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Vertane Chancen. Sollten dem Wissenschaftsbereich tatsächlich 27 Millionen Euro gestrichen werden, dürfte es auch an der Universität Potsdam bald wieder freie Plätze in den Hörsälen geben.

© Karla Fritze

Homepage: Ernsthafte Schwierigkeiten

Potsdams Hochschulen befürchten Studienplatzabbau durch Sparziele / Uni-Präsident für Gebührenmodell

Vor dem Hintergrund der anstehenden Sparklausur im Landeshaushalt hat sich der geschäftsführende Präsident der größten brandenburgischen Hochschule für neue Wege der Studienfinanzierung ausgesprochen. Der derzeitige Präsident der Universität Potsdam, Thomas Grünewald, sagte, dass aufgrund der hohen Sparziele das „ideologische Dogma“ der kostenfreien Bildung überdacht werden müsse. Grünewald empfiehlt daher die Prüfung sogenannter Studienkonten. „Wieso sollten die Hochschulen nicht fehlendes Geld einnehmen, wenn es Menschen gibt, die bereit sind für qualitative Ausbildung etwas zu bezahlen“, sagte der Uni-Präsident gegenüber den PNN. Hintergrund ist ein für die kommenden Jahre prognostiziertes milliardenschweres Haushaltsdefizit im Land Brandenburg. Fehlende Steuereinnahmen und das Ende des Solidarpaktes haben zur Folge, dass voraussichtlich auch im bislang prioritären Wissenschafts- und Hochschulbereich der Etat gekürzt werden muss – im Gespräch sind 27 Millionen Euro.

Sollte es zu den Mittelstreichungen kommen, müsste über ein „intelligentes Modell“ nachgedacht werden, wie zusätzliches Geld eingetrieben werden könne, so Grünewald. Er schlägt daher eine Finanzierung über ein Punktesystem vor, dass das Bachelor- und und Masterstudium weitgehend gebührenfrei ermöglichen soll. Bei Studienverzögerung, für die es keine sozialen Gründe gebe, würden dann Gebühren fällig. Auch Weiterbildung könnte gegen Bezahlung angeboten werden. Vorbild könnte das Studienkontenmodell aus Rheinland-Pfalz sein. Eingeführt worden war es vom derzeitigen Berliner Wissenschaftssenator Jürgen Zöllner (SPD). Solche neuen Ideen der Hochschulfinanzierung sollten erst ausgereizt werden, bevor es darum ginge Studiengänge oder gar ganze Hochschulen zu schließen. „Bevor nicht erwiesen ist, dass mögliche Einsparziele sich durch solche Gebührenmodelle verhindern lassen, sollte nicht über die Schließung nachgedacht werden“, so Grünewald. Allerdings ist er sich auch darüber im Klaren, dass dafür die, auch von der SPD mitgetragene, Garantie eines gebührenfreien Studiums in Brandenburg fallen müsste – eine heilige Kuh.

Nach dem Rheinland-Pfälzischen Studienkontenmodell wird allen Studierenden bei der Einschreibung ein Studienkonto mit einem Guthaben von grundsätzlich 200 Semesterwochenstunden (SWS) zur Verfügung gestellt. Pro Semester wird eine bestimmte SWS-Anzahl abgebucht. Das Konto ist so ausgestattet, dass das Studium kostenfrei bleibt, auch wenn es 1,75 mal länger dauert. Danach werden Gebühren fällig.

Dass neue Modelle nötig werden, liegt auf der Hand. Denn die beabsichtigten Kürzungen hätten erhebliche Folgen für die Hochschulen des Landes. Allein für die Uni Potsdam würde der Einsparanteil am Jahresetat bei rund zehn Millionen Euro liegen, etwa zehn Prozent des gesamten Hochschuletats. „Das würde einen Abbau von mehr als 150 wissenschaftlichen Mitarbeitern bedeuten, in der Konsequenz würden rund 3000 der derzeit 21000 Studienplätze wegfallen“, so die Uni. Das würde die Hochschule hart treffen, waren ihr doch gerade erst rund fünf Millionen Euro Rücklagen gesperrt worden, mit der Begründung, es sei eine einmalige Einsparung. Dann platzte die Bombe mit dem Milliardenloch im Landeshaushalt, und alles wurde wieder anders. Grünewald sagt nun, dass die neuerlichen Sparziele die Uni in „ernsthafte Schwierigkeiten“ bringen könnten.

