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Bürgerforschungs-Projekt entdeckt eine bisher nicht nachgewiesene Art pulsierender Neutronensterne

Es sei eine „Wiederauferstehung aus dem Friedhof der Sterne“ – mit diesen Worten beschreibt Benjamin Knispel vom Albert-Einstein-Institut (AEI) in Potsdam/Hannover die Entdeckung, über die Kollegen von ihm jetzt in der Fachzeitschrift „Science Advances“ berichten: Lange, nachdem eine Sonne in einer riesigen Sternenexplosion erloschen ist, regt ein anderer sterbender Stern in der Nachbarschaft sie zu einem letzten Aufbäumen an. Dabei strahlt sie noch einmal riesige Energie-Mengen in den Weltraum ab. Und davon treffen dann winzigste Bruchteile auf die Sensoren des Fermi-Gammastrahlen-Weltraum-Teleskops der US-amerikanischen Weltraumbehörde Nasa.

Um mit Hilfe dieser Energie-Häppchen einen solchen wieder auferstandenen Stern zu identifizieren, müssten die Forscher des Max-Planck-Instituts für Gravitationsphysik/Albert-Einstein-Instituts ihren Großrechner einige Jahre lang laufen lassen. Weil niemand so lange warten möchte, lagerten Colin Clark, Bruce Allen und ihre Kollegen diese Suche auf Zehntausende von Freiwilligen in aller Welt aus. Diese stellen in einem Einstein@Home genannten Wissenschaftsprojekt nicht benötigte Rechenzeit ihrer Computer oder Smartphones für solche astrophysikalischen Mammut-Rechenaufgaben zur Verfügung.

Mit Hilfe dieses Bürgerforschungsprojektes konnten die Astrophysiker jetzt gleich zwei solcher wiederauferstandenen Sterne identifizieren. „Beides waren einst Sterne, die viele Male größer als unsere Sonne waren“, erklärt Knispel. Solche Sterne enden in einer Explosion, die Astrophysiker als „Supernova“ bezeichnen. Zurück bleibt ein Neutronenstern, der immer noch die 1,2-fache bis doppelte Masse unserer Sonne hat. Die Materie dort ist dann zu einer Kugel zusammengequetscht, die mit einem Durchmesser von rund 20 Kilometern nur die Größe eines Pluto-Mondes hat. „Ein Teelöffel eines solchen Neutronensterns hat ungefähr die Masse des Mount Everest“, beschreibt Benjamin Knispel die unvorstellbare Dichte dieses Gebildes.

Diese extrem verdichtete Kugel rotiert in jeder Sekunde einige Male um ihre Achse und besitzt ein starkes Magnetfeld. In ihm werden elektrische Ladungen sehr stark beschleunigt. Diese geben in einem Prozess – ähnlich wie dem in einem Fahrrad-Dynamo – Energie ab. Durch den Neutronenstern wird diese an seinen magnetischen Polen als Radiostrahlung abgegeben.

Da die Magnetpole nicht mit den Polen der Rotationsachse übereinstimmen, streicht dieser Radiostrahl mit jeder Umdrehung einmal über einen Ausschnitt des Himmels. Von der Erde aus mit entsprechenden Instrumenten betrachtet, ähnelt diese Radiostrahlung dem Licht eines rotierenden Leuchtturm-Scheinwerfers. In regelmäßigen Abständen (pulsierend) flackert es auf. Deshalb werden solche Neutronensterne „Pulsare“ genannt.

Manchmal geben die Pulsare auch Gammastrahlung ab, die ebenfalls als pulsierendes Signal auf der Erde ankommt. Weil diese Sternreste mit der Radio- und Gammastrahlung laufend Energie verlieren, rotieren sie mit der Zeit langsamer. Nach einigen Millionen Jahren verstummen die Sterne – und werden auch von den Messgeräten auf der Erde endgültig nicht mehr wahrgenommen. Es sei denn, sie werden von einem anderen Stern begleitet, der ebenfalls am Ende seiner Existenz angekommen ist. Dann bläht letzterer sich gewaltig auf. Von seiner äußeren Hülle strömen riesige Massen von Gasen zum verstummten Pulsar. Ähnlich wie Wasser, das auf ein Mühlrad stürzt, beschleunigt diese Materie die Rotation des Neutronensterns wieder, bis dieser unter Umständen einige Hundert Mal in jeder Sekunde um seine Achse rotiert und auch wieder pulsierende Strahlung abgibt. Der tote Pulsar ist dann, in Knispels Worten, wieder auferstanden, sein Leuchtfeuer streicht erneut über den Himmel.

Um solche Sterne zu finden, müssen für die paar wenigen Gammastrahlen, die der Detektor einfängt, Richtung und Pulsfrequenz genau gemessen werden. Zudem ist wichtig, in welchem Maße sich über die Jahre des Beobachtungszeitraums jene Pulsfrequenz ändert. All das sind Gründe für die hohe benötigte Rechenleistung.

Am Ende hatten die AEI-Forscher zwei besonders schnelle Pulsare identifiziert, die sich in einer Sekunde 348 und 213 Mal um die eigene Achse drehten. Bei einem aber konnten sie anders als bei allen bisher beobachteten Pulsaren mit extrem hoher Rotation nur Gamma-, aber keine Radiostrahlung messen. „Solche im Radiobereich stummen Pulsare kann man also offensichtlich nur mit dieser Methode und Einstein@Home entdecken“, sagt Knispel.Roland Knauer

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