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Homepage: Der Akt des Entstehens

Produktdesign-Studenten zeigen ihr vielbeachtetes Projekt „Magic“ auf der Jahrespräsentation der Fachhochschule Potsdam

Eigentlich ist es nicht üblich, Designern beim Entwerfen ihrer Produkte über die Schulter zu schauen. Im traditionellen Handwerk ist das anders. Auf Märkten und in Schauwerkstätten kann man vielerorts hautnah erleben, wie Tongefäße geformt, Stoffe gewebt oder Körbe geflochten werden. Wie aber entsteht modernes Design? Und was hat das mit Handwerk zu tun?

Im vergangenen Wintersemester hat Professor Hermann Weizenegger vom Fachbereich Produktdesign der Fachhochschule Potsdam zwölf Studenten des 4. bis 8. Semesters mit der Frage konfrontiert, inwieweit Design Handwerk präsentieren, aber auch kommunizieren kann. „Magic – Design-Performance“ war der Titel dieses ungewöhnlichen Projektes, bei dem die Studierenden nicht nach einem Produkt suchen sollten, sondern nach handwerklichen Fähigkeiten, die es vielleicht wieder- oder neu zu entdecken gilt. Im Mittelpunkt stand die Frage nach deren Machbarkeit und Vorführbarkeit.

Studentin Aylin Kayser reiste nach Amsterdam zu einem holländischen Knotenspezialisten, mit dem sie in einer gemeinsamen Performance aus einer 80 Meter langen türkisfarbenen Polypropylenschnur unter anderem einen „Obstkorb“ kreierte. Nicht einen Handwerker im eigentlichen Wortsinn, sondern einen Bodybuilder bemühte Sven Funcke. Nur mit der Kraft seiner Hände schuf dieser aus Stahlrohlingen edel anzuschauende, minimalistische Borde oder Tabletts. Der Akt des Entstehens war dabei für Funcke das Wichtigste an seiner Projektidee.

Benedikt Gnadt und Christian Thomas gingen mit ihrem Objekt „Brüt“ ganz andere Wege. Sie stellten mithilfe von Luftballons und einer Spezialbetonmischung Rieseneier her, die sie im Endeffekt als Vasen verwendeten. Die Performance sollte dabei im zielgerichteten Verschwenken der Betonmasse bestehen – auf der Unterseite zehn Millimeter dick, an den Seiten höchstens ein Drittel davon. Dafür suchten die Studenten die Kooperation mit der „Berliner Blindenanstalt“. Ein blinder Mensch, so ihre Beobachtung, hat ein viel besseres Gefühl dafür, wie sich die Masse in dem aufgeblasenen Luftballon verteilt. Die Studenten partizipierten dabei nicht nur von den besonderen Fähigkeiten der blinden Handwerker, sondern erwarben darüber hinaus wichtige soziale Kompetenzen. Deren Erwerb sieht Hermann Weizenegger im Ausbildungsprozess als wesentlich an, da gerade Designer berufstypisch immer ein wenig im Elfenbeinturm sitzen würden.

Näher gekommen sind sich im Projekt auch die beiden Studentinnen Jessica Gazdic und Tanja Krakowski. Fast ein Dreiviertel Jahr lang experimentierten sie mit so unterschiedlichen Materialien wie Gips, Acryl, Ton oder Pappmaché, die sie in Modellierballons füllten. Am Ende ihrer gemeinsamen Materialsuche entschieden sie sich für Silikon, mit dessen Hilfe sie ungewöhnliche Leuchtskulpturen schufen: gewickelte und geflochtene Gebilde, die mit einer Kaltlichtglühbirne eine ganz eigene Atmosphäre entstehen lassen.

Die beiden Frauen waren überwältigt von der Resonanz auf ihr Produkt, das sie, wie alle anderen Projektteilnehmer, im Mai dieses Jahres auf der Berliner Designmesse DMY präsentierten. Wie auf einem traditionellen Handwerkermarkt ließen die Studenten ihre eigenwilligen Kreationen erneut vor den Augen des Publikums entstehen. Und selbst wenn es, wie bei den außergewöhnlichen „Schwammleuchten“ von Marius Farwig, nicht gleich auf Anhieb klappte, so haben die Studenten innerhalb des Projekts ihre Fähigkeiten im Recherchieren und in der Organisation des Sponsorings entscheidend erweitern können.

Auf der Jahrespräsentation „Querschnitt 2008“, die vom 11. bis 12. Juli auf dem Campus der Fachhochschule in der Pappelallee stattfindet, ist nochmals Gelegenheit, alle neun Studentenarbeiten in ihrem Entstehungsprozess zu verfolgen sowie in einem Videofilm die Berliner Messeatmosphäre nachzuvollziehen. Als Live-Performance vor Ort wird die Arbeit mit dem geheimnisvollen Titel „Knallforschung“ von Jens Dralle und Dimitrios Tsolkas zu erleben sein.

„Querschnitt 2008“ am 11. Juli ab 16 Uhr mit Rundgang und Sommerfest ab 22 Uhr sowie am 12. Juli von 11 bis 16 Uhr im Haus 5 auf dem Campus Pappelallee

Astrid Priebs-Tröger

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