zum Hauptinhalt
Alte Verschlusssachen. In Akten des DDR-Außenministeriums, der SED und auch des US-Auslandsgeheimdienstes CIA schlummern noch einige Geheimnisse zu den Auslandsaktivitäten des DDR-Geheimdienstes.

© Mike Wolff

DDR-Geheimdienst im Ausland: Wie die Stasi in Übersee spionierte

Wie die Stasi in Nicaragua, Mosambik und Sansibar agierte, untersucht jetzt eine Potsdamer Doktorandin. Sie fand auch heraus, dass es dort bis heute Kontinuitäten von der DDR-Zeit gibt.

Potsdam - Eine Krake als Exportschlager. Und dies weltweit. So hatten es sich die Regierenden in der DDR gewünscht. Die Krake, das war die Stasi, deren Fangarme und Saugnäpfe von der Ostsee bis zum Erzgebirge wucherten. Und oft eben noch ein großes Stück weiter. Auch in vielen Ländern des Südens, in Afrika, Lateinamerika und Asien, war der Geheimdienst des sozialistischen deutschen Staates aktiv. Man versuchte, hier Strukturen nach seinem eigenen Vorbild aufzubauen.

Zu den Übersee-Aktivitäten der Stasi ist bislang kaum etwas bekannt. „Es gibt einfach nichts dazu“, sagt Anna Warda, seit 2014 Doktorandin am Historischen Institut der Universität Potsdam und assoziierte Wissenschaftlerin am Zentrum für Zeithistorische Forschungen in Potsdam. „Nur vereinzelt wird dies in bisherigen Publikationen genannt.“ Mit ihrer Dissertation, an der sie derzeit arbeitet, will die Potsdamer Wissenschaftlerin nun Licht in das Dunkel der Stasiaktivitäten in den Entwicklungs- und Schwellenländern, dem sogenannten Globalen Süden, bringen. In fast 30 Staaten, womöglich auch in weiteren Ländern, wollte die Stasi als „Aufbauhelferin“ tätig sein, sagt Warda.

Kontinuitäten von der Stasi bis in die heutige Zeit

Genauer untersucht hat die Potsdamer Historikerin die Situation in Nicaragua, Tansania und Mosambik. Dazu ist sie in diese Länder gereist, hat mit Zeitzeugen gesprochen und im Ausland Akten eingesehen. In Deutschland forschte Warda in der Stasiunterlagenbehörde, im Archiv des Auswärtigen Amtes, wo die Akten des DDR-Außenministeriums lagern, sowie im Bundesarchiv, das die Dokumente der SED beherbergt. Online sah Warda auch CIA-Akten über Sansibar ein. Eine Erkenntnis ihrer Forschungen: Es gibt Kontinuitäten von der Stasi bis in die heutige Zeit. „In allen drei Ländern, in denen ich war, ist das Erbe der Stasi noch zu spüren. Die aufgebauten Dienste oder deren Nachfolger sind teilweise immer noch als repressive Apparate aktiv.“ Manche Menschen, die zum Teil heute noch in Machtpositionen sind, hätten nicht mit ihr reden wollen, berichtet die Historikerin. In Sansibar, einem aus Inseln bestehenden Teilstaat von Tansania, habe sie sogar Drohungen erhalten. Überall in diesen Ländern hätten sich die Menschen von den Schatten der Vergangenheit bis heute nicht vollständig befreien können. „Die Zeitzeugen hatten meistens ziemlich viel Angst, mit mir zu reden.“

Nach der Revolution auf Sansibar etwa erkannte die DDR in den 1960er Jahren sehr schnell, dass sie bei der dortigen, zum Sozialismus tendierenden Regierung Einfluss gewinnen könnte. Die Deutschen boten an, einen Geheimdienst nach dem Vorbild der Staatssicherheit aufzubauen, berichtet Warda. Schließlich wurde das Vorhaben in die Tat umgesetzt. Ein überproportional großer Geheimdienst sei auf diese Weise in Sansibar entstanden. Auch in Mosambik, das 1975 die Kolonialherrschaft Portugals abschütteln konnte, hatte die Stasi alsbald Fuß gefasst. Nach Erlangung der Unabhängigkeit regierte hier eine marxistisch geprägte Bewegung. Und in Nicaragua wiederum unterstützten die DDR-Geheimdienstler in den 1980er Jahren die Sandinisten unter Daniel Ortega.

