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Key Pousttchi ist bekannt dafür, dass er die Dinge beim Namen benennt.

© Andreas Klaer

Digitalisierung: Lieber nach vorne schauen

Der SAP-Stiftungslehrstuhl für Wirtschaftsinformatik und Digitalisierung an der Universität Potsdam wird neu besetzt. Stiftungsprofessor Key Pousttchi musste gehen. Jetzt ist der IT-Experte in der freien Wirtschaft tätig.

Potsdam - „Ich bin jemand, der Klartext spricht“, sagt Key Pousttchi. Und fügt hinzu: „Das war vielleicht an der Universität nicht immer zu meinem Vorteil.“ Seit 2015 leitete er den Lehrstuhl für Wirtschaftsinformatik und Digitalisierung an der Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Fakultät der Universität Potsdam. Die Professur wurde in dieser Zeit vollständig vom Softwarekonzern SAP finanziert. Doch im Januar kam das abrupte Ende für Pousttchi: Die Fakultät verlängerte seine Stiftungsprofessur wider Erwarten nicht.

Die Fakultät habe anders entschieden

„SAP und Universitätsleitung waren extrem zufrieden mit den Leistungen des Lehrstuhls, weil er strukturbildend gewirkt hat“, sagt Pousttchi. Deshalb habe die SAP auch noch einmal fast eine Million Euro stiften wollen, „obwohl das ursprünglich gar nicht geplant war.“ Die Universitätsleitung habe zusätzlich etwa fünf Millionen Euro bereitgestellt. Damit hätte der Lehrstuhl in seiner bestehenden Form neu ausgeschrieben werden können. Aber die Fakultät habe anders entschieden und die Mittel genutzt, um einen neuen Lehrstuhl mit einer anderen Bezeichnung auszuschreiben. „Natürlich habe ich mich dafür beworben“, sagt Pousttchi, doch er sei abgelehnt worden. Die Gründe dafür seien ihm nicht bekannt, in die Pläne sei er auch nicht einbezogen worden. „Ich habe aber gehört, dass die Fachgruppen Soziologie und Politikwissenschaften mit mir nicht einverstanden waren“, sagt er.

An der Fakultät habe Chaos geherrscht

Auch die Studierenden wussten offenbar von nichts. „Wir waren völlig überrumpelt“, sagt Masterstudent Konrad Degen. Er selbst habe erst kurz vor Weihnachten von dem bevorstehenden Ende der Stiftungsprofessur erfahren. Pousttchi habe seine Studierenden in der Vorlesung darüber informiert. Aber eine offizielle Stellungnahme der Fakultät habe es nicht gegeben. „Die Fakultät hat das unzureichend kommuniziert“, kritisiert Degen. „Es herrschte Chaos. Dabei hätte doch klar sein müssen, dass die Professur ausläuft und ein Übergang organisiert werden muss.“ Mittlerweile hätte sich die Aufregung aber gelegt, sagt er.

Degen ist Forschungsstudent am Lehrstuhl. Er forscht zu Regulierungsmöglichkeiten des Staates für Plattformunternehmen wie Facebook oder Airbnb. Andere Forschungsstudenten arbeiten zu Themen wie Digital Health oder Künstliche Intelligenz. Einige dieser Projekte werden auch weiterhin von Pousttchi betreut, ebenso wie zwei Doktoranden. Auch geplante Veranstaltungen sollen stattfinden, sodass die Studierenden aus Degens Jahrgang ihren Master ohne Einschränkungen abschließen können.

