolgt am Geiger-Kolleg, das zurzeit noch in Berlin angesiedelt ist und voraussichtlich Ende 2019 in das dann frisch sanierte Nordtorgebäude auf dem Potsdamer Uni-Campus am Neuen Palais ziehen wird. Dort entsteht auch eine Synagoge, die allen Studierenden und Uni-Mitgliedern offen stehen soll. 

Im Potsdamer Universitätsbetrieb fest integriert

Die Aufbauphase der Jüdischen Theologie ist mit der Besetzung aller Professuren inzwischen abgeschlossen. Zwei dieser Professuren werden im Verbund mit dem Selma Stern Zentrum für Jüdische Studien Berlin-Brandenburg unterhalten. Dass die Jüdische Theologie 2019 gemeinsam mit den beiden Rabbiner-Seminaren ein eigenes Gebäude auf dem Campus Am Neuen Palais beziehen wird, ist laut Uni „ein anschauliches Zeichen dafür, dass das in Europa einmalige Fach im Potsdamer Universitätsbetrieb fest integriert“ ist. Die School of Jewish Theology habe sich zu einem integralen und international sichtbaren Bestandteil der Universität entwickelt, so Uni-Präsident Oliver Günther. Neben der hochkarätigen Besetzung aller fünf Lehrstühle verwies Günther insbesondere auf den „fruchtbaren Austausch“ mit dem neu begründeten „Forum Religionen im Kontext“ sowie die Erasmus-Kooperationen mit neun europäischen Universitäten. „All dies schafft auch wichtige Grundlagen für den Dialog mit anderen Religionen und Weltanschauungen im Land Brandenburg und darüber hinaus“, so der Uni-Präsident.

Auch Brandenburgs Wissenschaftsministerin Martina Münch (SPD) sie die Entwicklung der School of Jewish Theology an der Universität Potsdam als eine Erfolgsgeschichte. Die wissenschaftlich-theologische Arbeit des Instituts erhalte nicht nur international Aufmerksamkeit – das Institut präge auch das jüdische Geistesleben und den interreligiösen Dialog in Brandenburg und Deutschland. Mit dem eigenen Gebäude auf dem Campus der Universität Potsdam werde die Jüdische Theologie als Ort des akademischen Diskurses und Impulsgeber für jüdisches Leben künftig noch sichtbarer, so Münch. Das Land Brandenburg unterstütze seit Anfang der 1990er Jahre das Wiederentstehen und die Stärkung jüdischen Lebens und jüdischer Kultur in unserer Region: "Mit Erfolg" Mittlerweile gibt es laut Münch wieder zehn jüdische Gemeinden in sieben Kommunen, die für "blühendes jüdisches Leben" im Land Brandenburg stehen. "Das ist 80 Jahre nach der Pogromnacht vom 9. November 1938 und dem Beginn der systematischen Zerstörung und Vernichtung jüdischen Lebens in Deutschland ein wichtiges Zeichen für neu entstandenes vielfältiges und aktives jüdisches Leben in der Landeshauptstadt und im Land Brandenburg", sagte Münch zum Festakt. Angesichts einer Zunahme antisemitischer Vorfälle und Ausschreitungen in den vergangenen Monaten sei es wichtiger denn je, "deutlich zu machen, dass Juden im Land Brandenburg willkommen sind und hier einen Platz und eine Heimat haben".

Liberale und konservative Rabbiner aus Potsdam

Neben den liberalen Rabbinern vom Geiger-Kolleg werden am Zacharias Frankel College an der Uni Potsdam auch konservative Rabbiner ausgebildet. Wobei konservativ nicht orthodox bedeutet. Während im liberalen Judentum das eigene Gewissen stärker im Vordergrund steht, stellt das konservative Judentum Fragen der Auslegung des historischen jüdischen Rechts in den Mittelpunkt. Auch im konservativen Judentum sind heute Frauen und Homosexuelle zum Ordinat zugelassen. Beide jüdischen Konfessionen eint die Überzeugung, dass die göttliche Offenbarung noch nicht abgeschlossen ist. Anders als im orthodoxen Judentum, das weitgehend keine akademische Ausbildung seiner Rabbiner anstrebt, verlangen die liberalen und konservativen Verbände von ihren Rabbinern Hochschulabschlüsse. Das orthodoxe, strenggläubigere Judentum bildet seit einigen Jahren Rabbiner an privaten Schulen in Berlin aus. „Somit konnte an die Infrastruktur Vorkriegsdeutschlands erfolgreich angeschlossen werden“, sagte Rabbiner Walter Homolka, der Rektor des Abraham Geiger Kollegs und geschäftsführende Direktor der School of Jewish Theology an der Potsdamer Universität ist. „Heute werden wieder Rabbinerinnen und Rabbiner aller drei Richtungen im Judentum in Deutschland ausgebildet“, so Homolka.

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Ein ausführliches Interview mit Walter Homolka zu dem Thema lesen Sie in der Mittwochsausgabe der Potsdamer Neuesten Nachrichten 

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