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Der neue Austauschschüler Sandy (Zayn Baig) sorgt in der Familie von Erik (Martin Brambach) für zusätzliche Probleme.

© ARD Degeto/Christiane Pausch

Der etwas andere „Culture Clash“: ARD-Komödie „Kein Herz für Inder“ mit Beatles-Soundtrack

Zum Zusammenprall der Kulturen kommt in der ARD-Komödie "Kein Herz für Inder" ein handfestes Ehedrama. Und Paul McCartney hat ein Gastspiel.

Der Titel ist ein Vorgeschmack auf eine Komödie, die von bösen Dialogen nur so strotzt. Dabei kaschieren Sathyan Ramesh und Viviane Andereggen erstaunlich lange, dass „Kein Herz für Inder“ dem witzigen Zusammenprall der Kulturen zum Trotz in Wirklichkeit ein Ehedrama ist. Ihr Film variiert das beliebte Muster der „Culture Clash“-Erzählung à la „Zimtstern und Halbmond“, findet aber einen völlig neuen Ansatz: Weil ihre Lehrerin überzeugt ist, dass die 16jährige Fiona (Lena Urzendowsky) vereinsamt, schlägt sie einen Schüleraustausch vor. Als Beatles-Fan entscheidet sich Fionas Vater, Erik Neufund (Martin Brambach), für Sandy McCartney, aber die vermeintliche Engländerin entpuppt sich bei der Ankunft als 13jähriger Inder mit dem unaussprechlichen Namen Sacchidananda (Zayn Baig); der kleine Hindu ist eine Intelligenzbestie und hat zwei Klassen übersprungen.

Sandy spricht ein nicht immer verständliches lustiges Inderdeutsch und ist ein etwas besserwisserischer Junge, der gern indische Lebensweisheiten zum Besten gibt („Alles bleibt für immer, es ändert sich nur“) und für allerlei Chaos sorgt. Davon abgesehen ist er durchaus liebenswert; aber die Neufunds wollen ihn trotzdem möglichst schnell wieder loswerden. Erik und Gattin Charlotte (Aglaia Szyszkowitz) haben ohnehin den Kopf nicht frei: er, weil ihm die Steuerfahndung im Nacken sitzt; sie, weil sie der Ehe schon lange überdrüssig ist und sich längst mit einem Anwalt (André Szymanski) vergnügt. Als sie Sandy überzeugt haben, dass eine Heimkehr nach London das Beste für alle ist, entdeckt ausgerechnet die eigenbrötlerische Fiona ihr Herz für Inder.

Der Knüller ist Zayn Baig

Bei Viviane Andereggen ist Rameshs Drehbuch eindeutig in den besten Händen. Die Regisseurin hat mit ihrem Debütfilm „Simon sagt auf Wiedersehen zu seiner Vorhaut“ (2015) bewiesen, wie gut sie eine dramatische Geschichte heiter verpacken kann; außerdem hat sie ihren jungen Hauptdarsteller damals zu einer vorzüglichen Leistung geführt. Das ist bei „Kein Herz für Inder“ nicht anders. Lena Urzendowsky war schon in „Das weiße Kaninchen“ famos. Hier zeigt die junge Schauspielerin, dass sie auch in einer Komödie gut aufgehoben ist, selbst wenn die verschlossene Fiona im Wesentlichen für die Kontrapunkte zuständig ist; das ist ohnehin die einzige Möglichkeit, neben einem Vollblutkomödianten wie Brambach zu bestehen. Der liefert mit Vater Neufund erneut eine seiner wunderbaren Studien eines tragikomisch verzweifelten Mannes, der machtlos mit ansehen muss, wie alles, was ihm lieb und teuer ist, zwischen den Fingern zerrinnt. Der Knüller des Films ist jedoch Zayn Baig, ein junger Brite, der überhaupt kein Deutsch konnte. Umso höher ist es den Verantwortlichen anzurechnen, dass sie seine Dialoge nicht synchronisieren ließen; er selbst hat im Anschluss an die Dreharbeiten einige Dialoge der besseren Verständlichkeit wegen noch mal selbst eingesprochen.

Sathyan Ramesh war unter anderem an „Türkisch für Anfänger“ beteiligt und hat von „Eine Nacht im Grandhotel“ (2011) bis zu „Matthiesens Töchter“ (2016) immer wieder große Komödien geschrieben. Auch bei „Kein Herz für Inder“ besteht das Kunststück darin, die Botschaft des Films und die eigentliche Erzählung hinter vielen witzigen Einfällen zu verstecken. Als Fiona zusammen mit Sandy verschwindet, wird den Eltern endlich klar, was sie angerichtet haben; also reisen sie den Kindern nach London hinterher. Beatles-Fans wird der Film ohnehin Spaß machen, denn die Musik besteht überwiegend aus Beatles-Songs, und in London läuft Erik tatsächlich dem leibhaftigen Paul McCartney über den Weg. Tilmann P. Gangloff

„Kein Herz für Inder“, ARD, Freitag, 20 Uhr 15

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