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Abgesoffen. Die Flut bei Fischbeck.

© dpa

Homepage: Ein interessanter Verdächtiger Der Klimawandel könnte Hochwasser hervorrufen

Die zweite Hochwasserkatastrophe in Deutschland in diesem Jahrhundert hat auch die Forschung auf den Plan gebracht. Die Frage, ob es durch den Klimawandel eine Häufung solcher Extremereignisse gibt, liegt auf der Hand.

Die zweite Hochwasserkatastrophe in Deutschland in diesem Jahrhundert hat auch die Forschung auf den Plan gebracht. Die Frage, ob es durch den Klimawandel eine Häufung solcher Extremereignisse gibt, liegt auf der Hand. Am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) vermutet man zumindest einen Zusammenhang. PIK-Forscher Fred Hattermann verwies auf eine Analyse, nach der die Erderwärmung stärker zu einer Zunahme von starken Hochwassern beiträgt als beispielsweise die Landnutzung an den Ufern und die Flussbegradigung. Selbst wenn die Bodennutzung und die Flussläufe sich seit den 50er-Jahren nicht verändert hätten, wäre es zu den großen Überschwemmungen gekommen. Auch der Potsdamer Hydrologe Axel Bronstert von der Uni Potsdam kommt zu dem Schluss, dass der Klimawandels vermutlich dazu führe, dass sich Häufigkeit und Stärke bestimmter Hochwassertypen ändert.

Zwischen geänderten Wetterlagen und den Hochwasserereignissen in Ostdeutschland sehen die PIK-Forscher einen direkten Zusammenhang. Dahinter stehe eine Zunahme der Ostwind-Wetterlagen im Sommer, die feuchtwarme Luft vom Mittelmeerraum nach Ost- und Süddeutschland führen, die sich dann hier abregnet. Solche Wetterlagen seien in den vergangenen 20 Jahren deutlich häufiger aufgetreten als zuvor, so Hattermann. Nach den Untersuchungen der Forscher nehmen diese Wetterlagen in Zukunft an Intensität eher zu. Erschwerend hinzu kam in diesem Jahr, dass durch den langen Winter und das nasse Frühjahr die Böden mit Feuchtigkeit gesättigt waren. Das GeoForschungsZentrum Potsdam hatte festgestellt, dass 40 Prozent der Landesfläche Deutschlands Ende Mai neue Bodenfeuchterekorde aufwiesen.

Der Zusammenhang zwischen Klimawandel und Hochwasser ist in der Fachwelt allerdings umstritten. So ist eine Studie der Universität Tokio zu dem Schluss gekommen, dass Hochwasser in Nord- und Osteuropa abnehmen werden, wohingegen sie in Südostasien, Indien, Ostafrika und Südamerika zunehmen könnten. Die Potsdamer Klimaforscher stehen diesen Ergebnissen skeptisch gegenüber. „Regionale Veränderungen bei Extremniederschlägen sind mit globalen Klimamodellen sehr schwer vorherzusagen, denn sie hängen von der Topografie ab“, sagte Stefan Rahmstorf vom PIK. Zudem würden Klimamodelle stark nichtlineare Prozesse noch nicht zuverlässig erfassen.

Am PIK hat man eine eigene Theorie, welcher Mechanismus im Erdsystem zu Ereignissen wie dem Junihochwasser 2013 beitragen könnte. Demnach wird durch die Erwärmung der Arktis und das Abtauen des Polareises der Luftaustausch zwischen Nord und Süd auf der Erde gebremst. Das könne als ein Faktor zu mehreren extremen Wetterbedingungen führen, wie etwa Tiefdruckgebiete, die sich über längere Zeit nahezu ortsfest mit ungewöhnlich großen Niederschlagsmengen abregnen. Die PIK-Forscher haben auch bei der aktuellen Flutkatastrophe ein solches blockiertes Tiefdruckgebiet über Zentraleuropa ausgemacht. Auch für die Kältephasen der vergangenen Winter hatten Polarforscher durch die Erderwärmung veränderte Strömungsverhältnisse verantwortlich gemacht.

Die Klimaforscher beobachten auch Veränderungen in der Höhenströmung „Jetstream“, die in acht bis zehn Kilometern Höhe vom Atlantik Richtung Osten zieht. „Dieser Jetstream ist ziemlich stark gespannt und schlägt manchmal eine Falte nach Norden oder Süden, die aber in ein paar Tagen wieder ausgebügelt wird“, erklärte PIK-Direktor Hans Joachim Schellnhuber. Diesmal sei die Falte jedoch wie eingefroren wochenlang erhalten geblieben. In der Folge davon hätten im Mai 2013 die Tiefdruckgebiete wie an einer Perlenschnur aufgereiht über Zentraleuropa gelegen. Eine ähnliche Konstellation habe es auch 1997 bei der Oder- und 2002 bei der Elbeflut gegeben. Schellnhuber sieht eine Tendenz zur Häufung solcher Wetterlagen. Man werde nun prüfen, ob sich diese Tendenz verstärkt. Ob der Klimawandel für diese Prozesse verantwortlich ist, lasse sich nicht eindeutig sagen. „Aber wir haben einen interessanten Verdächtigen“, sagte Schellnhuber. Jan Kixmüller

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