Auch an den anderen beiden Potsdamer Hochschulen würden die Kürzungen zu gravierenden Einschnitten führen. „Einsparungen von zehn Prozent würden für HFF das Aus bedeuten“, sagt der Präsident der Filmhochschule HFF, Dieter Wiedemann. Damit wäre nur noch theoretischer Unterricht möglich. „Filmproduktionen, die das internationale Aushängeschild der HFF sind, wären für uns dann nicht mehr finanzierbar“, so Wiedemann. Er nennt wie auch Grünewald Studiengebühren als eine Option, allerdings würde er damit bei den HFF-Dozenten auf wenig Gegenliebe stoßen. Auch der Rektor der Fachhochschule Potsdam, Johannes Vielhaber, sieht unüberbrückbare Lücken. „Frei werdende akademische Mitarbeiterstellen, Stellen für wissenschaftlichen Nachwuchs sowie frei werdende Professorenstellen könnten nicht besetzt werden, ein Studienplatzabbau wäre unabwendbar“, sagte der FH-Rektor.

Die drei Potsdamer Hochschulleiter sind sich darin einig, dass der derzeitige Spitzenwert von 51000 Studierenden im Land Brandenburg (im Jahr 2000 waren es noch 32 000) mit dem Sparziel und ohne eine entsprechende Gebührenregelung nicht haltbar sind. Genau darin liege das Problem, in einem Land, das von der Abwanderung gerade jüngerer gebildeter Menschen stark betroffen ist. Hier sei ein wachsendes Hochschulumfeld eigentlich das Beste, was man sich wünschen könne. Die Universität Potsdam wirke wie ein Magnet auf junge Menschen, so Grünewald. Und mit der Ausbildung setze die Hochschule dem Fachkräftemangel im Land etwas entgegen. „Wir garantieren ein Angebot an qualifizierten Absolventen“, sagt Grünewald.

Auch dürfe die Wirtschaftskraft der Hochschulen nicht vergessen werden. Aus zwei in die Uni Potsdam investierten Euros generiere das Haus einen dritten Euro. Die Hochschulen zählen zu den größten Arbeitgebern und würden mit ihrem Drittmittelaufkommen Geld ins Land holen. Allein die Potsdamer Uni habe seit dem Jahr 2000 ihre Drittmittel um 150 Prozent gesteigert. Aus zwei öffentlich finanzierten Arbeitsplätzen würde die Uni einen Neuen frei finanzierten hervorbringen. „In uns versenkt das Land kein Geld“, sagt Grünewald. Er spricht vielmehr von Wertschöpfung und nachhaltigen Renditen, die aus der Bildung hervorgingen. Das dürfe nun nicht abgewürgt werden.

Auch HFF-Chef Wiedemann äußert Unverständnis darüber, dass der Bildungsbereich keine Priorität mehr haben soll. Die Hochschulen würden Innovation, Kreativität und junge Köpfe ins Land holen, was in Brandenburg eine der wesentlichen Investitionen in die Zukunft sei. Dieter Wagner, Uni-Vize für Wissens- und Technologietransfer, verglich die Situation mit der Wirtschaft und fragte: „Wäre Daimler Benz noch zukunftsfähig, wenn es seine Forschungsabteilung schließen würde?“

Völliges Unverständnis herrscht bei den Hochschulen indes auch über die sogenannte „Landeskinder-Debatte“. Der Rückgang von Brandenburger Schulabgängern mit Hochschulreife („Landeskinder“) habe in der Politik Stimmen laut werden lassen, dass somit weniger Studienplätze gebraucht würden. Genau das Gegenteil sei aber der Fall. Denn mit Studierenden aus anderen Bundesländern sichere sich Brandenburg nicht nur zusätzliche Fördermittel des Bundes, sondern ziehe so auch das akademische Klientel von morgen an. Da der Anteil der Studierenden aus den alten Bundesländern unter den Studienanfängern steige, lasse sich dadurch der Negativeffekt der sinkenden Abiturientenzahlen im Land wenigsten teilweise ausgleichen, heißt es von der Universität. Aufgabe der Politik sei es nun, Arbeitsplätze zu schaffen, damit diese Absolventen nach dem Studium auch in Brandenburg bleiben.

Die Erwartungen der Potsdamer Hochschulen an Wissenschaftsministerin Sabine Kunst sind nun groß. Schließlich war sie selbst Präsidentin der Uni Potsdam, bevor Platzeck sie ins Kabinett holte. Sie war diejenige, die gegen die Fünf-Millionen-Sperre anlief, sie kennt die wackelige Situation der Hochschulen, aber auch ihre Bedeutung für das Land und das große Potenzial, das in ihnen liegt. Von ihr wird nun erwartet, dass sie für die Wissenschaft das Optimum in den Haushaltverhandlungen herausholt. Andererseits hat Kunst selbst gerade eine Hochschulstrukturkommission ins Leben gerufen, die prüfen soll, welche Hochschulangebote es in der Region doppelt gibt, was zusammengelegt und was gegebenenfalls sogar eingespart werden kann.

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