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Der Film „Like a good kid“ des iranischen Regisseurs Majid Barzegar zeigt, wie der kleine Martin seine junge Kinderfrau triezt. 

© Sehsüchte

Filmuniversität Konrad Wolf: Programm des Sehsüchte-Festivals vorgestellt

Das Studierendenfestival zeigt ab kommenden Mittwoch 111 Filme aus 23 Ländern. Das Motto lautet dieses Jahr "explore:".

Von Helena Davenport

Potsdam - So schnell kann es gehen! Zuerst der Standort an den Freund per SMS, dann noch ein hübsches Selfie für die Follower auf Instagram, und schon ist Clara auch in der Realität nicht mehr so allein, wie sie annimmt. Es gibt jemanden, der die junge Frau wirklich verfolgt, der ihre Informationen nicht nur liked, sondern sie auch benutzt – ein langweiliger Babysitterabend wird so zur Horrorshow. Filmemacher Jonathan Behr kann sich wohl ab der ersten Sekunde seines Zehnminüters der Aufmerksamkeit des Publikums sicher sein. „Ping!“ – der bekannte Nachrichtenton aktiviert, und schon bietet sich die Möglichkeit, in Claras Privatsphäre einzudringen: Der Zuschauer darf die Kurznachrichten mitlesen. Wie gefährlich ihr sorgenloser Umgang mit den eigenen Informationen ist, zeigt der weitere Verlauf des Films.

"Sehsüchte"-Festival zum 48. Mal

„Follower“ läuft in der Sektion „Future Teens“ (am Donnerstagnachmittag) auf der 48. Ausgabe des Studierendenfilmfestival Sehsüchte der Filmuniversität Babelsberg Konrad Wolf. Das diesjährige Motto „explore:“ sei auch deswegen ausgewählt worden, weil es kaum einschränke, und so verschiedensten Themen aus aktuellen Debatten Raum geben könne, erklärte Matthias Hufgard, zuständig für das Programmanagement, am Mittwoch vor Journalisten. „Für uns ist jeder Film eine Reise ins Unbekannte“, sagte Koordinatorin Nastassja Kreft. Andere oder neue Lebenswelten zu verstehen, das sei das Ziel des Festivals, das jedes Jahr von Studierenden der Filmuni organisiert wird, und sich zum größten seiner Art in Europa entwickelt hat. 

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Über 1200 Filme aus 65 Ländern sind für die diesjährige Ausgabe eingereicht worden, davon werden 111 Filme aus 23 Ländern vom 24. bis zum 28. April gezeigt. Das sind zwar weniger als im vergangenen Jahr, dafür gibt es 2019 mehr Wiederholungen, ein stärkerer Austausch unter den Gästen soll entstehen. Am Sonntag endet das Festival dann mit der Verleihung von elf Preisen.

Eine neue Sektion für Rundum-Filme

Auch der beste 360°-Film soll ausgezeichnet werden, für die neue Erzählweise mittels kugelförmigem Bild haben die Festivalmacher eine neue Sektion ins Leben gerufen. Und auch innerhalb dieser sind ganz unterschiedliche Themen und Genres vertreten. Von vier bis 20 Minuten sind die Filme lang, die von drehbaren Sesseln aus zu erleben sind. „Da es ein ganz neues Medium ist, gibt es noch nicht so viele Regeln, was es auf der einen Seite spannend macht“, sagte Jurymitglied Susanne Dickel, „auf der anderen Seite gibt es für uns nicht so viel, woran wir uns festhalten können, um Filme zu bewerten.“ Auch die Kriterien für Ton seien anders, so könne er beispielsweise gerichtet sein, die Quelle könne sichtbar sein oder nicht. Und im Endeffekt schaue jeder seinen eigenen Film – die Perspektive ist schließlich wählbar.

Eine Ausstellung lotet die Möglichkeiten digitaler Medien aus

Insgesamt hat Sehsüchte in diesem Jahr zwölf Sektionen. Eine weitere neue Sektion heißt „Exhibition: Interaction and Immersion“. Im Rahmen einer Ausstellung im Untergeschoss der Filmuni werden von Donnerstag bis Samstag Projekte präsentiert, die digitale Medien nutzen, um neue Erzählformen auszuloten, bei denen die Interaktion oftmals in den Vordergrund tritt. Am Freitagabend (um 17.30 Uhr) stellen sich die Künstler, die aus Kolumbien, den USA oder Russland kommen, in den Ausstellungsräumen vor. 

Sowieso bietet das Festival viele Aktionen außerhalb des Kinos. Ein Karaokeabend steht an, eine szenische Drehbuchlesung, Vorträge zum Thema Webserie, Workshops zur Filmfinanzierung. Man kann Einblick in das hochschuleigene Filmarchiv gewinnen, und hat die Gelegenheit, sein eigenes Drehbuchprojekt vor einer Fachjury zu pitchen. Darüber hinaus feiert der Studiengang Medienwissenschaft am Samstag mit Podiumsdiskussionen sein 25-jähriges Jubiläum. Partneruni ist in diesem Jahr die Communication University of China, die ihren Standort in Peking hat. Eine Auswahl an studentischen Arbeiten können im Showcase gesichtet werden, auch ein Manga ist darunter.

Filme zu der eigenen Identität, zum Thema Akzeptanz, zu Eltern-Kind-Beziehungen seien in diesem Jahr besonders häufig eingereicht worden, sagte Hufgard. Winta Yohannes, Jurorin der Sektion Spielfilm kurz und Animation, schrieb dies dem Zeitgeist zu, man erinnere sich an „Der Junge muss an die frische Luft“ von Caroline Link, oder „Shoplifters“ von Hirokazu Koreeda. Wenngleich sich jüngere Filmemacher natürlich oft mit der Identitätsfindung, den eigenen Wurzeln auseinandersetzen, sagte die Filmemacherin. 

Der schmale Grat zwischen Gut und Böse

Was ist gut und was ist böse? Wie schmal der Grat dazwischen ist, und dass es sich lohnt, genauer hinzuschauen, zeigt der zwanzigminütige Kurzfilm „Like a good boy“ von dem iranischen Regisseur Majid Barzegar. Der kleine Martin will unbedingt aus seiner Batman-Tasse trinken, dann will er Eis statt einer warmen Mahlzeit – den ganzen Tag triezt er seine junge Kinderfrau, die ihn liebevoll in die Schranken zu weisen versucht. Sara hat Verständnis für sein Unbehagen, weil es einen Streit gab in der vergangenen Nacht zwischen ihm und seiner Mutter. Es macht wütend, wie er sein böses Spiel bis auf die Spitze treibt, ihr die Tasche wegnimmt, ihr das Gesicht bemalt – bis die Mutter wiederkommt und man begreift, woher er seine verachtenden Worte nimmt. Und ob Sara vielleicht doch stiehlt? Einige Fragen nimmt man mit nach Hause.

Bei der Auswahl stehe das Zusammenspiel von dramaturgischer Qualität und formaler Qualität an erster Stelle, so Hufgard. Die Umsetzung des Themas werde genau beäugt und es werde die Frage gestellt, ob der Film die Reflexion anregt: „Wir sind zum Diskurs verpflichtet.“ Dazu passt es, dass eine Farbwelle das Logo der 48. Ausgabe ist – sie lehnt sich auf, nimmt Neues in sich auf und setzt sich immerzu fort.

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