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Black Box. Titus Welliver spielt LAPD-Detective Hieronymus „Harry“ Bosch.

© Amazon

Dritte Staffel "Bosch" bei Amazon: Verzweiflungstief

Die exquisite Cop-Serie „Bosch“ geht bei Amazon Prime Video in die dritte Staffel. Geboten werden Fan-Fernsehen und Charakter-TV

Die Annahme dürfte nicht falsch sein. Wer bei Amazon Prime Video die Cop-Serie „Bosch“ ansteuert, der hat auch die Krimis von Raymond Chandler oder Dashiell Hammett im Regal stehen. Sehr wahrscheinlich alle, denn wer einmal fasziniert war, der wollte sich immer wieder fesseln lassen. Nicht anders bei Hieronymus „Harry“ Bosch, zentrale Figur in den nun schon 20 Romanen von Michael Connelly. Bosch ist als Detective bei der LAPD-Mordkommission der Wiedergänger von Philip Marlowe und Sam Spade, den Privat-Eye-Prototypen von Chandler und Hammett. Zwei Staffeln „Bosch“ sind als Amazon Original produziert und gestreamt worden, am heutigen Freitag geht die dritte Staffel mit zehn Folgen online. Schon ist Season IV angekündigt, „Bosch“ ist damit das Amazon Original mit der längsten Laufzeit.

16 Monate sind seit der letzten Mordaufklärung vergangen. Harry Bosch hat die (schwarze) Witwe eines Pornoproduzenten vor Gericht gebracht. Jetzt muss die Jury entscheiden, ob es zur Mordanklage gegen Veronica Allen (Jeri Ryan) kommt. Ein Graffiti-Sprayer wird Zeuge eines Mordes an einem Kriegsveteranen. Bosch selber hat seine eigene Fahndung am Laufen. Er will endlich einen Mann überführen, den er für einen Serienkiller hält. Und dann ist da noch ein zugeknallter Hollywood-Regisseur.

Auch „Bosch“ III zieht wieder verschiedene Fälle zusammen, insofern Eric Overmyer zwei Connelly-Krimis – „Schwarzes Echo“ und „Dunkler als die Nacht“ – für die zehn Folgen verarbeitet. Overmyer („The Wire“, „Treme“) ist Chefdramaturg eines Autorenteams, er fungiert wie Michael Connelly als Executive Producer, Titus Welliver ist nicht nur Hauptdarsteller, sondern auch Produzent. Wechselnde Regisseure garantieren, dass der Look stets frisch, ja aufgefrischt wirkt.

Profis, die wissen, was "Bosch" zu sein hat

Bei dieser Cop-Serie wissen die Profis hinter und vor der Kamera, was „Bosch“ zu sein hat: Fan-Fernsehen und Charakter-Fernsehen. Harry Bosch ist dann Mordermittler mit einem klaren moralischen Kompass, er ist Einzelkämpfer trotz seiner engen Zusammenarbeit mit Jerry Edgar (Jamie Hector), er eckt bei seinen Kollegen an, was seine Vorgesetzte, Lieutenant Grace Billets (Amy Aquino), zu einigen Befriedungsaktionen zwingt.

Harry Bosch hat selbst im Privatleben mit seiner Einsamkeit zu kämpfen, obwohl seine Tochter Maddie (Madison Lintz) gerade bei ihm eingezogen ist und ihm mehr als einmal ihre Tochterliebe zeigt. Aber dieses Gefühl der Einsamkeit lässt sich nicht wegdrücken, so wenig wie die Dämonen von Verlust und Entfremdung, die Bosch treiben und die er austreiben will. Vielleicht ist Hieronymus „Harry“ Bosch den gemarterten Figuren des niederländischen Malers aus dem 15. Jahrhundert mindestens so nahe wie dem hartgesottenen Cop aus dem Los Angeles von heute.

Der Mann macht keine Kompromisse, die Sympathie seiner Kollegen ist ihm schnurzegal, die Gerechtigkeit für die Opfer ist für ihn, dessen Mutter ermordet worden war, das Maß aller Dinge; ja, Rache ist auch ein Motiv, denn der Mörder seiner Prostituierten-Mutter wurde nie erwischt. Bosch spuckt auf sein Grab. Er akzeptiert nicht wie andere (Cops), dass zu Los Angeles die Schuld genauso gehört wie die ewige Sonne. Wo Schuld ist, da muss Sühne sein. Die Jagd nach den Bösen, bei Bosch eine Kombination aus Grips und Face-to-Face-Fahndung, wo andere ins Labor stürzen und nach der Forensik schreien, ist zäh, auch frustrierend; der Whisky, der Jazz und hin und wieder eine Beziehung mildern die Anstrengung, wenn nicht den Schmerz.

Die Fälle von Detective Bosch sind brutal und blutig und so bizarr wie Los Angeles selbst. Manches mischt sich in manchem, und dieses Zwischendasein zeigt sich in Deputy Chief Irvin Irving (Lance Reddick) oder im politisch ambitionierten Bezirksanwalt Richard „Rick“ O’Shea (Steven Culp), zwei in jeder Staffel präsenten und dabei vertieften Figuren. Bei ihnen wird die Ambiguität einer LA-Existenz deutlich: Erfolg auch auf krummen Wegen oder Gradlinigkeit bis in die Erfolglosigkeit hinein?

Die Fälle verändern die Fahnder

Auch das ist eine Qualität der Produktion. Die Story parallelisiert mehrere Fälle zusammen, sie wird ganz eng geführt, dann wieder entfaltet sie sich und wird breit. Sie nimmt sich Zeit für Personal und Ermittlung, die Fälle gehen durch die Ermittler hindurch, sie verändern sie.

Titus Welliver spielt die Zentralfigur. Den Harry Bosch, der nicht lächeln kann denn in einer verzerrt-sarkastischen Grimasse. Tough, altmodisch, weniger exaltiert als hoch konzentriert. Ein Mensch von beträchtlicher Verzweiflungstiefe.

„Bosch“, dritte Staffel, zehn Folgen in deutscher und englischer Version ab 21. April bei Amazon Prime Video.

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