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Ein Herz und eine Seele? Jonas Nay und Maria Schrader spielen auch in „Deutschland 86“ Neffe und Tante in der Hauptverwaltung Aufklärung der Stasi.

© Jörg Christiansen/dpa

„Deutschland 86“: Als die DDR ins Schwanken kam

Amazon Prime Video setzt „Deutschland 83“ fort und sichert sich die Erstausstrahlung. RTL-Zuschauer müssen sich gedulden.

Niedrige Decken, Holzvertäfelung, morbider Ost-Charme. Im ehemaligen Ministerium für Staatssicherheit an der Normannenstraße in Berlin entsteht „Deutschland 86“, die Fortsetzung der RTL-Spionageserie „Deutschland 83“.

Das Team unter der Regie von Florian Cossen („Das Lied in mir“) und Arne Feldhusen („Der Tatortreiniger“) kommt gerade von Dreharbeiten in Südafrika zurück. Weil die erste Staffel im Privatfernsehen floppte, übernahm der Streaminganbieter Amazon Prime Video das Risiko der Fortsetzung. Dessen zahlende Kunden in Deutschland können „Deutschland 86“ ab Herbst 2018 als Erste sehen, RTL darf die Serie im Anschluss im Free-TV ausstrahlen.

Die Kooperation zwischen linearem Fernsehen und VOD-Anbietern, die aufwändige und teure Produktionen ermöglichen soll, gilt als Branchentrend. Erstes bestes Beispiel war die 40 Millionen Euro teure Serie „Babylon Berlin“, die die ARD zusammen mit dem Pay-TV-Sender Sky produzierte.

„Meilenstein der Finanzierung“

Über die Kosten der zehn Folgen „Deutschland 86“, die in Südafrika und Berlin gedreht werden, hält Amazon sich bedeckt. Nur so viel erfährt man beim Pressegespräch am Montag: Mehr als 80 Prozent finanziert Amazon. 800 000 Euro Fördergeld gibt das Medienboard Berlin-Brandenburg dazu.

Ufa-Chef Nico Hofmann nannte die Kooperation seines Unternehmens mit Amazon, der internationalen Produktionsgesellschaft FremantleMedia und RTL einen „Meilenstein“ der Finanzierung. „Dieses Modell könnte auch in Zukunft angewendet werden, zum Beispiel für die Verfilmung des Robert-Harris-Romans ,Munich’.“

Noch wollen die Autoren, Anna und Jörg Winger, nicht zu viel vom „Deutschland 86“-Plot verraten. Wie auch in der ersten Staffel sind die Hauptcharaktere fiktiv und die politischen Rahmenbedingungen real. Der vom DDR-Regime zur Spionage gezwungene Martin Rauch (Jonas Nay) wird nach Angola verbannt, wo er in einer Ölraffinerie, in der auch ostdeutsche Ingenieure arbeiten, auf seine Tante Leonora (Maria Schrader) trifft. Als DDR-Spionin schmuggelt sie Waffen in das Bürgerkriegsland.

Als die Lage eskaliert, geraten die beiden zwischen die Fronten der Rebellengruppen. Da die DDR zu der Zeit wirtschaftlich angeschlagen und dringend auf Devisen angewiesen war, zwang sie ihre Agenten zu kapitalistischen Experimenten, um den Sozialismus zu retten. Zudem behandelt die Serie die Perestroika, den Terrorismus in Europa und den Kampf gegen die Apartheit.

„Wir interessieren uns für die Geschichte als Metapher. Viele der damaligen politischen Themen spielen auch aktuell eine wichtige Rolle, wie die Angst vor Terrorismus in Europa“, erklärte Headautorin Anna Winger.

„Die Deutschen unterschätzen ihre eigene Kultur“

Die Serie „Deutschland 83“, die in mehr als 110 Ländern ausgestrahlt wurde, soll deutsche Geschichte für ein internationales Publikum zugänglich machen; die Fortsetzung wurde bereits an Sender in den USA, Großbritannien, Kanada und in Europa verkauft.

„Unsere fiktionalen Figuren agieren frei vor dem Hintergrund der wahren Geschichte der 80er Jahre, aber sie bereisen die Welt für den Zuschauer immer aus dem Blickwinkel ihrer Herkunft, der DDR“, sagte Winger.

Die Frage, wie man einen Teil deutscher Geschichte für ein globales Publikum erzählt, findet sie seltsam: „Die Geschichte funktioniert, weil sie spannend ist und ihr Publikum finden wird. Die Deutschen unterschätzen ihre eigene Kultur. Warum sollte sie nicht für andere Menschen interessant und unterhaltsam sein?“

Jörg Winger sagte: „Die Geschichte hinter ,Deutschland 86’ ist universell. Es geht um Liebe, Machtkämpfe und Konkurrenz. Das ist für ein internationales Publikum verständlich.“

„Die richtige Show auf dem falschen Kanal“

Warum Amazon die Serie fortsetzt, die im linearen Fernsehen floppte, erklärte Amazon Video Deutschlands Geschäftsführer Christoph Schneider so: „RTL hatte höhere Erwartungen, aber es war trotzdem ein Erfolg in Deutschland. Es war die richtige Show auf dem falschen Kanal.“ 

Auch Jörg Winger wurde in der Presse mit der Einschätzung zitiert, erklärte aber: „Das Zitat, RTL sei der falsche Sender gewesen, wurde aus dem Zusammenhang gerissen. RTL war absolut der richtige Sender. Ohne ihn würde es die Serie gar nicht geben." 

Anna Winger sieht die Zusammenarbeit ebenfalls positiv. „Ein Problem war aber, dass RTL die Folgen in 90-Minütigen Blocks gezeigt hat. Wir haben die Episoden aber als 45-Minüter gemacht. Es war das falsche Format.“

RTL-Vertreter waren beim Pressegespräch nicht anwesend. Warum? Weil es sich um eine Amazon-Veranstaltung handelte, sagte Christoph Schneider.

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