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Die Forscher erwarten, mit dem Posten im All Kollisionen sehr massereicher schwarzer Löcher und sogar ganzer Galaxien messen zu können. 

© AEI/dpa

Dem Urknall lauschen: Potsdamer Forscher planen Satellitenmission

Wissenschaftler des Albert Einstein Instituts in Potsdam bereiten eine Satellitenmission zur Messung von Gravitationswellen vor. Sie wollen damit bis tief in die Geschichte des Universums vordringen.

Potsdams Gravitationsforscher wollen ganz hoch hinaus. An der ersten direkten Gravitationswellendetektion und dem Nobelpreis dafür waren sie bereits indirekt beteiligt. Nun wollen sie aber noch höher aufsteigen. Millionen Kilometer über unseren Köpfen wollen die Forscher des Max-Planck-Instituts für Gravitationsphysik (Albert Einstein Institut/AEI) das Satellitennetzwerk „Lisa“ (Laser Interferometer Space Antenna) zur Messung der unsichtbaren Wellen installieren.

So sollen die minimalen Krümmungen der Raumzeit ohne irgendwelche irdischen Störungen aufgespürt werden. Mit Hilfe dieser Wellen können Wissenschaftler immer weiter zurückblicken in die Geschichte des Universums.

Professor Karsten Danzmann, Direktor am Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik (Albert Einstein Institut) in Potsdam. 
Professor Karsten Danzmann, Direktor am Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik (Albert Einstein Institut) in Potsdam. 

© Julian Stratenschulte/dpa

Der Physiker Karsten Danzmann ist geradezu euphorisch. „It’s working like a dream“, rief er unlängst bei einer Präsentation der Fachpresse zu. Gemeint ist die Lisa-Pathfinder-Mission, die bereits 2015 den Weg für die eigentliche Satellitenmission vorbereitet hat. Hier wurde im Kleinen getestet, was später im Großen funktionieren soll. 

Ein Dreieck aus Laserstrahlen

Die drei Satelliten werden Millionen Kilometer voneinander platziert, zwischen den künstlichen Himmelskörpern entsteht ein Dreieck aus Laserstrahlen, deren minimale Abweichung von den Spiegeln den Durchgang einer Gravitationswelle anzeigen kann.

Bereits 2017 genehmigte die europäische Raumfahrtbehörde Esa die endgültige Lisa-Mission, die in den 2030er Jahren Realität werden soll. „Mit einem solchen Laserinterferometern werden wir nicht kleinen Schwarzen Löchern von dutzenden Sonnenmassen lauschen, sondern wir werden die Kollision ganzer Galaxien hörbar machen“, sagt Danzmann. So etwas passiere ständig im Universum, heute noch können die Kosmologen die Ergebnisse davon nur durch Strahlung von Röntgenquellen sehen – ein Resultat bisheriger Kollisionen ganzer Galaxien.

Signal von kollidierenden Schwarzen Löchern auffangen

„Wir sehen die Schwarzen Löcher natürlich nicht, aber wir sehen wie sich die Materie erhitzt, wenn sie in diese unsichtbaren Löcher hineingesaugt wird“, erklärt der Physiker, der das Teilinstitut Hannover des Potsdamer AEI leitet, an dem der erdgebundenen Gravitationswellen-Detektor GEO600 betrieben wird. Mit den Satelliten von „Lisa“ dürfte man dann auch das Signal von kollidierenden Schwarzen Löchern auffangen, die ein Vielfaches an Sonnenmassen umfassen: „Das gibt ein Signal, das sich in seiner Brutalität nur mit dem Urknall selbst vergleichen lassen dürfte.“ 

Die Forscher erwarten, mit dem Millionen Kilometer umfassenden Laserdreieck im All bis tief in die Geschichte des Universums vordringen zu können.
Die Forscher erwarten, mit dem Millionen Kilometer umfassenden Laserdreieck im All bis tief in die Geschichte des Universums vordringen zu können.

© AEI/MildeMarketing/Exozet

Die drei „Lisa“-Satelliten sollen in einer Umlaufbahn um die Sonne platziert werden, rund 15 Millionen Kilometern von der Erde entfernt. Einmal pro Jahr soll sich das Konstrukt um sein Zentrum drehen – wie ein Wagenrad. Das Vorhaben sei schwierig. „Es handelt sich um sehr anspruchsvolle Technologie, das musste erst einmal getestet werden“, erklärt Danzmann. Dafür musste die „Lisa“-Pathfinder Mission 2015 ein Erfolg werden. „Und sie war ein großer Erfolg“, sagt der Forscher heute noch enthusiastisch.

Der stillste Ort im Universum

Erstmals wurden dann 2017 zwischen zwei fliegenden Testmassen Beschleunigungsgeräusche gemessen. „Wir haben den stillsten Ort im Universum dafür geschaffen“, sagt Danzmann. Die Messung dabei sei so genau und die Testmassen so ruhig gewesen, dass es ein riesiges Signal gegeben hätte, wenn auch nur ein winziges Virus auf eine der Testmassen gefallen wäre. „Unser Fazit: Lisa funktioniert“.

