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Nicht ausgetauscht. Das Portrait Honeckers war Jahrzehnte lang das selbe.

© dpa

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ZZF-Direktor Martin Sabrow untersucht das Bild von Erich Honecker in der Öffentlichkeit

Man könne Erich Honecker als einen „kommunistischen Glamour-Politiker“ sehen, meint Martin Sabrow. Honecker habe eine Zeit lang den Eindruck vermittelt, er tauge als sozialistisches Gegenstück zu J.F. Kennedy mit Margot Honecker als Jackie-Kennedy-Pendant an seiner Seite, so der Direktor des Zentrums für Zeithistorische Forschung in Potsdam (ZZF). Sabrow untersucht gegenwärtig das Bild des langjährigen Staatschefs der DDR und berichtete kürzlich über das Ergebnis seiner Forschung in einer Ringvorlesung in Berlin. Den zunächst ein wenig steil erscheinenden Vergleich zu Kennedy untermauerte Sabrow mit Fotos von Margot und Erich Honecker in jungen Jahren bei einem Urlaub an der Ostsee. Die Bilder zeigen einen jungen, entspannten, gut aussehenden Mann mit einer schönen Frau beim unbeschwerten Badevergnügen. So fern erscheint die Gegenüberstellung plötzlich nicht mehr.

Vorherrschend war allerdings ein anderes Bild des Sozialisten. Das Portrait Honeckers hing über Jahrzehnte in unzähligen Amtsstuben und Privathaushalten der verblichenen DDR. Es zeigte einen etwas verkniffen lächelnden Mann mit grau melierten Haaren und einer schwarz umrandeten Brille, einem sandfarbenen Jackett und einer roten Krawatte. Die Bilder wurden nicht ausgetauscht, Honecker alterte nicht. Erst als die sozialistische Utopie versank, entstanden ganz andere Bilder. Die zeigten einen alt gewordenen, ein wenig aus der Zeit gefallenen Mann. Nach Sabrows Einschätzung bemühte sich der Staatschef während seiner Amtszeit, individuelle Persönlichkeitszüge so weit wie möglich zu tilgen. Honecker wollte in dem Idealbild sozialistischer Musterbiografie aufgehen. Dies beziehe sich sowohl auf Fotos wie auch auf seine Autobiografie. Bei den wenigen Bildern aus Honeckers Jugend, die sich in dem Band finden würden, falle auf, dass sie eine Person zeigten, in der der spätere Herrscher kaum erkennbar sei. „Private Bilder, Schnappschüsse und Jugendfotos hätten wohl nicht zu dem Idealbild gepasst, das mit dem Buch entworfen werden sollte und an das Honecker vermutlich auch selber glaubte“, mutmaßt Sabrow. Dementsprechend dominierten Fotos, die eine blasse, weitgehend konturlose Physiognomie zeigten.

Helmut Schmidt, der frühere Bundeskanzler der damaligen BRD, sagte über Honecker, er habe überhaupt nicht verstehen können, wie sich ein so blasser, farbloser, intellektuell überforderter Mensch dermaßen lange an der Spitze eines Staatsapparates habe halten können. Dieser Einschätzung widersprechen allerdings Kommentare von Honeckers Weggefährten aus seiner frühen Zeit als KPD-Mitglied im Saarland und auch als FDJ-Vorsitzender nach dem Zweiten Weltkrieg. Die schildern ihn als „gewinnenden, selbstsicheren Mann“, der auch sehr überzeugend argumentieren konnte.

Nachdem Honecker während der Nazizeit wegen seiner politischen Aktivitäten zu Gefängnis verurteilt worden sei, habe er sich bemüht, alle möglichen Brüche und abweichenden Linien seines Bildes in der Öffentlichkeit zu tilgen, so Sabrow. „Es gibt keinen Augenblick, an dem ich an unserer Sache gezweifelt habe“, konstatierte Honecker und hielt an diesem Credo auch fest, als die politische Bühne für seinen Auftritt längst zusammengebrochen war. Als Honecker 1992 von Moskau nach Berlin überstellt worden war und in der Strafanstalt Moabit einsaß, erklärte der 80-Jährige, er wäre immer Kommunist gewesen und bleibe dies auch. Dies legte ihm der Anstaltsarzt allerdings als Altersstarrsinn aus.

Sabrow zeigt in dem Bild, das sich der Parteisekretär im Laufe seines Lebens von sich zurechtgelegt hat, deutliche Abweichungen von der nachprüfbaren Faktenlage. Seine Geschwister beschrieb Honecker mit den Worten: „Wir waren sechs und wir dachten alle an die kommunistische Fahne“. Das stimmte jedoch nicht ganz. Einer seiner Brüder trat aus Überzeugung der NSDAP bei und fiel im Krieg. Das Verhältnis Honeckers zu seiner ersten Ehefrau Charlotte Schanuel war ebenfalls nicht so recht geklärt. Diese war Aufseherin in dem Gefängnis, in dem der politische Häftling Honecker im NS-Staat eingesessen hatte. Als solche sei sie an der Überstellung von politischen Häftlingen an die Hinrichtungsstätte Plötzensee beteiligt gewesen, vermutet Sabrow. Auch wenn sie sich ihre Menschlichkeit bewahrt habe, sei Schanuel wohl eine vorbildliche NS-Aufseherin gewesen. In seiner Autobiografie vertuscht der Politiker seine Beziehung zu Schanuel, indem er ihre Person mit verschiedenen Deutungen ihres Namens verschleiert.

Dennoch könne nicht von einer „Lebenslüge Erich Honeckers“ gesprochen werden, wie von Magazinen getitelt wurde. Eher habe sich der Kommunist bemüht, seine Person hinter seinem Wunschbild verschwinden zu lassen. Daher habe er kein Führercharisma entwickelt. „Die DDR war eine Diktatur ohne Diktator. Sie ist nicht über ihre Protagonisten greifbar“, behauptet der Historiker. Entscheidend sei das Herrschaftssystem gewesen, das über eine weitgehende Bespitzelung funktioniert habe.

Richard Rabensaat

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