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Preotest beim Neujahrsempfang 2020 der Universität Potsdam.

© Ottmar Winter

Update

Debatte um Demokratie: Protest gegen AfD beim Neujahrsempfang der Uni

"Rechte Hetze tötet": Studenten haben beim Neujahrsempfang der Universität Potsdam gegen die Einladung von AfD-Politikern demonstriert.

Potsdam - Das eigentliche große Thema der Universität Potsdam fiel in der Neujahrsansprache von Uni-Präsident Oliver Günther am Mittwoch eher schmal aus. Die Uni ist in einer in ihrer Geschichte einmaligen Wachstumsphase mit allem was dazu gehört: Wachstumsschmerzen, Platzmangel und steigenden Studierendenzahlen.  Was Günther offenbar mindestens genauso beschäftigt, stellte er in den Mittelpunkt: Die Frage von Rede-, Meinungs- und Wissenschaftsfreiheit an der Universität.

Uni-Präsident Oliver Günther öffnet di Tür zum Hörsaal und gewährt den Demonstranten Einlass.
Uni-Präsident Oliver Günther öffnet di Tür zum Hörsaal und gewährt den Demonstranten Einlass.

© Ottmar Winter PNN

Wer an der Hochschule sprechen soll, darf und kann, das ist seit Jahren schon ein Streitpunkt beim Neujahrsempfang. Und auch in diesem Jahr erneuerten Studierende ihre Kritik daran, dass die Hochschule zum Empfang Politiker der AfD eingeladen hat. Wie schon in den Vorjahren sprengten die Studierenden den Empfang. Das konnte sie allerdings nur, weil Oliver Günther sie in den Saal gelassen hatte. Er gewährte ihnen Rederecht – und gab damit schon seine Antwort auf die Frage nach der Meinungsfreiheit an der Uni.

Der Allgemeine Studierendenausschuss (Asta) hatte zuvor die Befürchtung geäußert, dass mit der Einladung der AfD zur Verharmlosung der Partei beigetragen werde. Die Uni solle sich kritisch mit dem gesellschaftlichen Rechtsruck auseinandersetzen, so der Asta. Und mehr noch: Uni-Präsident Günther schade mit der Einladung dem Wissenschaftsstandort Potsdam. „Wer den rechtsradikalen AfD-Landesverband salonfähig macht, verschärft den Rechtsruck in Brandenburg“, so der Asta. Das mache Potsdam und Brandenburg für weltoffene Wissenschaftler unattraktiv. Angesichts von Verbindungen in der AfD zu rechtsradikalen Organisationen sei es unangemessen, die Partei zum Neujahrsempfang einzuladen Für Oliver Günther, der sich seit Jahren schon gegen Rechtspopulismus und Wissenschaftsfeindlichkeit stark macht, ist es dennoch richtig, auch Abgeordnete einer Partei einzuladen, deren Auffassungen mancher nicht teilt. Die Rede- und Meinungsfreiheit gehöre in Deutschland – zum Glück, wie er sagt – zu den Grundrechten der Bürger. Günther schränkte allerdings auch ein, dass verfassungsfeindliche Äußerungen und Diskriminierungen nicht zu dieser Freiheit gehören.

Unaufgeregt und im Sinne einer Kontroverse erklärte Günther mit ruhiger Stimme seinen Standpunkt, während die Protestierenden sich dicht hinter ihm aufgebaut hatten. Auch er finde die Ereignisse um die AfD bedenklich. Die Frage sei aber, wie man darauf reagiert. „Die demokratischen Spielregeln dürfen dazu nicht außer Kraft gesetzt werden“, sagte Günther. „Alles andere wäre eine Niederlage und ein Zurückweichen vor dem rechtsradikalen Geist.“ Für Günther hat die Politik grundsätzlich einen Platz auf dem Campus. Die kritische Auseinandersetzung mit Andersdenkenden sei wichtig. Das betreffe Wissenschaftler und Studierende gleichermaßen. Die Uni sei ein Ort der Verständigung und der freien Rede. Keine Lust, sich mit demokratiefeindlichen Kräften auseinanderzusetzen – wie ein Student der Uni Potsdam unlängst geäußert habe –, könne nicht das Kriterium sein. Auch er habe manchmal keine Lust mit Vertretern anderer Meinungen zu diskutieren, so Günther. Doch das sei nicht nur sein Job als Uni-Präsident, sondern auch seine Pflicht als Bürger. Dafür erhielt Günther viel Applaus im dicht besetzten Hörsaal.

Die politische Debatte sei ein essenzieller Bestandteil unseres Erziehungs- und Bildungsauftrags. „Ein Rückzug in den Elfenbeinturm führt in die Irre“, sagte der Uni-Präsident. Den Campus sieht er als Forum für Diversität und Pluralität: „Für ein sehr breites Spektrum an Meinungsäußerungen, darunter auch viele, mit denen man Probleme hat.“ Dass die Hochschule politisch neutral bleiben muss, verstehe sich dabei von selbst. Doch so lange politische Diskussionen und Vorträge von Politikern keine parteipolitischen Veranstaltungen und verfassungskonform sind, befürwortet Günther sie auf dem Campus.

Offen für den Diskurs zu sein, bedeute allerdings nicht, dass man sich alles gefallen lassen müsse.  Heute würden auch in Deutschland Wissenschaftler moralisch diskreditiert und ausgegrenzt, wenn ihre Äußerungen im hochschulpolitischen Umfeld auf Widerspruch stoßen. Richtig wäre es hingegen, sich mit kontroversen Äußerungen inhaltlich und intellektuell auseinanderzusetzen. „Niederbrüllen, Stalking, wildes Plakatieren, Boykottieren von Vorlesungen und ähnliche Aktionen dürfen nicht toleriert werden, egal, von wem sie kommen“, so Günther.

Oliver Günther, Friede Springer und Gabor Polyyak (v.l.).
Oliver Günther, Friede Springer und Gabor Polyyak (v.l.).

© Ottmar Winter

Dass in vielen Ländern heute nicht-systemkonforme Wissenschaftler geschasst werden, bereitet dem Potsdamer Uni-Chef große Sorgen. Das betreffe nicht nur Länder wie Iran, China oder die Türkei, auch in EU-Ländern wie Ungarn und Polen sei die Wissenschaftsfreiheit in Gefahr. Umso mehr sei das Engagement der Universität gefragt. Und so ging der „Voltaire-Preis für Toleranz, Völkerverständigung und Respekt vor Differenz“ der Friede Springer Stiftung in diesem Jahr an den Ungarn Gábor Polyák für seinen Einsatz für Presse- und Meinungsfreiheit. Gábor Polyák stehe unter hohem politischen Druck mit seiner Arbeit für die Grundrechte von Meinungs- und Medienfreiheit ein. Das würdigte die Jury.

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