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Fest im Griff. Die Pilotanlage in Ketzin ist Europas größtes Forschungsprojekt zur geologischen Speicherung des Treibhausgases Kohlendioxid. Das Gas sei in 630 Metern Tiefe sicher verstaut, so die Forscher.

© dpa

Forscher aus Potsdam halten CCS für machbar: Alles dicht

In der Öffentlichkeit ist die unterirdische Speicherung des Treibhausgases Kohlendioxid schwer umstritten. Potsdamer Geoforscher haben nun aber nach Abschluss der letzten beiden Experimente an der Pilotanlage in Ketzin das CCS genannte Verfahren als prinzipiell machbar eingestuft. Ein Leck wie derzeit im US-Gasspeicher von Los Angeles schließen sie für Deutschland aus.

Potsdam - Das Projekt zur geologischen Speicherung von Kohlenstoffdioxid (CO2) in Ketzin (Havelland) wird nun mit einem letzten Experiment von Wissenschaftlern des Potsdamer GeoForschungsZentrums (GFZ) beendet. Die Wissenschaftler hatten in den vergangenen drei Monaten knapp 2900 Tonnen salzhaltige Sole in das unterirdische CO2-Reservoir eingeleitet. Die Sole entspricht chemisch dem Salzwasser, das bei der vorherigen Einleitung des CO2 verdrängt wurde. Nun sollte sozusagen im Zeitraffer überprüft werden, was passiert, wenn das Salzwasser nach einiger Zeit wieder zurückströmt und auf das CO2 trifft.

Kohlendioxid 630 Meter unter der Erde

Wie der Leiter der Sektion Geologische Speicherung am GFZ, Axel Liebscher, den PNN sagte, würden die Auswertungen der Daten derzeit noch laufen. „Momentan können wir noch nicht genau sagen, wie sich die Sole im Untergrund genau verhalten hat und ob sie gegebenenfalls mit dem CO2 reagiert hat.“ Voraussichtlich bis Ende Februar sind noch zusätzliche Messungen in den Bohrlöchern geplant. Von den fünf Bohrlöchern der Versuchsanlage, in der von 2008 bis 2013 insgesamt 67 000 Tonnen CO2 zur Beobachtung in unterirdischen Gesteinsschichten in rund 630 Metern Tiefe eingelagert wurden, ist bereits eine Bohrung nach Abschluss der Testphase 2015 verschlossen worden. Das Messnetz zur weiteren Beobachtung verbleibt unter der Erde.

Für die Wissenschaftler sind die neuen Erkenntnisse von großer Bedeutung, da sie Aufschluss darüber geben können, ob und wie sich das injizierte CO2 nach Abschluss der Injektion im Speicher noch bewegen kann. „Auf die Sicherheit des Standortes Ketzin hat dieses Experiment keinen Einfluss“, erklärte Liebscher. Allerdings würden die Daten die Langzeitprognosen zum Speicherverhalten verbessern und damit die Vorhersagbarkeit und so indirekt die Planbarkeit und Sicherheit einer geologischen CO2-Speicherung erhöhen. Vorausgegangen war 2015 ein erfolgreich beendeter Feldversuch zur Rückförderung des Treibhausgases. „Zusammen mit den Erkenntnissen aus der aktiven CO2-Injektion ermöglichen es die beiden Feldexperimente zur Rückförderung und zur Sole-Injektion, die Prozesse vor, während und nach einer CO2-Speicherung im Detail zu verstehen und die Funktionalität und Integrität des CO2-Speichers in Ketzin nachzuweisen“, erklärte Liebscher.

In diesem Jahr nun sollen Schritt für Schritt die restlichen vier Bohrungen in Ketzin verschlossen und das Gelände rekultiviert werden. Wenn die Integrität des Speicherkomplexes endgültig nachgewiesen ist, geht die Verantwortlichkeit zurück an die Bergbehörde des Landes Brandenburg. Anfang 2017 soll sich der Standort wieder in seinem ursprünglichen Zustand befinden.

„Ein sicherer und gangbarer Weg“

Der GFZ-Pilotstandort Ketzin beherbergt das europaweit größte Forschungsprojekt zur geologischen Speicherung des Treibhausgases Kohlendioxid. Die unterirdische Speicherung des CO2 war mit der Beendigung der aktiven Testphase im Jahr 2013 von den Forschern als prinzipiell machbar bewertet worden. „Unsere bisherigen Forschungsergebnisse haben gezeigt, dass die geologische Speicherung von CO2 bei adäquater wissenschaftlicher und technischer Begleitung ein sicherer und gangbarer Weg ist“, sagte Liebscher. Zumindest an dem untersuchten Ort sei das Verfahren möglich: CO2 könne dort sicher eingelagert und bei Bedarf wieder zurückgeholt werden. Grundsätzlich müsse aber jeder geplante Lagerort zuvor auf die lokalen Begebenheiten individuell untersucht werden. Beim CCS-Verfahren (Carbon Dioxide Capture and Storage) wird klimaschädliches CO2 an Kraftwerken und anderen Industrieanlagen abgefangen und unterirdisch gespeichert. So soll das Gas für das Klima unwirksam gemacht werden.