Unterweisung im richtigen Umgang mit Handfeuerwaffen

Zum Aufbau der sicherheitsdienstlichen Strukturen fuhren Stasimitarbeiter in die jeweiligen Länder, umgekehrt erhielten dortige Funktionsträger eine Ausbildung in der DDR. Viele von ihnen wurden an der Juristischen Hochschule in Golm, einer Einrichtung des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS), ausgebildet. Die DDR unterrichtete die Menschen aus den fernen Ländern in Verwaltung und Technik, Marxismus-Leninismus stand ebenso auf dem Lehrplan, wie die geheimdienstliche Aufklärungsarbeit. Auch die Unterweisung im richtigen Umgang mit Handfeuerwaffen wurde gelehrt. Zudem schickten die Deutschen Überwachungstechnik, also Kameras, Abhörgeräte und weiteres Zubehör in die Länder, in denen sich der Sozialismus nun entwickeln sollte.

Bis Anfang der 1970er Jahre sei es der DDR dabei sehr um die eigene internationale Anerkennung gegangen. „Jeder gewonnene Zentimeter galt im Kalten Krieg als Gewinn“, sagt Warda. Später stand der wirtschaftliche Nutzen im Vordergrund. Man habe sich im Gegenzug für die geheimdienstliche Unterstützung zum Beispiel Kaffee und Kakao erhofft. Meist jedoch vergebens. „Das hat so gut wie nie geklappt“, sagt die Historikerin. Die eigenen Möglichkeiten und die der Partner wurden oft überschätzt.

Auch die kulturellen Unterschiede zwischen der DDR und den von ihr unterstützten Staaten waren groß, ja oft zu groß, wie Warda bei ihren Forschungen herausfand. Daran seien viele Projekte gescheitert. Die mangelnde internationale Erfahrung der Stasileute habe sich immer als Problem erwiesen. Der allererste Verbindungsoffizier der Stasi in Sansibar zum Beispiel war vor seinem Afrika-Einsatz wohl so gut wie nie aus Leipzig herausgekommen. Er konnte kein Englisch, geschweige denn Swahili – für seinen neuen Job ein großes Problem. Nicht unbedingt die qualifiziertesten Stasi-Mitarbeiter habe man in die Aufbaustaaten geschickt, sondern die linientreuesten, fand Warda heraus. Schließlich sollten die Stasimitarbeiter nicht abhauen.

In Nicaragua verschimmelten Geldscheine aus der DDR

Auch die klimatischen Verhältnisse in den weit entfernten Staaten hatten die Deutschen so manches Mal falsch eingeschätzt. Waren es in Nicaragua Geldscheine, die in der DDR gedruckt wurden und nun plötzlich in Lateinamerika in ihren Kisten verschimmelten, so litt andernorts die DDR-Überwachungstechnik, die im tropischen Klima verrostete. „Von der Masse der Projekte, die sie in den einzelnen Ländern gestartet haben, sind nur einige geglückt“, schätzt Warda.

Ob an den Händen von Stasi-Mitarbeitern dieser Länder Blut klebt, hat Warda bislang nicht herausgefunden. „Doch es ist nachzuweisen, dass das MfS nicht deeskalierend, sondern besonders in Bürgerkriegssituationen eskalierend Einfluss genommen hat.“ Und wahrscheinlich hatte die Stasi auch Kenntnis von der in Sansibar staatlicherseits verübten Folter: „Aus den Interviews mit Zeitzeugen konnte ich erfahren, dass es fast unmöglich gewesen wäre, von den Foltergefängnissen nichts gewusst zu haben“, so Warda.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false