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Foto: ARD Degeto

© ARD Degeto

"Die Männer der Emden": Eine historische XXL-Schmonzette

In dem Film "Die Männer der Emden" stellt die ARD den Ersten Weltkrieg mit exotischen Kulissen und großen Gefühlen dar. Und obwohl historische "Event"-Filme oft sichere Quoten bringen, funktioniert es in diesem Fall nicht.

Liebe und Abenteuer, echte Männer und schöne Frauen, das Meer und die Wüste: Der ARD-Zweiteiler „Die Männer der Emden“ hat eigentlich alles, um am Karfreitagabend mal so richtig davonzusegeln aus dem Alltag. Dem schmucken Marineoffizier Karl Overbeck (Ken Duken) auf einer gefahrvollen Odyssee über den Indischen Ozean und durch die Arabische Wüste zu folgen. Und zugleich seiner hübschen Verlobten Maria von Plettenberg (Felicitas Woll), deren Bild Karl in einer Taschenuhr immer bei sich trägt, alles Gute zu wünschen. Der Krieg stört und verstört nicht sonderlich, auch weltanschaulich muss man da keine Bedenken haben. Zu Beginn freut sich Overbeck beim Abschied von seiner Geliebten noch auf das Kämpfen: „Endlich kann ich was fürs Vaterland tun.“ Außerdem sei ja in drei, vier Wochen alles vorbei. Doch am Ende des Zweiteilers gibt er dem Publikum eine, aufgepasst, bedeutende Botschaft mit in den Schlaf: „Es gibt Wichtigeres, als für Kaiser und Vaterland im Dreck zu verrecken.“

Welcher Dreck? Exotische Kulissen, ein geläuterter Offizier, tolle Bilder, große Gefühle – die legendäre Emden-Story wird von der ARD als historische XXL-Schmonzette erzählt, kurz bevor es in einem Programmschwerpunkt (hoffentlich) auch etwas ernsthafter um den Ersten Weltkrieg geht, der vor 100 Jahren begann. Erst was fürs Herz, dann was fürs Hirn? Man muss dahinter keinen tieferen Sinn vermuten, so ein bedeutendes Jubiläum treibt bei Programmmachern eben die verschiedensten Blüten. Zumal nach Ausstrahlung historischer „Event“-Filme, jedenfalls wenn es um den Zweiten Weltkrieg geht, meist recht aufregende Quoten auf deren Schreibtische flattern. Warum soll das also bei Teil eins nicht auch funktionieren?

Vermutlich fehlt das Nazi-Flair

Nun, kurz gesagt: Es funktioniert nicht. Vielleicht weil das gruselige Nazi-Flair fehlt. Es fehlt einfach der böse Deutsche, der entlastet werden will. Das Schlimmste, was die deutschen Matrosen hier im Krieg tun, ist, eine Tür aufzustoßen, hinter der sich halb nackte chinesische Huren tummeln. Das amüsiert sie wie die Jungs aus der achten Klasse, die heimlich in die Mädchenumkleide linsen. Die deutschen Marinesoldaten sind alles brave Kerle – gut, ein Kommunist ist darunter, aber nicht einmal zu einer zünftigen Meuterei will es reichen. Mal taucht doch noch das rettende Sumatra auf, mal scheitert das Bündnis mit dem intriganten Offizier.

Immerhin, Klassenkampf an Bord: Sage niemand, die politischen Umwälzungen jener Zeit wollte uns die ARD verschweigen. Auch ein Jude legt sich für Kaiser und Vaterland ins Zeug und wird irgendwann von einem Kameraden als „Drecksjude“ beschimpft. Und Maria von Plettenberg wird natürlich als eine Frau mit Weitblick eingeführt: „So wie in den letzten 100 Jahren wird es nicht weitergehen“, sagt sie weise. Eine emanzipierte Adlige, die sich unstandesgemäß in einen bürgerlichen Offizier verliebt, das fehlte noch im fiktiven historischen Ensemble. Die Heimreise der von Plettenbergs von der deutschen Kolonie Tsingtau aus bis nach Berlin und an der Seite des galant-schmierigen Manfred von Manstein (Matthias Schloo), der sich an Maria ranschmeißt, wird in dieser Fernsehfassung ausführlicher erzählt als im Kino. Kriegen sie sich, ist hier die bedeutendere Frage als: Wie bekriegen sie sich?

Wenig Zuschauer, teure Produktion

Interessant ist, was ARD-Programmdirektor Volker Herres im Presseheft mitzuteilen hat: Der Fernseh-Zweiteiler sei nicht nur ein etwas verlängerter Kinofilm, sondern „ein dramaturgisch und erzählerisch praktisch völlig neuer Film“, der erst jetzt, im Fernsehen, seine „eigentliche Premiere“ feiere. Das ist eine etwas gewagte These, aber verständlich, denn tatsächlich hat der von Berengar Pfahl aufwendig inszenierte Film im Kino ein Debakel erlebt. Im Januar 2013 gestartet brachten es „Die Männer der Emden“ auf 6720 Besucher. Ein niederschmetterndes Ergebnis für eine Produktion, die angeblich neun Millionen Euro kostete.

Und weil ihn praktisch noch niemand gesehen hat, etwas zum Inhalt: Der Film beruht auf der Geschichte von 50 Männern, die sich von einer kleinen Insel im Indischen Ozean aus nach einer monatelangen Odyssee bis nach Deutschland durchschlugen. Es waren Überlebende der SMS Emden, die in den ersten beiden Monaten des Krieges mehr als 20 Schiffe aufbrachte, ehe sie am 9. November 1914 selbst versenkt wurde. Sebastian Blomberg gibt mehr als respektabel den Kapitänleutnant von Mücke, der die Gruppe der Überlebenden anführte. Auch Sibel Kekilli hat einen Auftritt als türkische Wissenschaftlerin, die mit den Männern gegen die Beduinen kämpft, dabei auch nach einem mehrtägigen Ritt durch die Wüste wunderbar aussieht und tief in Overbecks Augen schaut. Was für ein herrlich erfundener Unsinn. Ein Jammer, die beiden kriegen sich nicht.

„Die Männer der Emden“, Freitag, ARD, 20 Uhr 15

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