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Eine Frage der Anziehung. Die Nilhechte erkennen und paaren sich nur miteinander, wenn die elektrische Ladung stimmt. Die Fische werden bis zu 30 Zentimeter lang und haben eine ungewöhnlich lange Schnauze, die an einen Elefantenrüssel erinnert.

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Die afrikanischen Nilhechte wählen ihre Partner anhand von elektrischen Entladungen. Ein Team vom Institut für Biochemie und Biologie der Universität Potsdam erforscht nun die ungewöhnliche Partnersuche

Manchmal passiert es, dass zwischen zwei Menschen eine große Spannung entsteht – und sie sich wie elektrisiert zueinander hingezogen fühlen. Was bei den Menschen gerne als bildhafte Umschreibungen für Liebe und sexuelle Anziehung benutzt wird, gilt bei einigen Fischen buchstäblich: Die afrikanischen Nilhechte wählen ihre Partner anhand von elektrischen Entladungen aus, die sie abgeben. Die ungewöhnlichen Fische werden seit einigen Jahren von einem Team um Professor Ralph Tiedemann vom Lehrstuhl für Evolutionsbiologie/Spezielle Zoologie am Institut für Biochemie und Biologie der Universität Potsdam erforscht. „Die Fischarten, die wir untersuchen, kommen alle in denselben Gebieten vor. Die Entladungen, die die Arten produzieren, sind sehr unterschiedlich. Die Fische erkennen sich sozusagen daran und paaren sich nur miteinander, wenn sie dieselbe Ladung abgeben“, erklärt Rebecca Nagel von der Forschungsgruppe. Nagel, die in den USA aufgewachsen ist, hat Biologie und Molekularökologie in Rochester im Bundesstaat New York und Mainz studiert. Seit 2014 arbeitet sie an der Universität Potsdam, an der sie nach ihrer Doktorarbeit eine Postdoc-Stelle am Lehrstuhl von Professor Ralph Tiedemann übernahm.

„Fische sind sehr gute Modellorganismen. Sie können recht einfach gezüchtet und gehalten werden und wir können sie mit einfachen Mitteln untersuchen“, erklärt Rebecca Nagel. Daher könnten die Wissenschaftler besonders viel anhand der Tiere herausfinden. Es gibt über 30 000 Fischarten. Nagel und ihre Kollegen konzentrieren sich auf die Mechanismen der Artenbildung, also wie sich bestimmte Fischarten entwickelt haben und woran das liegen könnte. Die Fische, mit denen sie arbeiten, die schwach elektrischen afrikanischen Nilhechte, sind dabei besonders interessant. „Wir haben die Hypothese, dass die Entladungen, die sie produzieren, für die Artenbildung wichtig waren, dass es da eine Art Zusammenspiel gibt zwischen den verschiedenen Entladungsarten und den Fischarten, die wir heute bei den Nilhechten sehen.“ Wenn zwei Arten mit unterschiedlicher Ladung sich miteinander paaren, haben die Nachkommen eine dritte, wieder ganz spezifische Entladung. „Wir können dann sagen, die Fische haben sich möglicherweise hybridisiert, also zwei Arten haben sich gepaart und eine Hybridart gebildet.“

Mehrere Hundert Fische werden auf dem Campus Golm in Aquarien gehalten und untersucht. „Die Elektrizität kann man so nicht spüren. Die Stromstärken sind für den Menschen ungefährlich“, erklärt Nagel. Nilhechte in allen Entwicklungsstadien tummeln sich da zwischen den Wasserpflanzen, den im Wasser treibenden Mückenlarven und kleinen Rohren, die die Fische als Versteck nutzen. Namen haben sie in der Regel nicht. Nur einige Fische bekommen Spitznamen, wie etwa „Silence Sally“, die aus unbekannten Gründen keine elektrische Ladung abgeben kann.

Warum die Nilhechte schwach elektrisch sind, erklärt sich durch ihre natürliche Umgebung und Lebensweise. Die Tiere, die bis zu 30 Zentimeter lang werden können und deren ungewöhnlich lange Schnauzen an Elefantenrüssel erinnern, seien eher nachtaktiv und würden die Entladungen benutzen, um miteinander zu kommunizieren oder auch um sich in ihrer Umgebung zu orientieren. „So ein bisschen wie die Fledermäuse mit ihrem Ultraschall“, sagt Rebecca Nagel. In der Natur kommen die Fische im Kongostrom und seinen verschiedenen Nebenflüssen vor. Das Wasser sei dort normalerweise sehr trüb. Und weil die Fische in der Nacht und in dem trüben Wasser nicht so gut sehen können, hätten sie eine andere Möglichkeit entwickelt, mit der sie ihre Beute und Paarungspartner finden können. „Es ist wahrscheinlich, dass mal ein Fisch eine Ladung produziert hat und dadurch bessere Chancen in dieser Umgebung hatte und sich das daher evolutiv durchgesetzt hat.“

Das Organ, das die Ladung erzeugt, sitzt zwischen Schwanz und Körper. Überall am ganzen Körper, vor allem im Kopfbereich, finden sich außerdem die Organe, um die elektrische Ladung wahrzunehmen, sowohl die eigene als auch die der anderen Fische. Mit verschiedenen Geräten werden die Entladungen gemessen.

In den Aquarien des Instituts paaren sich die Fische nicht. Das hänge von der Leitfähigkeit des Wassers ab, erklärt Nagel. Je niedriger die Leitfähigkeit, desto eher paaren sich die Tiere, weil niedrige Leitfähigkeit im Kongo mit der Regenzeit verbunden sei. An der Uni wird die Leitfähigkeit künstlich höher gehalten.

Bei früheren Experimenten an dem Potsdamer Institut fand die Wissenschaftlerin Philine Feulner heraus, dass bei der Paarung die weiblichen Fische keine Präferenz zwischen den verschiedenen Arten zeigen, sich also rein theoretisch auch mit anderen Arten paaren würden. Nagel kam dann bei der Forschung für ihre Doktorarbeit zu dem Ergebnis, dass demgegenüber die Männchen ihre eigene Art bevorzugen. „Das war tatsächlich für uns überraschend. Normalerweise sind es die Weibchen, die eine Präferenz zeigen, und die Männchen, die weniger wählerisch sind.“ Denn normalerweise sei das Geschlecht, das mehr Energie in die Eierproduktion stecke, der wählerische Paarungspartner. Für ihre Experimente hat Nagel die Fische in ein mit zwei Gittern dreigeteiltes Aquarium gesetzt. In der Mitte das Männchen, rechts und links die Weibchen. Dabei zeigte das Männchen eine Präferenz für die eigene Art. Um zu beweisen, dass diese Vorliebe tatsächlich mit der elektrischen Ladung und nicht etwa mit Pheromonen oder bestimmten Bewegungen der Fische zu tun hat, testete Rebecca Nagel auch mit künstlich erzeugten Ladungen. Dafür, warum ausgerechnet die Männchen so wählerisch sind, gäbe mehrere Möglichkeiten. „Es könnte sein, dass zum Beispiel die Männchen aus irgendeinem Grund mehr Energie in die Spermienproduktion setzen müssen.“ Oder aber auch, dass es innerhalb von einer Population deutlich mehr Weibchen als Männchen gab und die Weibchen daher deutlich mehr um ihre Partner hätten kämpfen müssen als umgekehrt. „Wir haben Pläne, daran zu forschen, aber noch keine konkreten Experimente“, sagt Rebecca Nagel. Derzeit forscht sie an der genetischen Basis für die elektrischen Ladungen, um herausfinden zu können, wie die spezifischen Entladungen entstehen.

Sarah Stoffers

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