Nach Paris ist CCS wieder gefragt

Für das umstrittene CCS-Verfahren hatte sich in Brandenburg auf politischer Ebene bislang keine Mehrheit gefunden. Für die Klimaforschung stellt CCS nach wie vor aber einen wichtigen Beitrag zum Klimaschutz dar, als Brückentechnologie, solange fossile Energien noch genutzt werden und vor allem auch um sogenannte „negative Emissionen“ zu erreichen. Dabei soll der Atmosphäre CO2 entzogen und unterirdisch gespeichert werden, was zum Erreichen des Klimaziels unter zwei Grad Erwärmung ab Mitte des Jahrhunderts nach Erkenntnissen des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung nötig werde. Allerdings würde es dabei um ganz andere Mengen als die 67 000 Tonnen versuchsweise in Ketzin gespeicherten Mengen CO2 gehen, für den Klimaschutz dürfte es darum gehen, weltweit viele Gigatonnen unter die Erde zu bringen, so lange Kohle, Öl und Gas weiterhin zur Energiegewinnung genutzt werden.

Mit dem Zustand der Versuchsanlage in Ketzin zeigten sich die GFZ-Forscher bereits 2015 zufrieden. Sowohl die wissenschaftliche Überwachung als auch die detaillierte Begutachtung des Zementkerns hätten gezeigt, dass die im Herbst 2013 erfolgte Teilzementation erfolgreich verlaufen sei. Im vergangenen Jahr war dann der Versuch zur Rückförderung des CO2 erfolgreich abgeschlossen worden. Die Forscher konnten durch einen Versuch mit 240 Tonnen CO2 belegen, dass das Kohlendioxid bei Bedarf „sicher und problemlos“ wieder zurückgeholt werden kann. In Zukunft könnte eine Rückförderung von CO2 interessant werden, wenn es entsprechende Verfahren zur klimafreundlichen Nutzung des Treibhausgases gibt. Der Sole-Versuch nun galt den Forschern schließlich auch als ein weiterer Sicherheitstest: Untersucht wurde, ob die Sole-Injektion als eine mögliche Sanierungsmethode bei einer eventuellen CO2-Leckage im Bohrlochbereich das Gas aus den Poren des Speichergesteins im bohrlochnahen Bereich verdrängen kann.

Leck in den USA weckt Ängste

Ein Leck im Bohrloch eines unterirdischen Gasspeichers sorgt derzeit in den USA für Aufsehen. Seit Mitte Oktober sind in einem Vorort von Los Angeles bereits über 80 000 Tonnen Erdgas aus einem dort befindlichen unterirdischen Speicher ausgeströmt. Ähnliche Speicher gibt es auch in Deutschland, etwa unter der Berliner Heerstraße, wo Erdgas zur Energieversorgung der Hauptstadt lagert. Allerdings weisen Experten darauf hin, das sich die Erdspeicher nicht mit denen in Berlin oder Ketzin vergleichen lassen, da die geologische Konstellation eine andere ist.

Wenn das Leck in den USA tatsächlich auf eine Korrosion der Bohrung zurückgeht, hält Axel Liebscher das Risiko für eine vergleichbare Leckage in Deutschland für sehr gering: „Eine solche Korrosion würde aufgrund der in Deutschland durchgeführten Bohrungsüberwachungen frühzeitig erkannt werden.“ Auch im havelländischen Ketzin würden die Bohrungen jährlich überprüft. Hinzu komme, dass der Speicher in Los Angeles eine ehemalige Erdgaslagerstätte sei. Daher sei die Bohrung zunächst primär auf die Erdgasförderung ausgelegt gewesen. „Aus diesem Grund ist bei einer möglichen CO2-Speicherung gefordert, die Eignung und Qualität vorhandener Bohrungen für einen CO2-Speicherbetrieb vor Beginn der Speicherung zu überprüfen und sicherzustellen, gegebenenfalls müssen neue Bohrungen erstellt werden oder vorhandene Bohrungen überarbeitet werden“, so Liebscher.

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