Und wie geht es weiter? „Den SAP-Stiftungslehrstuhl für Wirtschaftsinformatik und Digitale Transformation wird es weiterhin geben“, teilt die Universität Potsdam auf Anfrage mit. Im Moment laufe das Berufungsverfahren, sagt Sprecherin Silke Engel. Bis zu dessen Abschluss könne sich die Hochschule dazu nicht äußern. Fest stehe jedoch: Der von Pousttchi eingeführte Masterstudiengang Wirtschaftsinformatik und Digitale Transformation werde fortgeführt. Auch ohne den bisherigen Lehrstuhlinhaber sieht sich die Universität gut aufgestellt: „Mit insgesamt etwa 40 Professuren im weiteren Umfeld der Informatik steht die Universität Potsdam im deutschlandweiten Vergleich bestens da“, sagt Sprecherin Engel.

Den Aufgaben außerhalb der Universität widmen

„Die Arbeit mit den Studenten hat mir immer sehr viel Spaß gemacht“, sagt Pousttchi. Besonders am Herzen lägen ihm junge Menschen, die hochmotiviert sind und für die Forschung „brennen“. Die sollten seiner Ansicht nach zu Führungskräften aufgebaut werden, die sich den Herausforderungen einer digitalisierten und global vernetzten Welt stellen können. Doch dieser Aufgabe könne er sich auch außerhalb der Universität widmen, deshalb schaue er lieber nach vorn als zurück.

Pousttchi wuchs im Nordwesten Deutschlands auf und beschäftigte sich bereits während seiner Schulzeit in den 1980er Jahren mit dem damals randständigen Thema der elektronischen Datenverarbeitung. 1989 trat er eine Ausbildung zum Offizier der Panzertruppe an. An der Bundeswehr-Universität München studierte er Wirtschafts- und Organisationswissenschaften mit Schwerpunkt Wirtschaftsinformatik. Als junger Offizier setzte er bereits in den 1990er Jahren auf Virtual-Reality-Simulationen, etwa bei der Panzerschießausbildung der Soldaten. Im Rahmen der Nato-Einsätze SFOR und KFOR diente Pousttchi unter anderem in Sarajewo und im Kosovo.

Heute widmet er sich einem anderen Schlachtfeld: der Digitalisierung. Deutschland brauche in diesem Bereich dringend Kompetenz, betont er: „Wenn wir weiter so amateurhaft an das Thema herangehen wie bisher, dann wird der Wohlstand unseres Landes in zehn Jahren verspielt sein.“ Insbesondere der Mittelstand müsse endlich durchstarten. „Dort sind die wertvollen Arbeitsplätze für die Menschen und dort kann man auf wissenschaftlicher Grundlage sehr viel bewegen, um die Unternehmen dauerhaft erfolgreich zu machen“, sagt Pousttchi.

Die Regeln mitbestimmen, bevor andere es tun

„Digitalisierung ist kein Hexenwerk jugendlicher Hurra-Rufer, sondern ehrliche Arbeit gut ausgebildeter Leute“, sagt Pousttchi mit Blick auf Digital-Startups. „Wir müssen endlich ernsthaft, diszipliniert und systematisch an das Thema Digitale Transformation herangehen.“ Deutschland müsse sich auf seinen „Ingenieurgeist“ besinnen: „Dann können wir auch wieder vorne mitspielen. Und die Regeln mitbestimmen, bevor Apple, Google Facebook oder Amazon es tun.“

Um seine eigene berufliche Zukunft macht sich Pousttchi jedenfalls keine Sorgen. Aktuell berate er Unternehmen und halte als Keynote Speaker fachliche Vorträge. Endlich könne er auch wieder Bücher schreiben und herausgeben, dazu sei er in den letzten Jahren nicht gekommen. 

Konkret arbeite Key Pousttchi an einem Buchprojekt, das sich mit der „digitalen Transformation von kleinen und mittleren Unternehmen“ beschäftige. Und gleichzeitig an einem zweiten, in dem er der Frage nachgehen möchte warum Deutschland bei der Digitalisierung „ein Entwicklungsland“ ist – und was dagegen unternommen werden könne. Kann er sich vorstellen, noch einmal an die Universität zurückzukehren? „Man soll niemals nie sagen. Aber die Rahmenbedingungen müssen stimmen.“ 

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