Die Esa hat schnell reagiert und das 1,5-Milliarden-Projekt „Lisa“ in das Future-Science-Programm aufgenommen. Wenn „Lisa“ dann in den 2030er Jahren die Arbeit aufnimmt – Danzmann rechnet mit 2034 –, hoffen die Gravitationsforscher Dinge wahrnehmen zu können, die für uns bisher im Dunkel des Alls verborgen geblieben sind. „Bislang beobachten wir nur den Vorgarten – mit der Empfindlichkeit von „Lisa“ werden wird dann aber das große Unbekannte darüber hinaus wahrnehmen können“, schwärmt Danzmann. „Wir werden in die Kinderstube des Universums zurückblicken können.“ Diese Technologie sei die einzige Chance, dahin zurückkehren zu können, wo alles einmal anfing. Damit werde das gesamte Frequenzspektrum hörbar werden. „Wir werden die Dinge bis an den Beginn von allem, was je existiert hat, zurückverfolgen können.“

Potsdamer Forscher sind Pioniere in der Gravitationswellen-Forschung

Die Potsdamer Max-Planck-Forscher und ihre Kollegen in Hannover zählen zu den Pionieren der Gravitationswellen-Forschung. In Deutschland sind Forscher diesen Wellen bereits seit 48 Jahren auf den Spuren, hier wurden bereits damals experimentell nach ihnen gesucht – und zwar bevor es Lasermessung überhaupt gab. 

In Hannover wurden in den 1970er Jahren dann erste Laser für Gravitationswellen-Detektoren entwickelt, aus denen dann schließlich das GEO600-Interferometer wurde, das das AEI heute 17 Kilometer südlich Hannover betreibt. Eine deutsch-britische Kollaboration: „Nicht nur eine Beobachtungsanlage mit 600 Meter Armlänge, sondern auch Think-Tank, in dem Technologien für zukünftige Interferometer entwickelt werden“, so Danzmann.

Neue Gravitationswellen werden gemessen

Die Ligo-Detektoren in den USA, mit denen vor dreieinhalb Jahren zum ersten Mal eine Gravitationswelle direkt nachgewiesen werden konnte, arbeiten zum großen Teil mit Technologie, die in Deutschland entwickelt und hergestellt wurde. „Das was Advanced Ligo so empfindlich macht, beruht zum großen Teil auf unserer Arbeit“, sagt Danzmann. Seit 1. April laufen die Detektoren wieder, und der Physiker rechnet damit, dass jeden Monat neue Gravitationswellen gemessen werden. Neben „Lisa“ im All sind auch auf der Erde weitere Detektoren geplant.

In ihren Schwingungen transportieren die Gravitationswellen Botschaften über die Geheimnisse des Universums, über den Ursprung des Alls, über die Beschaffenheit von Schwarzen Löchern, Neutronensternen und der dunklen Materie. „Es wird noch viel mehr von solchen Dingen geben, die wir noch gar nicht kennen“, schätzt der Physiker. Das beobachtbare Volumen werde durch neue Detektoren um den Faktor 1000 anwachsen: „Das macht den großen Unterschied.“

In ihren Schwingungen transportieren die Gravitationswellen Botschaften über die Geheimnisse des Universums. Hier ist eine Visualisierung von Gravitationswellen zu sehen.
In ihren Schwingungen transportieren die Gravitationswellen Botschaften über die Geheimnisse des Universums. Hier ist eine Visualisierung von Gravitationswellen zu sehen.

© Julian Stratenschulte/dpa

Ziel ist es dabei, auch das störende Quantenrauschen zu unterdrücken – und im nächsten Schritt zu versuchen es komplett herauszufiltern. Ein weiterer Störenfried ist das sogenannte thermische Rauschen – eine Konsequenz zufälliger thermischer Bewegung, die alles in der Natur erschüttert, auch die Spiegel in den Detektoren. Dazu werden nun Spezialspiegel mit Nanostrukturen entwickelt, damit Messungen frei von allem störenden Rauschen möglich werden.

Strahlende Zukunft

Der Zukunft der erdgebundenen Gravitationswellen-Astronomie steht für Danzmann nichts mehr im Wege. Und für die niedrigen Frequenzen müssen die Forscher ins All. „Wir zählen auf den Lisa-Detektor“, so Danzmann. Immer wieder sagt er, dass die Gravitationswellen-Astronomie eine „strahlende Zukunft“ hat. „Das ist gut so, denn ich möchte damit den Urknall hören – und das werde ich auch noch“, sagt der 64-jährige Forscher im Brustton der Überzeugung.

Lesen Sie weiter auf pnn.de:

Die Messung der ersten Gravitationswellen gab Wissenschaftlern vollkommen neue Einblicke ins Universum. Der Potsdamer Physiker Harald Pfeiffer vom Albert-Einstein-Institut spricht im PNN-Interview über Schwarze Löcher, neue Antworten zur Weltformel und Einflüsse von höheren Dimensionen.

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